Astrid Fritz’ neuer Roman „Die Magd des Medicus“

Geheimnisse des Körpers und des Lebens: Im Mittelpunkt des Romans von Astrid Fritz, der am 15. August neu erschienen ist, stehen der Arzt Paracelsus und die Schindertochter Barbara. Die Erzählung verwebt die Historie des Heilens mit den Themen Frauenschicksal und Emanzipation sowie Rollenbilder auf faszinierende Weise.

Astrid Fritz liebt an ihrem Beruf, dass er es erlaubt, sich in andere Zeiten und Menschen hineinzuversetzen. Eine Arbeit, die das Weltbild und den eigenen Horizont erweitert, sagt sie. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Astrid Fritz liebt an ihrem Beruf, dass er es erlaubt, sich in andere Zeiten und Menschen hineinzuversetzen. Eine Arbeit, die das Weltbild und den eigenen Horizont erweitert, sagt sie. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Astrid Fritz bewegt sich als erfahrene Autorin historischer Romane schon länger auch auf dem Terrain der Medizingeschichte. Im Zuge der Recherchen für ihre Reihe um die einstige Begine, Stadtarztgattin und Armenapothekerin Serafina hat sie sich intensiv mit dem Gebiet auseinandergesetzt. Dabei stieß sie auf Theophrastus Bombast von Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus, der sie faszinierte. „Er war ein Freigeist und kritischer Kopf mit unkonventionellen Ideen, der auch nicht in die damaligen starren Rollenbilder gepasst hat. Als Mensch konnte er aufbrausend, launisch und streitlustig sein“, erzählt sie. Seine Aufzeichnungen machten aber auch deutlich, dass er eine empfindsame Seele mit einem besonderen Blick für die Natur und andere Kreaturen war. „Mir war klar, das muss einmal eine Hauptfigur werden“, sagt sie. Mit dem Entschluss, dies umzusetzen, stand dann auch relativ schnell fest, dass es in der Geschichte eine Frau braucht, die Paracelsus als komplexe Figur spiegelt. Obwohl oder vielleicht gerade weil der Mediziner viele Gegensätze in sich vereinte, hat er auch „wie ein Mönch gelebt“. Ledig und ohne Kinder widmete er seine ganze Kraft der Medizin und den Kranken.

Auch ein Roman über eine Zeit, in der Frauen immer mehr Rechte einbüßen

Dass er im Alltag jemand brauchte, der ihm, wie wir heute sagen würden, als Dienstleisterin zur Hand ging, ist sehr wahrscheinlich, genauso wie der Fakt, dass die damalige Geschichtsschreibung eine Magd nicht berücksichtigt hätte. Barbara, die Astrid Fritz Paracelsus also in aller künstlerischen Freiheit an die Seite stellt, bringt gute Voraussetzungen mit.

Als Tochter eines Schinders, also jemand, der sich um die Verwertung und Entsorgung von toten Tieren kümmert, hat sie viel Wissen, was das Leben, die Physiologie und Natur anbelangt. Gleichzeitig ist sie durch den Berufsstand ihres Vaters auch Außenseiterin. Hinzu kommt, dass sie als Frau im 16. Jahrhundert keine Zukunft im Sinne eines selbstbestimmten Lebens hat. „Mit dem Ende des Mittelalters und dem Beginn der Neuzeit werden den Frauen immer mehr Rechte genommen“, stellt Fritz fest. „Sie werden beispielsweise aus Zünften ausgeschlossen. Es wird für eine Frau immer schwieriger, einen eigenen Weg außerhalb der Mutter- oder Hausfrauenrolle zu gehen, wenn sie solch eine Idee von einem eigenen Leben hatte“, sagt sie. Somit war das zweite Thema ihrer historischen Erzählung gesetzt.

Der neue Roman liegt seit heute bereit. Foto: Rowohlt-Verlag

Der neue Roman liegt seit heute bereit. Foto: Rowohlt-Verlag

Im Roman verbindet die 64-jährige Autorin die historische Figur des bekannten Mediziners mit der fiktiven Geschichte dieser äußerst neugierigen jungen Frau. In der Auseinandersetzung mit Barbara wird Paracelsus mit all seinen Fähigkeiten und Widerborstigkeiten lebendig. In der Erzählung scheint somit der Arzt und innovative Forschergeist genauso wie der Mensch auf. „Natürlich war auch er ein Kind seiner Zeit.“ Was aus heutiger Sicht aber neu und modern ist, war seine vergleichsweise ganzheitliche Sicht auf das Entstehen beziehungsweise die Ursache von Krankheit und Gesundheit.

„Wenn ein kranker Mensch zu ihm kam, fragte er, was er isst, wie er schläft, arbeitet und lebt. Er hatte einen sehr individuellen Ansatz“, sagt Astrid Fritz. Dies schloss letztlich auch die unterschiedlichen Lebenswelten von Mann und Frau mit ein. Dass sich Paracelsus als Mann für die Frau und ihre Gesundheit interessierte, hat für Fritz auch mit seinem erstaunlich anderen und aus heutiger Sicht modernen Frauenbild zu tun. Die Wertschätzung des weiblichen Geschlechts spiegelte sich neben der Befürwortung einer eigenen Frauenheilkunde auch in seinem Glauben wider. „Die Jungfrau Maria war in seinen Augen nicht nur die Gebärerin des Heilands, sondern vielmehr der weibliche Anteil der Gottheit“, sagt die Autorin. Das irritierte die Menschen wohl und führte zu Gerüchten, dass er als Knabe entmannt worden sei, wozu es nach den Recherchen von Astrid Fritz auch zwei unabhängige Quellen gibt.

