Blues Brothers heizen im Backnanger Bürgerhaus durch „The Länd“

Die legendären Blues Brothers machen das Backnanger Bürgerhaus in einer schwäbischen Musical-Version der Württembergischen Landesbühne Esslingen unsicher. Das Publikum fühlt sich dabei sichtlich bestens unterhalten.

Die Blues Brothers heizen durch „The Länd“. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Blues Brothers heizen durch „The Länd“. Foto: Alexander Becher

Von Carmen Warstat

Backnang. 43 Jahre alt ist der amerikanische Kultfilm „The Blues Brothers“ (Teil eins) inzwischen und gewiss ein wenig angestaubt. Der Mythos aber lebt, wie kürzlich im Walter-Baumgärtner-Saal des Bürgerhauses deutlich wurde. Denn das gleichnamige Musical in der Bühnenfassung, unter der Regie von Andreas Kloos erarbeitet, brachte den Saal langsam, aber sicher auf Touren und schließlich zum Kochen. Mit Standing Ovations und unmissverständlichen Forderungen nach Zugaben signalisierte das Publikum zuletzt seine unbändige Begeisterung und sollte erhört werden. Die Geschichte der Brüder Jake und Elwood Blues, die einen Kreis aus dem Gefängnis heraus und nach der Erfüllung ihrer selbst gewählten Berufung „im Auftrag des Herrn“ wieder dorthin zurück zieht, hat Andras Kloos inhaltlich wenig verändert. Allerdings hat er sie ins Schwabenland geholt und so mit reichlich Lokalkolorit versehen. Neben der mitreißenden Musik ist es genau dieser Aspekt, den die Zuschauer mit lautstarkem Applaus und herzlichem Lachen feierten. „Ein Roadtrip through ‚The Länd‘“ heißt die Produktion im Untertitel und deutet hier schon Gegensätze zwischen Kulturen an, die großes Humor- und Ironiepotenzial beinhalten, ganz im Sinne der sich mehr oder weniger freiwillig selbst verulkenden Regionsbezeichnung „The Länd“.

Das Schwabenland wird ordentlichauf die Schippe genommen

Auf dieser Tour durchs Ländle wird nichts ausgelassen und wirklich alles verhöhnt. Ausgangspunkt ist die Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, aus welcher der Häftling 72636 wegen guter Führung vorzeitig entlassen wird. Das führt zunächst einmal zu einer Umarmung mit seinem (Blues-)Bruder und gleich darauf zur Frage: „Wo ist unser Bluesmobil? Da komm ich nach drei Jahren aus’m Loch und mein Bruder holt mich ab wie ein Postbote!“ Schon tuckert das bescheidene Mofa zum „katholischen Kinderheim Sankt Hildegard in Schwieberdingen-West“, wo die Brüder aufgewachsen sind und jetzt die „Pinguintante“ besuchen möchten. Die kommt auf Rollschuhen mit gehörig Rauch angefahren und entpuppt sich als Enttäuschung: Es hagelt Schläge mit dem Stock, weil Hans und Elmar Eisele alias Jake und Elwood Blues unchristliche Gedanken hegen: Sie möchten Geld zur Rettung des Kinderheims auf illegalem Wege beschaffen. 5.000 Mark müssen „innerhalb drei Däg“ bei der Finanzkasse sein, sonst wird das Heim ans Kultusministerium verkauft. Erst in der Baptistenkirche Albstadt kommt Jake und Elwood die rettende Idee: Sie werden „unterwegs im Auftrag des Herrn“ das Geld durch Musizieren verdienen. Der baptistische Gottesdienst mit dem Reverend und der Gemeinde in rot-goldenen Talaren wird – wohl, weil afroamerikanisches Temperament in „The Länd“ nicht so recht darstellbar ist – gründlich veralbert. „Oh yeah!“ und „Oh my Lord!“: Es will nicht ganz ins Schwäbische passen. Da öffnet sich der Vorhang hinter den Darstellern und endlich wird die Band sichtbar. Anfangs noch verhalten und etwas kraftlos, kommt sie allmählich auf Touren und spielt Klassiker der Blues- und Soulmusik aus bis zu acht Jahrzehnten immer eindringlicher.

Da ist viel Klamauk im Spiel

Freilich kann einer Aretha Franklin oder einem James Brown das Wasser nicht gereicht werden. Die Mission, den gut besuchten Saal kurzweilig zu unterhalten, wird trotzdem erfüllt. Immerhin tobt das Publikum fast und beweist seine Kenntnis der Quellen nicht nur durch ausgesuchte Outfits, sondern mehrfach auch durch prompte und passgenaue Interaktion mit den Protagonisten auf der Bühne. Die Zuschauer begleiten ihre Blues Brothers auf der Verfolgungsjagd unter anderem in Richtung Männerhotel Leinfelden-Echterdingen, Holiday Inn Stuttgart-Weilimdorf, Träuble in Bietigheim-Bissingen, Ray’s Music Store in Leonberg, Belinda in Sulzbach an der Murr, in eine Sauna, in den Nagolder Ochsen bis nach Strümpfelbach und zur Finanzverwaltung in die Stuttgarter Rotebühlstraße. Da ist viel Klamauk im Spiel, etwa sorgen die Kostüme für große Heiterkeit, und „die triumphale Rückkehr der Blues Brothers“ wird vom Publikum ausgelassen tanzend und applaudierend zelebriert. Hits wie „She caught the Katy“, „Think“, „Sweet Home Chicago“, „Jailhouse Rock“ und viele andere heizen enorm ein und erzählen wie nebenbei mit der Geschichte der Blues Brothers auch von Erlebnissen und Erfahrungen vieler anderer Musiker und Bands.

Zum Artikel

Erstellt:
11. Dezember 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen