Backnangs Partnerschaften blühen auf
Vom Partnerstädtefestival am Wochenende bleiben nicht nur viele Eindrücke und Kontakte in Erinnerung, auch ein Kunstwerk an einem Turm in der Aspacher Straße erinnert an die Verbindung nach Chelmsford. Doch wie steht es aktuell allgemein um den Austausch unter den Städten?
Von Kristin Doberer
Backnang. In den vergangenen Tagen waren einige Anwohner der Aspacher Straße kurz skeptisch, als drei Engländer anfingen, die alte Turmstation neben der Straße zu besprühen. Doch recht schnell wurde klar: Hier handelt es sich nicht um illegale Graffitisprüher, sondern um professionelle Straßenkünstler. Im Zuge des Partnerstädtefestivals haben Howard Elston, Scott Irving und Candy Joyce aus der Partnerstadt Chelmsford nämlich zwei Kunstwerke á drei mal neun Meter geschaffen. Die drei Künstler haben sich schon vor ihrer Anreise genaue Gedanken gemacht, was sie in Backnang hinterlassen möchten. Howard Elston von „The Essex Rockerz“ zum Beispiel hat die „Future Goose“ auf einer Seite des Turms gestaltet, in Anlehnung an den Backnanger Gänsekrieg. „Ich habe zu Backnang etwas recherchiert und das war ein sehr interessanter Aspekt aus der Geschichte“, sagt der Künstler, der die Stadt zum ersten Mal besucht hat. Dabei wollte er die Geschichte gewissermaßen in die Zukunft schicken, indem er die Gans in eine futuristische angehauchte Weltraumumgebung versetzt – mit einem Headset auf dem Kopf und ein Tablet haltend. Und mit dem Schriftzug „Technology connects us“ (Technologie verbindet uns) über allem.
Auch Scott Irving von „Brave Arts“, der mit Candy Joyce die Turmseite zur Straße hin gestaltet hat, hat sich im Vorfeld mit Backnang beschäftigt, auch wenn das sein erster Besuch in Deutschland war. „Das Bild repräsentiert die ähnlichen Industrien der Partnerstädte“, sagt er. Sowohl in Chelmsford als auch in Backnang werden Komponenten für Satelliten hergestellt. Damit tragen beide Städte dazu bei, dass Menschen miteinander sprechen können – auch über weite Distanzen hinweg. Sein Werk zeige deshalb zwei Frauen, die sich gegenüberliegen, erneut mit futuristischen Elementen. Beide tragen Headsets, um „auch in unterschiedlichen Zeiten oder Welten miteinander zu kommunizieren“, wie der Künstler erklärt, und stellen symbolisch die beiden Partnerstädte im Gespräch dar.
Verbindungen über Kunst schaffen
Auf den Kragen der Backnangerin hat es sogar das Logo der Stadtwerke Backnang geschafft, welcher der Turm gehört. Geschäftsführer Thomas Steffen freut sich nicht nur über den Einbezug des Logos, sondern allgemein, dass der Turm nun so anschaulich gestaltet wurde. „Das ist wirklich professionell und prägt das Stadtbild“, sagt Steffen. Und habe eben noch mal deutlich mehr Bedeutung, als nur die beiden Städtenamen auf den Turm zu sprayen.