Blick auf eine Zeit des Umbruchs im Bereich in der Medizin

Ob für sein vorausschauendes Denken und Forschen möglicherweise auch ein körperlicher Hintergrund als eine Art Zwischenwesen – heute würde man dafür den Begriff queer im Sinne von Menschen, die aus dem heterosexuellen Raster fallen, verwenden – eine Rolle gespielt hat, muss offenbleiben. Letztlich ist aber über seine eigenen Schriften überliefert, dass er sich zeit seines Lebens „allein und fremd und anders fühlte“. Im Roman wird dieses Thema auf spannende Weise über die Beziehung zwischen Paracelsus und seiner Magd aufgegriffen. Ihr Verhältnis entwickelt sich vom Kennen- und Schätzenlernen bis hin zu einer Liebesbeziehung, die eben nicht in die üblichen Schubladen passt. Dass Barbara in gewisser Weise sogar erfolgreicher darin ist, ihren beruflichen Weg zu gehen und einen Partner zu finden, wirkt sich letztlich auch nicht auf diese zarte Bindung zu Paracelsus aus. Nach vielen Kämpfen als Mediziner zieht dieser sich zurück. „Zu seiner Zeit war er verlacht und ausgegrenzt.“ Erst nach seinem Tod fanden seine Ansätze Anerkennung – der überwiegende Teil seiner Schriften wurde posthum veröffentlicht. Fritz eröffnet mit ihrem Roman den Blick auf eine schwierige Phase des Umbruchs – auch im Bereich der Medizin. Und sie erzählt eine spannende Geschichte mit zwei starken Figuren, die beide komplex und mit beeindruckenden Fähigkeiten ausgestattet sind.

Im Ruhestand will die Autorin über neue Projekte nachdenken

Normalerweise hat für Astrid Fritz schon einige Zeit vor Erscheinen des aktuellen Romans die Arbeit am Folgeprojekt begonnen. Als Bestsellerautorin hält sie diesen Takt von zwei Romanveröffentlichungen pro Jahr seit 2003. Da nun aber der Ruhestand in greifbare Nähe gerückt ist, kann sie sich im Sommer eine Auszeit gönnen, um über das nächste Vorhaben nachzudenken. Dass sie weiterschreiben will, steht fest. Gleichzeitig genießt sie es, nun freier und nicht mehr so termingebunden über das nächste Thema entscheiden zu können. „Ich habe als Autorin die Chance, so tief in Themen und Epochen einzutauchen, wie es sonst eigentlich nur Historikern möglich ist. Sich in andere Zeiten und Menschen hineinzuversetzen, erweitert das Weltbild und den eigenen Horizont.“ Das will sie auch in Zukunft nicht missen, genauso, wie das Ergebnis ihrer Arbeit ganz konkret in Händen zu halten – die Geschichte zwischen zwei Buchdeckeln.

Astrid Fritz liefert auf ihrer Website spannende Hintergründe zum Roman

Roman „Die Magd des Medicus“ ist am 15. August im Rowohlt-Taschenbuch-Verlag erschienen. Der Roman umfasst 512 Seiten, kostet 13 Euro und hat die ISBN 978-3-499-01062-0. Er ist auch als E-Book erhältlich. Im Klappentext heißt es: „Ausgerechnet in den Dienst des buckligen Stadtarztes von Basel soll Barbara gehen. Als Tochter eines als unehrenhaft geltenden Abdeckers bleibt ihr keine andere Wahl. Mit ihrer patenten und pragmatischen Art ist die junge Frau das Gegenteil ihres neuen Herrn Paracelsus. Sein Zuhause ist die Wissenschaft, die Medizin, die Lehre. Wegen seiner unkonventionellen Methoden und aufbrausenden Art wird er jedoch immer wieder angefeindet. So sind sie beide Außenseiter. Bald lernt die Magd den Arzt zu schätzen und ist fasziniert von den Geheimnissen des menschlichen Körpers. Doch dann muss Barbara sich entscheiden, ob sie weiter zu ihm halten kann – und was ihr eigenes Ziel im Leben ist.“

Autorin Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Als Fachredakteurin arbeitete sie anschließend in Darmstadt und Freiburg und verbrachte mit ihrer Familie drei Jahre in Santiago de Chile. Zu ihren großen Erfolgen zählen „Die Hexe von Freiburg“, „Die Tochter der Hexe“, „Turm aus Licht“ und „Der dunkle Himmel“. Ihr aktuelles Buch wird sie auf der Plattform www.lovelybooks.de in einer Leserunde vorstellen. Auf ihrer eigenen Homepage liefert sie zudem spannende historische Hintergründe zur Thematik. Sie finden sich unter www.astrid-fritz.de.

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Erstellt:
16. August 2023, 06:00 Uhr

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