Backnanger Künstlerin entwirft die „Corona“ und die Geknechteten
Die Backnanger Künstlerin Andrea Blum beschäftigt sich mit Themen wie Pandemie, Klimawandel und Paralleluniversen. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Bildhauerei und gegenständliche, fantastische Malerei.
Von Ingrid Knack
Backnang. Andrea Blum gehört zu den Künstlerinnen und Künstlern, die beim Tag des Schwäbischen Waldes 2022 im Schlosspark in Oppenweiler ausstellten. Eines der Exponate war die „Corona“, eine Dame mit voluminösem Körper. Sie hat sich auf kleine Menschen gesetzt, die es umgehauen hat und die um ihr Leben zu strampeln scheinen. Es sind die Geknechteten, die völlig erschöpft sind. Die „Corona“ selbst kann nichts dafür. „Es ist ja so, dass das Virus gar nicht merkt, was es macht“, sagt Blum. „Was wir mit uns machen“, das treibt dafür die Künstlerin um.
Mittlerweile ist die „Corona“ eine der Attraktionen, die den Besuchern im Atelier von Andrea Blum in Backnang sofort ins Auge fallen. Blum hat die Gekrönte nun noch mit einer Lichterkette geschmückt, schließlich ist Weihnachtszeit. „Die habe ich gleich am Anfang von Corona gemacht. Da hatte ich so die Nase voll von dem Virus“, sagt Blum und weist auf die aus der Backnanger Kreiszeitung ausgeschnittenen Grafiken zum Coronageschehen hin, die einen Teil der nackten Haut der aus Pappmaschee und Gips bestehenden Nackten bedecken. „Da waren wir bei Inzidenzen von um die 360. Damals dachte ich, das wäre schon viel“, sagt Blum. Als die Figur fertig war, gingen die Zahlen erst richtig hoch.
Immer wieder arbeitet Blum an neuen Serien
Andrea Blum sprüht nur so vor Ideen. Immer wieder arbeitet sie an neuen Serien. Die Skulptur aus Holz mit dem Titel „Wo sollen die Meerjungfrauen hin“ sieht sie als Abschluss ihrer „Wasser“-Serie. Um die Flosse der Meerjungfrau, die einen schönen Aussichtsplatz am Atelierfenster bekommen hat, schlingt sich ein von Andrea Blum aus grünen und blauen Plastikmülltüten geknüpftes Fischernetz. „Wo sollen die Meerjungfrauen hin in unseren verschmutzten Weltmeeren?“, fragt die Backnangerin.
Andrea Blum hat die Gabe, ernste Themen künstlerisch so zu thematisieren, dass weder Inhalt noch Ästhetik zu kurz kommen. Gerade diese eher subtile Kritik, zusammen mit der schwer zu erzielenden künstlerischen Leichtigkeit und künstlerischem Charme erleichtert auch dem Betrachter die Auseinandersetzung mit dem, was auf dieser Welt so gar nicht in Ordnung ist.
„Lebenslagen“ nennt Andrea Blum eines ihrer Lieblingsbilder. Es stammt ebenfalls aus der „Wasser“-Serie. Eine große Welle treibt von Menschen gemachte Gegenstände vor sich her, es könnten Häuser sein. Oder sind es die Menschen selbst, die da durcheinanderpurzeln und vom Wasser verschlungen werden, eine Momentaufnahme sozusagen, wie das Leben mit uns spielt? Auch hier stehen diese beeindruckenden Wellen zunächst als Naturschauspiel. Blum: „Ich liebe die Wellen und wie sie fallen und sich ständig verändern.“ Doch auch diese Aussage steckt in dem Bild: „Wir und die Natur, da ziehen wir sowieso den Kürzern.“
Selbstporträts sind Teil ihres künstlerischen Schaffens
Bei Blums neuestem Projekt steht der Wald im Mittelpunkt, als grüne Lunge der Welt und als bedrohter Sehnsuchtsort. Auch mit Selbstporträts beschäftigt sich die Backnangerin. Einige davon waren in ihrer Ausstellung „Inspiration & I“ in diesem Jahr im Zahn-Service-Center im Charlottenhochhaus in Stuttgart zu sehen. Eines der Motive: Die Künstlerin schaut – mit Maske ausgestattet – zu, wie die Coronaviren auf die Welt fallen. Sie träumt ihre Ideen für neue Bilder und Skulpturen und sie sehnt sich in den Zeiten des Lockdowns nach Urlaub im schönen Meer. Es ist eine Aufforderung, sich entführen zu lassen in das Labyrinth ihrer Gedanken und Ideen.
