TV-Musical „Juli tanzt“
Bodyshaming und wie man es überwindet
Das Teenager-Musical „Juli tanzt“ ist ein unterhaltsames Plädoyer für Toleranz und gegen vermeintliche Idealvorstellungen.
Von Tilmann Gangloff
Im Profil von Jedidah-Isabel Annor steht: „Statur: kurvig“. Ihre Kollegin Gisa Flake bezeichnet sich als „Plus-Size-Schauspielerin“. In sozialen Medien kursieren verletzendere Bezeichnungen; „Bodyshaming“ heißen solche Diskriminierungen. Digitale Plattformen böten „unendlich viele Vergleichsmöglichkeiten“ und multiplizierten die Idealvorstellungen von Attraktivität“, schreibt Michael Stumpf, ZDF-Redaktionsleiter Kinder und Jugend, zum Programmschwerpunkt „Komm, lieb dich!“. In dessen Zentrum steht das Musical „Juli tanzt“, eine „Herzkino“-Variation für Teenager.
Der Freizeitrapper Micky (Valentin Oppermann) bittet die tanzbegeisterte Juli (Annor), ihm bei einem Video zu helfen. Sie denkt, sie solle seine Tänzerinnen anleiten, er will jedoch, dass sie selbst tanzt; prompt fürchtet Juli, er wolle sich über sie lustig machen. Aber der Song, ein Liebeslied mit Gefühl, gefällt ihr – und Micky auch. Sein Tanztalent hält sich allerdings in Grenzen; einmal plumpsen sie gar zu zweit zu Boden.
Mobbing ist im Spiel
Mickys ziemlich unsympathischer älterer Bruder beleidigt Juli ständig wegen ihres Körpergewichts. Dass Micky zu dem Mobbing schweigt, kränkt sie, und es kommt schlimmer: In der Schule sieht sie, wie er anderen ein Video zeigt und dabei von einem „Monster“ erzählt, das sich mit seinem ganzen Gewicht auf ihn gestürzt und ihn platt gewalzt habe.
Missverständnisse sind ein unverzichtbares Werkzeug im Romanzenbaukasten. Die Drehbuchautorin Maike Rasch nutzt es, um kurz vorm Finale noch mal die Spannung zu schüren (Regie: Melanie Waelde). Jedidah-Isabel Annor (Jahrgang 2005) überzeugt in ihrer ersten größeren Rolle, nur an einem Punkt brauchte sie Unterstützung: Juli singt auch, und dafür stellte Rahel, „The Voice Kids“-Finalistin 2021, ihre besondere Stimme zur Verfügung. Die Musik ist stark, die eigens für diesen Film entstandenen Lieder sind hörenswert, die Texte passen zur Geschichte des gut 40-minütigen Kurzfilms. Auch Valentin Oppermann, der schon einige Kameraerfahrung hat, macht seine Sache gut.
In einer Nebenhandlung möchte sich Julis beste Freundin Mara (Emilia Eidt) ihre Nase operieren lassen. Das Riechorgan ist zwar völlig unauffällig, aber die Probleme vieler Teenager mit ihrem Äußeren sind für Eltern sowieso oft nicht nachvollziehbar; prompt hält Maras Mutter das Ansinnen der Tochter für Unfug.
Gisa Flake, in jungen Jahren selbst eine erfolgreiche Musical-Darstellerin, spielt diese Mutter, und ihr liegt das Hauptthema des Films persönlich am Herzen: Sie müsse ständig alle Klischee erfüllen, die offenbar auch viele Medienschaffende mit dicken Frauen verbinden, gibt sie im Pressematerial zu Protokoll: „einsam, faul, dauerfressend, unsportlich, aggressiv, auf der Verliererseite“. Sie wolle nicht, „dass das zwölfjährige Plus-Size-Mädchen am nächsten Tag auf dem Schulhof mit den gleichen Worten beleidigt wird wie meine Figur im Fernsehen“.
Ein tolles Vorbild
Jedidah-Isabel Annor ist in „Juli tanzt“ ein tolles Vorbild als selbstbewusste und pure Lebensfreude verströmende Protagonistin. Die Produktion wirkt etwas sparsam, weil sich die Handlung größtenteils im leeren Becken eines stillgelegten Schwimmbads zuträgt, in dem Juli und Micky sich zum Proben treffen. Der Zielgruppe wird’s egal sein, vorausgesetzt, sie hat nichts dagegen, dass Filmfiguren unvermittelt in Gesang ausbrechen.
Und die Schlussszene mit dem Gruppentanz aller Beteiligten kann sich wirklich sehen lassen.
Komm lieb dich!: 11. Juni, Kika. 19.25 Uhr „pur+“ zum Thema Schamgefühl, 20 Uhr „Juli tanzt“, 20.45 „stark! – jetzt erzähle ich“ mit der elfjährigen Emilia, die einen Podcast gegen Bodyshaming betreibt.