Bombastische Klangfülle im Backnanger Bürgerhaus

Am Sonntagabend überzeugte die Bläserphilharmonie besonders mit Originalkompositionen in der zweiten Programmhälfte.

Die Bläserphilharmonie Rems-Murr war am Sonntagabend zu Gast im Bürgerhaus. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Bläserphilharmonie Rems-Murr war am Sonntagabend zu Gast im Bürgerhaus. Foto: Alexander Becher

Von Miklós Vajna

Backnang. Beim Konzert der Bläserphilharmonie Rems-Murr im Walter-Baumgärtner-Saal am Sonntagabend waren recht viele Plätze leer geblieben. Möglicherweise lag das daran, dass erst vor einer Woche das Städtische Blasorchester sein Jahreskonzert im Backnanger Bürgerhaus gespielt hatte? Beim Auftrittsapplaus für die Bläserharmonie und bei den Begrüßungsrufen aus dem Publikum war davon auf jeden Fall kaum etwas zu merken; diese sorgten dafür, dass es trotzdem sehr nach einem voll besetzten Saal klang.

Dirigentin Heidi Maier begrüßte stellvertretend für das gesamte Orchester den ersten Klarinettisten mit Handschlag, bevor sich die Musiker mit dem Festmarsch aus dem Ballett Dornröschen von Erkki Melartin warm spielten und die nötige Feinabstimmung in Zusammenspiel und Klangkongruenz erreichten.

Blasorchesterliteratur vom Ende des 19. Jahrhunderts

Die erste Programmhälfte bestand aus bearbeiteten Werken der gehobenen Blasorchesterliteratur vom Ende des 19. Jahrhunderts: Neben dem erwähnten Festmarsch waren das die Italienische Ouvertüre von Amilcare Ponchielli, die Sicilienne von Gabriel Fauré und die American Suite von Antonin Dvořák.

Die Blasorchesterbearbeitung der Sicilienne von Fauré ist klanglich nicht befriedigend: Der intime Charakter der beiden Hauptinstrumente Querflöte und Harfe geht durch das Hinzutreten des – obwohl auf die Hälfte reduzierten Orchesters – etwas verloren und wird so leider übertönt. Trotzdem gab es immer begeisterten Applaus, sogar einmal voller Überschwang verfrüht in die spannungsvoll das Ende herauszögernde Generalpause der Sinfonia von Ponchielli hinein.

Die zweite Programmhälfte brachte effektvolle Originalkompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts für modernes Blasorchester, komplettiert mit Percussioninstrumenten. Es gab die Grande Fanfare von Giancarlo Castro d´Addona, Mondsee von Kevin Houben und Tim und Struppi im Sonnentempel von Dirk Bossé, allesamt groß angelegte Klanggemälde in kraftvoller Fülle mit charakteristischen exotischen Erweiterungen.

Das Orchester zeigte sich von seiner besten Seite: Mit breit gefächerten Klangfarben und einer virtuosen Percussionsektion mit vielen interessanten, atmosphärischen Instrumenten, Gong und Röhrenglocken erzeugte das Orchester eine bombastische Klangfülle. Auch hier dankte das Backnanger Publikum mit großem Applaus und Bravorufen.

Konzertsprecher geht auf Ukrainekrieg und das Gendern ein

Informationen zu den Stücken, den Komponisten und den Sponsoren lieferte in bewährter Manier der Konzertsprecher Georg Götzelmann. Zusätzlich zu einem kurzen zeitlichen Abriss der Ereignisse seit dem letzten Konzert nahm er außerdem Stellung zu den Vorgängen in der Ukraine, zum Überhandnehmen des Genderns, zur Ampelkoalition und anderen tagesaktuellen Themen. Heidi Maier dirigiert präzise, mit sparsamen Bewegungen. Es gelingen ihr spannende, lang angelegte Dynamik- und Temposteigerungen, überraschende Wendungen ins plötzliche Piano und dramatische Zuspitzungen. Dank ihrer professionellen Einstudierung sind die Kantilenen zum Niederknien, die rhythmischen Einheiten sehr stringent und das Engagement der Musiker auf ständig hohem Niveau.

Nach dem lang anhaltenden Schlussbeifall, Beifallsrufen und schließlicher rhythmischer Zugabenforderung gab es Blumen für Dirigentin und Konzertsprecher sowie dann zwei Zugaben fürs begeisterte Backnanger Publikum: erst eine Samba für den beschwingten Nachhauseweg und dann noch etwas Ruhiges, Schweizerisches zum Runterkommen und danach guten Einschlafen.

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Erstellt:
4. April 2023, 16:00 Uhr

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