Dreharbeiten für ARD-Film
Axel Milberg als Ingenieur auf der S-21-Baustelle
Regisseur Daniel Harrich hat zwei Szenen seines Thrillers „Verschollen“ auf der Baustelle für den Stuttgarter Hauptbahnhof gedreht. Die Schauspieler Axel Milberg und Elisa Schlott sind begeistert vom außergewöhnlichen Drehort.

© Lichtgut/Julian Rettig
Axel Milberg und Elisa Schlott beim Dreh auf der aktiven Baustelle
Von Carolin Klinger
Eisenstangen fallen scheppernd zu Boden, Hammerschläge dröhnen durch die Halle – und plötzlich ein „Und Action!“, das in dem Lärm fast unter geht. Dennoch setzen sich der Schauspieler Axel Milberg und die Schauspielerin Elisa Schlott in Bewegung, schlendern ins Gespräch vertieft über den entstehenden Bahnsteig, während die Kamera die Szene einfängt und Bauarbeiter unbeirrt an ihnen vorbei laufen.
Ein Filmset – und doch sind die Bauarbeiter keine Statisten, und die Baustelle ist nicht nachgestellt. Drehteam, Schauspieler und echte Arbeiter sind mit ihren Helmen, klobigen Schuhen und Warnwesten kaum voneinander zu unterscheiden. Die Realität auf der Baustelle für den entstehenden Stuttgarter Hauptbahnhof vermischt sich mit der Fiktion des entstehenden Filmes.
Während normalerweise für Dreharbeiten alles abgesperrt wird, muss sich das Filmteam hier an die Gegebenheiten anpassen, die es vorfindet. Denn die Bauarbeiten des S-21-Bahnprojekts Stuttgart-Ulm dürfen nicht behindert werden, auch wenn der Dreh nur einen halben Tag dauern soll. Statt der sonst üblichen rund 50 Personen am Set umfasst das Team auf der Baustelle deshalb auch nur fünf Menschen. „Als ich angefragt habe, ob wir auf der S-21-Baustelle drehen dürfen, habe ich nicht damit gerechnet, dass das möglich ist“, sagt der Regisseur Daniel Harrich. Umso dankbarer sei er, dass er die Schauspielenden nun in diesem unterirdischen Tunnel für seinen Thriller „Verschollen“ in Szene setzen darf.
Denn die Bilder, die seine Kamera einfängt, sind tatsächlich beeindruckend. Während im Vordergrund die Arbeiter Natursteine auf den künftigen Bahnsteigen verlegen, ragen hinter ihnen die Kelchstützen mit den darüber liegenden Lichtaugen auf, die im Film später als „Lichtbäume“ bezeichnet werden. Axel Milberg ist fasziniert: „Ich bin beeindruckt von der Ästhetik dieser architektonischen Leistung“, schwärmt er und fühlt sich sogar an die berühmte Sagrada Família in Barcelona erinnert. Im Film wird er in der Rolle eines Ingenieurs seine Schwiegertochter, gespielt von Elisa Schlott, über die Baustelle führen und mit Begeisterung davon sprechen, dies alles mit erschaffen zu haben. Diese Begeisterung für das Bauwerk muss er nicht spielen. Dass er dafür Baulärm, Kälte und Schmutz auf sich nehmen, und mehrfach zwischen den Gleisbetten hin und her klettern muss, findet der 68-Jährige überhaupt nicht anstrengend.
Nicht zum ersten Mal wird die S-21-Baustelle zur Filmkulisse
Milbergs Lob hören auch diejenigen gern, die den Dreh genehmigten. „Ein preisgekrönter Regisseur trifft auf preisgekrönte Architektur, zusammen mit Weltklasse-Schauspielern. Wir freuen uns sehr, dass wir Teil dieser spannenden Filmproduktion sein dürfen“, sagt Jörg Hamann, Kommunikationschef des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm. Nicht zum ersten Mal lockt die Mega-Baustelle ein Filmteam an – 2018 wurde tief unter der Erde in Stuttgart-Wangen für die Neuverfilmung von Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ gedreht. Daniel Harrich hat die Kulisse für zwei Anfangsszenen seines neuen Polit-Thrillers gewählt, um die Hauptfigur in die Handlung einzuführen.
