Startschuss für Tests auf der Bleichwiese

Gestern Morgen öffnete Backnangs kommunales Corona-Schnelltestzentrum seine Pforten. „Wir wollen ganz nah an die Bürger heran“, begründet die Rechts- und Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer die Entscheidung für das Angebot im Herzen der Stadt.

Premiere für das Testzentrum auf der Bleichwiese: Rechts- und Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer schaute bei Thomas Förster und dessen Team von der Johannes-Apotheke vorbei. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Premiere für das Testzentrum auf der Bleichwiese: Rechts- und Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer schaute bei Thomas Förster und dessen Team von der Johannes-Apotheke vorbei. Foto: J. Fiedler

Von Steffen Grün

BACKNANG. Die Bleichwiese hat schon viel erlebt. Sie heißt so, weil Färber und Tuchmacher dort ihre Erzeugnisse bleichten. Die Gerber, denen in der engen Stadt oft der benötigte Raum fehlte, übten hier an der Murr einen Teil ihres Handwerks aus. 1848 strömten 7000 Zuschauer zur letzten öffentlichen Hinrichtung in Backnang, inzwischen ist es zum Beispiel der Rummel beim Straßenfest, der die Massen anlockt. Vor allem dient die Bleichwiese aber seit langer Zeit als innenstadtnaher Parkplatz – und an dessen hinterem Ende, zwischen Spielplatz und Imbisswagen, wurde jetzt das Corona-Schnelltestzentrum errichtet.

Der 15 Quadratmeter große Container steht seit Montag, gestern Morgen nahmen Vera Salwey und Marina Hübner die ersten Abstriche. Eine simple Sache für die Mitarbeiterinnen der Johannes-Apotheke: „Wir wurden geschult. Man muss vorsichtig sein, aber mit Gefühl kriegt man das gut hin.“ Daran hat ihr Chef keinen Zweifel, trotzdem wollte es Thomas Förster bei der Premiere bewusst langsam angehen, „bis sich alles eingespielt hat“. Etwa zehn Minuten waren pro Test eingeplant, „die Taktung können wir sicherlich bald knapper gestalten“. Die Stadt überlässt es den Kooperationspartnern, in welchem Tempo sie testen. „Wir geben keinen Rhythmus vor“, betont Gisela Blumer, „das wäre verfehlt.“ Kein Dogma macht die Leiterin des Rechts- und Ordnungsamts auch daraus, wie die Bürger zu den Terminen kommen. Der bevorzugte Weg führt über das vom Rems-Murr-Kreis aufgebaute Schnelltestportal Cosan, weil es die Bearbeitung erleichtert und die Bürokratie minimiert. Es liegt aber im Ermessen des jeweiligen Kooperationspartners, auch Spontantests für Passanten anzubieten. „Ob das praktikabel ist, muss erprobt werden“, so Blumer.

Neben der Johannes-Apotheke sind die Brücken-Apotheke sowie Ärztin Susanne Thies-Tenschert an Bord, dabei soll’s aber nicht bleiben. Die Stadt ist etwa mit dem DRK-Ortsverein im Gespräch und auch Thomas Förster versichert, „keine Berührungsängste“ zu haben. Wichtig ist ihm der Hinweis, dass sich aus der exponierten Lage der Einrichtung im Herzen Backnangs keine herausgehobene Stellung ableiten lässt: „Es ist nur eine Teststation neben vielen anderen.“ Sie reiht sich ein in die stetig weiter wachsende Zahl von derzeit rund 130 Ärzten, Apotheken und anderen Institutionen, die Schnelltests auf Covid-19 im Landkreis anbieten. Manche sind auf konkrete Gruppen wie Schüler, Lehrer oder Kitapersonal spezialisiert, bei der breiten Mehrheit gibt’s auch den kostenlosen Bürgertest, den jeder mindestens einmal pro Woche machen lassen darf. Die Kosten trägt der Bund, für den Test selbst werden sechs Euro abgerechnet. Für die Durchführung bekommen Apotheken und andere Einrichtungen wie das DRK zwölf Euro, die Ärzte 15 Euro. Klingt vielleicht nach viel dafür, dass ein Wattestäbchen in die Nase gebohrt wird, doch damit muss zum Beispiel das Personal, die Schutzkleidung und der Test selbst bezahlt werden.

170 positive Fälle unter gut 46200 Schnelltests an Rems und Murr.

Seit das Schnelltestportal an den Start ging, wurden an Rems und Murr bis vergangenen Montag 46206 Abstriche registriert. Allein in der Vorwoche gab es 19303 Tests, doch bei einer Kapazität von 45000 Terminen bleibt Luft nach oben. 170 positive Fälle wurden herausgefischt, was die Betroffenen aus heiterem Himmel trifft, weil die Schnelltests nur für asymptomatische Personen gedacht sind. Das mag die Inzidenzzahlen einerseits weiter erhöhen, wie Kritiker monieren. Andererseits werden damit Infektionsketten unterbrochen, weil sich die bis dahin unbemerkt Erkrankten bis zur Bestätigung (oder bis zur Entwarnung) durch den PCR-Test bei einem Hausarzt, in den Schwerpunktpraxen oder in der Coronaambulanz an der Schorndorfer Klinik isolieren müssen und somit niemanden mehr anstecken können.

