Angst vor der Blamage

Die erste Folge von „Gottschalk liest?“ im BR ist danebengegangen – Der Moderator und seine Gäste fanden kaum zueinander

Talk - Die erste Folge von „Gottschalk liest?“ im BR ist ziemlich daneben gegangen. Der frühere „Wetten dass“-Moderator und seine literarischen Gäste fanden kaum zueinander.

Angst vor der Blamage

Stuttgart Am lässigsten ist Thomas Gottschalk im Vorspann seiner neuen Sendung: Da tritt er vor die Titeltafel „Gottschalk liest“ und malt mit Kreide ein Fragezeichen. So selbstironisch heißt das neue Literaturschwätzchen beim Bayerischen Rundfunk nämlich, „Gottschalk liest?“. Es greift die höhnische Skepsis jener auf, die dem einstigen „Wetten dass . .?“-Moderator die Geduld für längere Buchstabenketten nicht zugetraut hätten.

Ein Land, in dem mittlerweile jeder fünfte Zehnjährige massive Schreib- und Lesedefizite hat, braucht Gottschalks Botschaft ganz dringend: dass Lesen nicht bloß eine säuer­liche Weltfluchtveranstaltung für grämliche Eierköpfe ist, sondern ein intensives Erlebnis für jedermann. Aber egal, mit wie viel gutem Willen man sich vor „Gottschalk liest?“ setzte, nach ein paar Minuten schon wurde klar: Hier geht etwas ziemlich schief.

Vier Gäste hatte der zu Beginn seiner Karriere durch lockere Sprüche im Radio aufgefallene Gottschalk auf die Bühne vor Livepublikum gebeten: Sarah Kuttner, Vea Kaiser, Ferdinand von Schirach und den Fotografen Daniel Biskup. Nacheinander nahmen sie auf der Couch Platz, und bei allen beging Gottschalk denselben Fehler: Er plapperte die Autorinnen und Autoren erst einmal mit seinen Eindrücken zu.

Gedacht war das wohl als die Lage entspannende Komplimentesammlung. Aber sogar Sarah Kuttner, die selbst viel Erfahrung als Radio- und TV-Moderatorin besitzt, saß abwehrbereit und misstrauisch vor der Kamera. Wie Kaiser und Schirach schien sie eher ungern hier zu sein: als sehe sie zwar die Notwendigkeit ein, jedes nur mögliche Fitzelchen PR auf einem heillos überfüllten Buchmarkt mitzunehmen, als werde sie aber auch von der Furcht geplagt, von einem witzelnden Dampfplauderer in einen Strudel der blamablen Banalitäten hineingezogen zu werden. Als könne man durch einen Gottschalk-Auftritt vom ernsthaften Literaturproduzenten zum Trash-Promi umgewertet werden.

Der verkrampfte und vergebliche Versuch der beiden, eine Gesprächsgrundlage zu finden, war noch gar nichts gegen die verkniffene, in trockene Frotzeleien verpackte Aggressivität von Schirach, der seinen Abstand zur Welt der Gottschalks demonstrieren wollte. Und Gottschalk, dem durch die Blume vorgeworfen wurde, nur ein Schwatzonkel zu sein, tat fatalerweise, was er zur Situationsentspannung als Showmoderator gelernt hat: Er schwatzte noch ein bisschen oberflächlicher und wich jeder Kontroverse aus. So kann das nichts werden.

Die Autoren können nicht mit der paradoxen Haltung „Oh Gott, hoffentlich erkennt mich keiner, aber bitte lass sie alle mein Buch kaufen“ auf die Couch kommen. Und Thomas Gottschalk kann nicht hoffen, von seinen Gästen ein Fleißkärtchen als Musterleser zu bekommen, wenn er ihnen vorschwärmt, wie „wohl er sich in diesem Buch gefühlt“ habe. Ein bisschen Dialog kann einem Gespräch nicht schaden.

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Erstellt:
21. März 2019, 03:04 Uhr

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