Bernd Kohlhepp: Tausendsassa der schwäbischen Mundart
Bernd Kohlhepp alias Hämmerle zeigt in der Gruschtelkammer ein Programm mit Lachgarantie. Welthits werden mit Dialekt uminterpretiert und in allerlei Alltäglichem findet er das Komische.
Von Carmen Warstat
Auenwald. Längst zum Inbegriff hochkarätiger Kulturangebote geworden, steht der Begriff Gruschtelkammer zuletzt nicht mehr nur für einen Ort (Sängerhalle), sondern für eine Idee, die vor geraumer Zeit in die Auenwaldhalle umzog und kürzlich ihren letzten Saisonstart beging. Zwar „wird die Gruschtelkammer nicht ganz dichtgemacht“, wie Charley Graf es in seinem letzten Vorwort für das Programmheft formuliert, aber das Finale ist unwiderruflich eingeleitet, lediglich „die eine oder andere Veranstaltung“ wolle man mit der Gemeinde noch organisieren.
In seinem letzten Grußwort an das Publikum und an seine Mitstreiter dankte Graf allen Unterstützern, „ohne die ich es nicht geschafft hätte“. Er gibt auch noch einen Ausblick auf die restliche letzte Saison der Gruschtelkammer: „Ende April geht es auf die Zielgerade. Krönender Abschluss sollen dann die sechs Aufführungen der Gruschtelkammer-Theatergruppe sein. Unbedingter Wunsch ist es, dass die Aufführungen in unserer angestammten Location, der alten Sängerhalle in Oberbrüden, stattfinden.“
Die schwäbische Mentalität wird gekonnt aufs Korn genommen
Nun hatte aber Bernd Kohlhepp alias Hämmerle zu einem „Abend mit Lachgarantie“ eingeladen und sollte nicht enttäuschen. Der Tausendsassa, als den Charley Graf den Künstler vorstellte, präsentierte seine unglaubliche Vielseitigkeit als Comedian und Musiker, Schwadroneur und Improvisationskünstler, als Tänzer und schwäbischer Philosoph, als mit der Sprache spielender Genius und bodenständiger Witzereißer. Das alles ereignete sich vor einem vollen Haus, das den Künstler eine gefühlte Ewigkeit lang nicht gehen lassen wollte, bis der fast weinend schon verlauten ließ „’s isch rom“. Schließlich habe er auch ein Privatleben, schluchzte Hämmerle, der eben auch eine Selbstironie beherrscht, die sein Gegenüber endgültig entwaffnet.
Bekannte Songs macht Kohlhepp sich zu eigen, indem er ihre Texte unerschrocken um- und dem Hämmerle auf den Leib schreibt und faszinierend professionell in der Manier beispielsweise eines Elvis oder Eminem interpretiert. Bonmots reihen sich aneinander wie das vom Hefezopf, der einzig dann gut ist, wenn man zu ihm eingeladen wurde, „ohne dass jemand gestorben ist“. So nimmt der Hämmerle schwäbische Mentalität aufs Korn – als Schwabe darf er das natürlich – und preist das Schwäbische als Sprache, alles andere: Dialekte. Apfelsorten zu Gedichten, so könnte ein Abschnitt des Programms heißen. Auch hier zeigt Kohlhepp, der nicht von ungefähr Gründungsmitglied der „Reimpatrouille“ (2020) ist, sein dichterisches Können. Einzig „Granny Smith“ lässt ihn beziehungsweise sein Alter Ego Hämmerle angesichts unfreiwilliger Zischlaute verzweifeln.
Hämmerle kann Küchengeräte zum Sprechen bringen
Neben Dichtern und Denkern schreibt Hämmerle den Schwaben den „Apfelmoschd“ zu und intoniert frei nach dem Carpenters-Song „Mr. Postman“ etwas, das wie „In den Moschd nei“ klingt. Das Publikum scheint sich in diesem Kohlhepp alias Hämmerle wiederzuerkennen und der nimmt es nicht nur als Gruppe wahr, sondern pickt sich auch einzelne Besucher heraus, um mit ihnen zu kommunizieren, um sie zu foppen und verbal zu kitzeln, bis alles lacht.
Hämmerle kann Küchengeräte zum Sprechen bringen und das Für und Wider einer Smartwatch erörtern, er kann Philosophie („Da isch ebbes, des Fraga stellt in mir“) und selbstredend Dialektik, denn er weiß das Geheimnis der Streifen eines Zebras zu lüften, er beherrscht einen hervorragenden Scat-Gesang, er kann Sternzeichen erfinden („Leberwurst, Aszendent: beleidigt“) und in die Seele der Pinguine blicken, er kann – unerreicht auch hier - eine Frau mit einem Kühlschrank vergleichen und dabei sehr lange im Bilde bleiben, auch kann er spontan für und über Hannelore und Dieter aus dem Publikum singen, und zwar im Stile französischer Chansons. Man kann sich schieflachen und zugleich das Improvisationstalent sowie die musikalische Professionalität des Künstlers bewundern.
Und ein weiteres Mal kommt man nicht umhin, zu realisieren, welch enormer Verlust weit über die Gemeindegrenzen hinaus das Ende der Gruschtelkammer sein wird.