Für die breite Masse der negativ Getesteten bedeutet dieses Ergebnis „ein Stück mehr Sicherheit, aber keine absolute Sicherheit“, ordnet Martina Keck die Bedeutung ein. Ein Schnelltest sei immer nur eine Momentaufnahme, betont die Pressesprecherin des Landratsamts: „Das ist ein Baustein unserer Strategie, es kann aber nicht alleine zum Ziel führen.“ Nötig sei trotzdem die Beachtung der AHA+L-Regeln, dazu kämen etwa die Hygienepläne in Betrieben und vor allem die Impfung. Mit den Schnelltests ist aber auch die klare Hoffnung verbunden, mit größeren Öffnungsschritten nicht warten zu müssen, bis ein Großteil der Bevölkerung immunisiert ist. Man baue das System weiter aus, um gewappnet zu sein, wenn die dritte Welle gebrochen und damit wieder mehr möglich ist, erläutern Keck und Blumer.

Man könnte von einer Brücke sprechen, bis die Impfungen umfassende Wirkung zeigen. „Wir haben natürlich das Ziel, zu einer gewissen Normalität zurückzukehren“, sagt die Backnanger Amtschefin. Der gesamte Rems-Murr-Kreis wolle zu einer Modellregion werden, in der mit negativen Schnelltests unter anderem die Gastronomie, der Einzelhandel oder die kulturellen Einrichtungen wieder Kunden und Gäste empfangen können, in der sportliche Aktivitäten und alle körpernahen Dienstleistungen wieder drin sind. Derzeit geht es aber vor allem darum, aus dem exponentiellen Wachstum herauszukommen, und dazu soll das Schnelltestzentrum auf der Bleichwiese seinen Teil beitragen.

Zu denen, die in den ersten Stunden einen Abstrich machen ließen, gehörte Ingo Peters aus Althütte. „Ich bekomme Besuch“, verriet der 75-Jährige, warum er auf Nummer sicher gehen wollte. Ihm wie allen anderen, die ihren Test vorab im Internet gebucht haben, stehen ausgeschilderte Parkplätze auf der Bleichwiese kostenlos zur Verfügung. Das ist ein Beitrag, den die Stadt leistet, zudem stellt sie den Container zur Verfügung, übernimmt die Reinigung und stimmte das Hygienekonzept mit Ärzten und Apotheken ab. Das Modell, auf Partner mit medizinischem Personal zu setzen, wurde bewusst gewählt, dasselbe gilt für den Standort. „Wir wollen den Bürgern die Tests mit nahen Wegen bieten“, sagt Blumer, „so bequem und einfach wie möglich.“ Für Menschen mit Behinderung ist Barrierefreiheit gesichert: Sie werden im Freien unter einem Schirm in den Stadtfarben getestet.

Die Öffnungszeiten des Containers auf der Bleichwiese mit den jeweils zuständigen Kooperationspartnern sind auf der Startseite von www.backnang.de unter „Kommunales Corona-Testzentrum“ zu finden.

Diese Einrichtungen in Backnang und den Umlandgemeinden bieten die kostenlosen Bürgertests

Allmersbach im Tal: Arztpraxis Brigitte und Norbert Lewin, Im Vogelsang 14; Rats-Apotheke, Backnanger Straße 51.

Aspach: Arztpraxis Petra Kotzan und Désirée Breßmer, Hauptstraße 2 (Großaspach); Arztpraxis Masood Talebiazar-Biermann, Kirchstraße 20 (Kleinaspach).

Auenwald: Arztpraxis Helmtrud Schindele und Ulf Dalkowski, Holzbachweg 4 (Unterbrüden); Arztpraxis Isolde Herrmann, Hauptstraße 10 (Lippoldsweiler).

Backnang: Arztpraxis Simon Barschkies, Hofgut Hagenbach 1; Arztpraxis Charles Dazzan und Daniela Dazzan, Burgplatz 3; Arztpraxis Christine Rühle-Barschkies und Steffen Rühle, Marktstraße 29; Arztpraxis Wolfgang Steinhäußer, Bertram Ribbeck und Hans-Peter Tränkle, Gartenstraße 75; Arztpraxis Susanne Thies-Tenschert, Schillerstraße 36; Arztpraxis Ute Ulfert, Günther Ulfert und Margit Beutelspacher, Karl-Krische-Straße 4, Apotheke am Obstmarkt, Dilleniusstraße 9; Brücken-Apotheke, Sulzbacher Straße 21; Center-Apotheke im Kaufland, Sulzbacher Straße 201.

Burgstetten: Arztpraxis Andreas Fritz, Bahnhofsplatz 4 (Burgstall).

Murrhardt: Arztpraxis Toralf Scherat, Theodor-Heuss-Straße 1; Arztpraxis Stephan Schönfeld, Friedhofweg 4 (Fornsbach); Praxisklinik Oberes Murrtal, Fornsbacher Straße 32 bis 36.

Oppenweiler: Arztpraxis Stefan Gerber, Bahnhofstraße 16; Arztpraxis Jens Steinat, Schlossstraße 11.

Sulzbach an der Murr: Arztpraxis Franz Wernet, Jahnstraße 1.

Weissach im Tal: Arztpraxis Karin Prendel, Welzheimer Straße 42; Täles-Apotheke, Welzheimer Straße 42 (Unterweissach).

Unter www.rems-murr-kreis.de/schnelltest gibt es Termine. In den nächsten Tagen sind manche Einrichtungen aber ausgebucht.

Zum Artikel

Erstellt:
31. März 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen