Architektur Ausstellung
Spektakuläre Architektur des Widerstands
Zelte, Baumhäuser, Barrikaden: Eine spannende Ausstellung in Frankfurt diskutiert die politische Macht der Architektur.
Von Tomo Pavlovic
Barrikaden und Protestcamps als Architekturen zu bezeichnen und sie dann auch noch in einem Museum als Designobjekte zu adeln, erscheint auf den ersten Blick bemüht originell. Doch sobald man das erste Exponat strümpfig betritt, findet man die Idee mindestens pädagogisch wertvoll, wenn nicht genial.
In 15 Meter Höhe hing noch bis vor wenigen Monaten im Hambacher Forst eine y-förmige Brücke, die drei Baumhäuser miteinander verband. In ihnen hatten sich ökologisch motivierte Aktivisten eingerichtet, um die Abholzung des Restbestands des „Hambi“ zugunsten des Braunkohle-Tagebaus zu verhindern.
Architektur für den Augenblick
Nun ist dieses architektonische Werk aus Brettern und Seilen zum begehbaren Exponat im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt geworden. Die Besucher dürfen die Brücke, die allerdings aus Sicherheitsgründen knapp über dem Museumsboden schwebt, sogar betreten, sie müssen sich vorher aber die Schuhe ausziehen.
Die Installation vergegenwärtigt den mobilen Schwebezustand, in dem sich der Widerstand einrichtet. Das Zelt, das Baumhaus ist eine Architektur für den Augenblick. In der Regel besetzen politische Aktivisten Orte und Plätze des öffentlichen Raums mit improvisierten Behausungen, die den nomadischen Bauformen entlehnt sind.
Im Tourismus kennt man das ebenfalls: Nicht Pauschalurlauber, sondern die wetterfesten Aktivreisenden zelten, sie übernachten gar in Baumhäusern oder kampieren unter freiem Himmel. Das DAM präsentiert elementare, ja archaische Bauwerke, die flüchtig sind, improvisiert. Was man so nebenbei auch als konstruktiven Kommentar zur herrschenden Wohnkrise verstehen könnte.
Doch die Macher der Schau konzentrieren sich aufs Thema Protest. Etwa auf jenen gegen den Bau der Startbahn West in Frankfurt, „Occupy Wall Street“, die Tahrir-Platz-Demonstrationen im sogenannten Arabischen Frühling, der Maidan Ende 2013, Hongkong 2014: Die sehenswerte, von Oliver Elser kuratierte Ausstellung „Protest/Architektur“ zeigt in 13 „Case Studies“ das architektonische Ausstattungsmaterial von Protestereignissen in aller Welt zwischen 1968 und 2023.
Zu bestaunen sind Modelle, Lagepläne, Bautypologien, Fotos, Texte – und eine eigens für die Ausstellung entstandene Filminstallation von Oliver Hardt. Das erwähnte Zubehör findet der aufmüpfige Bürger vorrangig im Baumarkt, zumindest kann man das von Deutschland, einig Baumarktland behaupten. Sekundenkleber, Spanngurte, Karabiner, Kabelbinder, Latten – all das gibt’s für wenig Geld um die Ecke.
Hütte oder Barrikade?
Je demokratischer das Land, desto aufwendiger und beständiger scheinen die Architekturen: Als es um den Widerstand gegen die Startbahn West in Frankfurt ging, räumte die Polizei nach mehr als einem Jahr Anfang des Protests Anfang der 80er Jahre ein ganzes Dorf aus Hütten und Baumhäusern, sogar eine Kirche war entstanden.
Anders auf dem Maidan in Kiew, wo für die Gegner der autoritären Staatsmacht schon Versammlungen lebensgefährlich waren. In der Folge wurden primitive Straßenbarrikaden wie bei der Pariser Juli-Revolution 1830 errichtet, hinter denen sich die Demonstrierenden verschanzen konnten. In jedem Fall wurde und wird in dieser klugen Schau deutlich: Architektur ist politisch, und wie! Vor allem jene, die nicht vom Baurechtsamt genehmigt wurde.
Ausstellung
Deutsches Architekturmuseum FrankfurtProtest/Architektur. Barrikaden, Camps, Sekundenkleber 1830-2023. Bis 14. Januar 2024. Der Katalog kostet 19 Euro.