Andrea Blum drängt es, immer wieder Neues auszuprobieren, ihre Experimentierfreude kennt kaum Grenzen. So kam es auch zu den Bildern, bei denen sie eine der verschiedenen Techniken des Acrylic Pouring angewendet hat. Dabei werden die Farben auf den Malgrund gegossen. So entstanden abstrakte Paralleluniversen mit Kuben und Seifenblasen, die häufig in den Bildern Blums zu entdecken sind.
Letztere stehen für die Ideen, die aus ihr „herausquellen“ – in dieser Zeit verstärkt zu den Themen Corona und Klimawandel. Aber da ist auch dieser Aspekt: „Die Menschen bewegen sich in ihrer Einsamkeit, sind in eigenen Blasen gefangen. Wohin führt uns das Labyrinth der Gedanken? Wie viele Parallelwelten gibt es?“ Dies ist Blums neuester Ansatz.
Mit ihrer in Australien lebenden Schwester, einer Malerin und „wunderbaren Aquarellistin“, tauscht sie sich einmal in der Woche per Skype aus. Als die Schwester über mit einer Scheckkarte gemalte Aquarelle sprach, probierte Andrea Blum dies wenig später mit ihren Schülern ebenfalls aus. „Sie haben ihre Weihnachtskarten diesmal mit der Scheckkarte gemalt.“
Elf Jahre unterrichtete die Künstlerin an der VHS
Seit sieben Jahren gibt Blum Kunstkurse in ihrem Atelier – Einzel- und Gruppenunterricht. Elf Jahre lang unterrichtete sie an der Volkshochschule. Was ihr dann aber zu viel wurde, weshalb sie ihr Engagement dort reduzierte. Mit ihren Schülern beschäftigt sie sich gerade mit dem Thema Renaissance. Gemälde von berühmten Künstlern dienen als Inspiration, die Bilder werden im Pop-Art-Stil verändert. Und so kommt plötzlich Dürer (nach einem Selbstporträt mit einer Kappe) reichlich bunt daher, genauso wie Simonetta Vespucci, die einstens als die schönste Frau von Florenz galt und von vielen Künstlern gemalt wurde. Blums Schüler verwenden hier Acrylfarbe und Ölkreide.
Andrea Blum selbst malt nicht so gerne mit den schnell trocknenden Acrylfarben, sie bevorzugt Öl- oder Aquarellfarben. „Eigentlich bin ich ja Aquarellistin, das habe ich vor vielen Jahren an der der Volkshochschule bei Ulrike Schuck-Evezard gelernt.“
Die Schwerpunkte der Arbeit Blums liegen auf der Bildhauerei und der gegenständlichen, fantastischen Malerei. In ihren figürlichen Arbeiten aus Holz, Stein, Bronze oder Glas geht es oft um die Menschen und ihre Beziehungen untereinander. In ihrer Malerei spielt sie viel mit Allegorien.
Und da ist die noch nicht fertige Skulptur, die eine Weltkugel darstellen soll. Bis Andrea Blum weiterarbeitet, muss das Holz noch ein wenig reißen... Und schon stehen wir wieder zwischen der Kunst und dem Boden der Realität.
Studium Studium mit Diplomabschluss an der Freien Kunstschule Stuttgart, Akademie für Kunst und Design, Stuttgart. Kurse und Workshops bei verschiedenen freischaffenden Künstlern und Handwerkern, zum Beispiel in Schweißen, Steinbildhauerei, Glasbläserei, Sommerakademie Frauenau (Glaskunst).
Ausstellungen Andrea Blum hat zirka vier bis fünf Einzel- und Gruppenausstellungen jährlich in Stuttgart, Nürtingen, Mannheim und Backnang. Teilnahme an der Arte 2016 bis 2022 in Sindelfingen und an der Artmuc München 2022. Blum ist Mitglied bei Kunst International.
Kurse Andrea Blum unterrichtet im eigenen Atelier und an der VHS Backnang Malerei und Akt- und Porträtzeichnen. Außerdem betreut sie Kunstprojekte an Schulen.
Homepage Weitere Infos gibt es über www.blum-art.de.