„Das Geheimnis der Meister“ auf 3sat

Bildbetrachtung mit „Indiana Jones“-Moment

Original und Fälschung: Die 3sat-Reihe „Das Geheimnis der Meister“ wirft einen völlig neuen Blick auf Klassiker der Kunstgeschichte.

Tim Ernst und Anna Bungenberg bei der Anfertigung der Kopie des Meisterwerkes „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich.

© ZDF/Vanessa Auktor

Tim Ernst und Anna Bungenberg bei der Anfertigung der Kopie des Meisterwerkes „Kreidefelsen auf Rügen“ von Caspar David Friedrich.

Von Tilmann P. Gangloff

Jedes Gemälde hat eine Geschichte, und das galt nicht nur für die Umstände seiner Entstehung: Was sich dem Auge darbietet, ist das Endergebnis, doch darunter verbergen sich verworfene Entwürfe. Schon allein diese Erkenntnis macht eine enorme Faszination der 3sat-Reihe „Das Geheimnis der Meister“ aus.

Natürlich bieten die fünf Folgen auch viel Wissenswertes über die jeweiligen Künstlerinnen und Künstler, aber der eigentliche Reiz der Reihe resultiert aus der Reproduktion: In jeder Ausgabe stellt der Maler Tim Ernst eine täuschend echte Kopie her. Ein Studium der Originale ist dabei selbstverständlich Voraussetzung, um etwa das „visuelle Feuerwerk“ von Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen auf Rügen“ (1818) nachzuahmen. Als nicht minder große Herausforderung erweist sich die Suche nach dem richtigen Material: Farben werden heutzutage anders hergestellt als vor zweihundert Jahren, als der bedeutendste Künstler der deutschen Romantik sein Gemälde schuf.

Die besondere Qualität der jeweils knapp vierzig Minuten langen Filme (Buch und Regie: Vanessa Auktor und Nicole Zepter), die 3sat diese Woche bis Freitag, jeweils um 19.20 Uhr, zeigt, liegt in ihrem Anspruch, sowohl die Kunstinteressierten wie auch ein weniger fachkundiges Publikum anzusprechen. Das ist auf vorbildliche Weise gelungen, zumal sich die ausgewählten Gemälde der Betrachtung unmittelbar zu erschließen scheinen. Umso fesselnder sind die Erkundungen, die die Sachverständigen aus den Bereichen Kunsthistorie und Restauration an den Werken vornehmen: Ihre Analyse lenkt den Blick auf Details, die den künstlerischen Gehalt der Bilder offenbaren.

Nicht minder interessant sind die biografischen Fakten sowie die Einbettung der besprochenen Bilder in den zeit- und kunstgeschichtlichen Rahmen. Paula Modersohn-Beckers „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“ (1906) sei das erste weibliche Selbstporträt überhaupt, heißt es. Max Liebermann hat sein Gemälde über Wäscherinnen auf einer Wiese („Die Rasenbleiche“, 1882) in erheblichem Maß verändert: Die ursprüngliche Version zeigte zwei Frauen im Vordergrund, die jedoch, wie im Rahmen einer ersten Ausstellung kritisiert wurde, den Blick verstellten; also hat er sie übermalt. Die weiteren besprochenen Gemälde sind „Der Goldfisch“ (1925) von Max Klee sowie „Porträt der Dichterin Teresa Bandettini“ (1794) von Angelika Kauffmann, der erfolgreichsten Künstlerin des 18. Jahrhunderts.

Mitunter wird es etwas fachspezifisch („Das Pigment bleibt etwas störrisch im Auftrag“), aber dennoch fesselnd. Verblüffendstes Element des Films über die Kreidefelsen ist dennoch die Infrarotanalyse. Sie fördert das Gesicht eines der beiden Männer zu Tage; ein regelrechter „Indiana Jones“-Moment, wie es einer der Beteiligten formuliert. Zentrale Figur der Filme ist die Kunsthistorikerin Bianca Berding, die auch als Sachverständige in der ZDF-Reihe „Bares für Rares“ mitwirkt.

„Das Geheimnis der Meister“, 3sat, in der Mediathek abrufbar.

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Erstellt:
15. Juli 2024, 12:26 Uhr
Aktualisiert:
15. Juli 2024, 14:36 Uhr

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