Axel Milberg spielt den Ingenieur Klemens Stadler, der an seinem letzten Arbeitstag auf der Baustelle in den Ruhestand verabschiedet wird. „Ich will in dieser Szene die Kompetenz der Figur zeigen“, erklärt Harrich. Denn in dem Film wird es darum gehen, dass Stadler einen Hilferuf von seinem Sohn Jan erhält, der als Umweltwissenschaftler in den brasilianischen Wäldern für ein Klimaschutzprojekt arbeitet. Als Jan verschwindet, macht sich Stadler in Brasilien auf die Suche und deckt dabei Ungereimtheiten in den angeblich so vorbildlichen Nachhaltigkeitsprojekten auf.
Wie es bei Filmen des Regisseurs üblich ist, liegen auch diesem Projekt fundierte Recherchen zugrunde, die auf Missstände aufmerksam machen sollen. Harrich wurde für seine Art des Filmemachens, die sich „Investigativer Spielfilm“ nennt, sogar 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. „Jeder möchte in diesen Filmen mitspielen, weil wir Schauspieler in unserer Arbeit nach Relevanz suchen“, sagt Axel Milberg, der mit Harrich bereits für die Filme „Saat des Terrors“ (2018) oder „Meister des Todes“ (2015) zusammenarbeitete.
Auch Elisa Schlott macht vor allem deswegen bei dem Film mit, weil sie die politischen Hintergründe interessieren: „Es ist gar nicht so sehr meine Figur, die mich gereizt hat, sondern das Thema des Films. Daran wollte ich teilhaben.“ Sie habe dadurch gelernt, Dinge noch stärker zu hinterfragen, auch wenn es sich um vermeintlich gute Taten handele. Bei den zwei Monate andauernden Dreharbeiten in Brasilien war Elisa Schlott nicht dabei, da sich ihre Figur in Deutschland darum kümmert, die Fäden zusammenzuhalten. Dem ungewöhnlichen Drehort in Stuttgart kann auch sie nur Positives abgewinnen: „Es ist ein Privileg, hier drehen zu dürfen. Wir müssen uns keine Gedanken machen, ob die Arbeiten im Hintergrund authentisch aussehen, denn sie sind es ja.“
Stillstand auf der S-21-Baustelle sorgt für Verzögerungen beim Dreh
Doch plötzlich geschieht etwas, womit das Drehteam nicht gerechnet hatte: nämlich nichts mehr. Pünktlich um 12 Uhr verabschieden sich die Bauarbeiter geschlossen in die Mittagspause. „Wir haben uns für die nächste Szene im Hintergrund Action gewünscht, wir haben gehofft, dass so richtig die Funken fliegen“, sagt Harrich. Während die Schauspielenden die ungeplante Pause für eine Stärkung nutzen, klettert der Regisseur von Gleis zu Gleis, schleppt das Equipment von einem Ort zum anderen, bis er die perfekte Kulisse gefunden hat. Er wird belohnt: Als die Arbeiter aus der Pause kommen, machen sie sich daran, Aufzüge einzubauen. Dabei fliegen die Funken, wie man es nicht schöner hätte nachstellen können.
Thriller mit realem Hintergrund
Spielfilm und DokuIm Herbst 2025 wird der Thriller „Verschollen“ in der ARD ausgestrahlt, in dem ein Umweltwissenschaftler in Brasilien verschwindet. Im Anschluss untersucht „Verschollen – Die Doku“ – ebenfalls von Daniel Harrich – die realen Hintergründe des weltweiten Wettrennens um CO2-Zertifikate: Die investigativen Recherchen zeigen, wie die sogenannte Aufforstung von Wäldern zu Enteignung und Vertreibung führt, angetrieben durch den Handel mit Carbon Credits und vorgeblich grünen Finanzprodukten.
BesetzungIn dem Film spielen unter anderem Axel Milberg, Max Hubacher, Luka Omoto, Elisa Schlott, Julia Koschitz, Benjamin Sadler und Jürgen Hartmann mit. Autor und Regisseur ist Daniel Harrich.

© Lichtgut/Julian Rettig
Daniel Harrich an der Kamera, setzt Elisa Schlott und Axel Milberg in Szene.

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Elisa Schlott und Axel Milberg lassen sich von dem Baulärm nicht ablenken.

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Axel Milberg spielt einen Ingenieur, der in den Ruhestand verabschiedet wird.

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Die Dreharbeiten laufen auf der aktiven Baustelle.

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Währenddessen arbeiten die Bauarbeiter unbeeindruckt weiter.

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Statt den sonst üblichen 50 Personen ist an diesem Filmset nur ein fünfköpfiges Drehteam erlaubt.