Die drei Künstler aus Chelmsford hatten zuvor kaum etwas mit der Städtepartnerschaft zu tun. Lediglich von dem kleinen Schild am Ortseingang habe sie von Backnang gehört, sagt Candy Joyce. Das soll sich nun aber ändern. Joyce, die in Chelmsford das Street-Art-Festival Concrete Canvas organisiert, will dazu im kommenden Jahr auch Backnanger Straßenkünstler einladen, die dann eine Fläche in der Partnerstadt gestalten. Man wolle die Verbindungen, die nun geknüpft wurden, auch weiter aufrechterhalten, sagt sie. Die Aktion am Partnerschaftsfestival könnte dafür sorgen, dass wieder etwas frischer Wind in die Partnerschaft mit Chelmsford kommt. Denn nicht nur durch Corona, sondern auch durch den Brexit war die Verbindung zu der englischen Stadt etwas schwieriger geworden. Früher habe es auch über die Märkte, zum Beispiel den Backnanger Weihnachtsmarkt, viel Austausch gegeben – das sei durch die Zollkontrollen seit dem Brexit erschwert worden. Nun müsse man Möglichkeiten suchen, die ohne den Zoll funktionieren, meint ein Mitglied des Partnerschaftskomitees, zum Beispiel eben über die Kunst. Das könnte schon 2025 wieder der Fall sein, zumindest wenn es nach Tobias Großmann, dem Leiter des Stadtplanungsamts, geht. „Wir könnten uns eine Fortsetzung beim IBA-Festival gut vorstellen.“
Dass der Brexit die Verbindungen nach England erschwert hat, das bestätigt auch Kulturamtsleiter Johannes Elrott. „Der Brexit hat den Austausch schwieriger gemacht.“ Eingeschlafen sei der Kontakt aber noch lange nicht, für das kommende Jahr seien einige Projekte geplant. Zum Beispiel wird überlegt, dass eine Band aus Chelmsford beim Straßenfest 2024 auftritt, und auch einen sportlichen Austausch zwischen Fußballern der TSG und dem Springfield Football Club gibt es. Solche Projekte werden seit Kurzem von der Stadt Backnang mit bis zu 5.000 Euro gefördert, das habe laut Ellrott noch mal Schwung in einige Partnerschaften gebracht. „Wir hoffen natürlich, dass aus den einzelnen Projekten langfristige werden. Dabei wollen wir fördern, unterstützen und motivieren.“ Bereits langfristige Projekte gibt es auch mit den Schulen, zum Beispiel besteht ein Briefaustausch zwischen der Backnanger Schillerschule und einer Chelmsforder Schule. Etwas weniger aktiv, gerade im schulischen Bereich, ist die Partnerschaft mit Bácsalmás. „Hier macht es die Sprachbarriere natürlich noch mal schwieriger“, sagt Elrott. Trotzdem finde aber ein regelmäßiger Austausch der Delegationen statt. Und auch beim Straßenfest seien die Ungarn ein fester Bestandteil.
Partnerschaft mit Annonay ist sehr aktiv
Besonders lebendig ist die Partnerschaft mit der französischen Stadt Annonay. Nicht nur Delegationen der Partnerschaftsvereine besuchen sich gegenseitig, auch die Schulen und Vereine tauschen sich rege aus. Zum Beispiel leben laut Inge Wagner, Vorsitzender des Vereins Freunde der Städtepartnerschaft Backnang–Annonay, die Schüleraustausche nach Corona nun endlich wieder auf. Auch sportlich sind die Städte eng verbunden. Zum Beispiel waren die Handballer aus Annonay im vergangenen Jahr in Backnang, die Backnanger Triathleten waren in diesem Jahr in Frankreich zu Besuch, auch gab es internationale Volleyball- und Bouleturniere. Und am Straßenfest 2023 wurde auch zwischen den Schachklubs eine Verbindung geknüpft; hier gibt es erste Ideen zum Austausch, wenn auch zunächst nur online. Bei all diesen Aktionen unterstützt der Partnerschaftsverein, aber auch für einfach so interessierte Bürgerinnen und Bürger wurde im vergangenen Jahr eine Busfahrt organisiert. Und im kommenden Jahr soll ein Bus mit interessierten Bürgern aus Annonay nach Backnang fahren. All das sei nur durch das leidenschaftliche Engagement der Vereinsmitglieder möglich, betont Wagner. „Der Verein lebt von der Vielfalt der Leute, die das einfach gerne machen. Wenn man das am Laufen halten will, ist das aber schon viel organisatorischer Aufwand.“ Doch es lohne sich: „Wenn Menschen sich begegnen, zusammensitzen und feiern, ist das die Basis für ein friedliches Miteinander.“ Auch deshalb sei es besonders toll, wenn die Besucherinnen und Besucher bei Gastfamilien untergebracht werden können. Dann sieht man tatsächlich, wie die andere Kultur lebt.
Dem stimmen auch Wolfgang und Ingrid Hockauf vom Partnerschaftsverein Backnang–Chelmsford zu, bei denen die englischen Künstler in den vergangenen Tagen untergebracht waren. Sie hoffen, dass das Partnerschaftsfestival auch neuen Antrieb in die Partnerschaft bringt und sich jüngere Menschen in beiden Städten wieder mehr einbringen wollen. Insgesamt war das Festival ein tolles Ereignis, da sind sich die Vereine und die Organisatorinnen vom Bandhaus-Theater einig: „Wir hatten eine tolle Stimmung und alle Veranstaltungen waren gut besucht“, sagt Jasmin Meindl.