Konzert in Hannover
Bruce Springsteen: So war’s beim einzigen Deutschlandkonzert
Bruce Springsteen ist mit seiner E Street Band in Hannover aufgetreten. Es war sein einziges Konzert in Deutschland 2024. Bilder, Setlist und Kritik von der Show in der Heinz-von-Heiden-Arena.
Von Gunther Reinhardt
Gegen Ende dieser über dreistündigen Rock’n’Roll-Leistungsschau wirbelt Bruce Springsteen seine Telecaster-Gitarre wieder und wieder um seinen Körper. Der 74-Jährige und seine Band haben sich gerade im Zugabenteil bei einer überdrehten Version des Rhythm’n’Blues-Klassikers „Twist and Shout“ ausgetobt und das Publikum zum Mitsingen aufgefordert. Dieser Bitte kommen die Konzertbesucherinnen und -besucher am Freitagabend allerdings so lautstark nach, dass Springsteen schließlich fragt: „Glaubt ihr wirklich, dass ihr es mit der E Street Band aufnehmen könnt?“
Von „Born to Run“ bis „Because the Night“
Nein, niemand kann es mit Springsteens E Street Band aufnehmen! Auch nicht die rund 43 000 Fans in der Heinz-von-Heiden-Arena in Hannover beim einzigen Konzert, das Springsteen in diesem Jahr in Deutschland gibt. Seine Songs, die Rock, Folk und Soul ganz einzigartig vermengen, entwickeln live mit diesen großartigen Musikerinnen und Musikern eine unglaubliche Dramatik – besonders gegen Ende der Show, als Stücke wie „Badlands“, „Thunder Road“ und „Born to Run“ dran sind: Das Klavier hämmert Akkorde, das Saxofon quäkt euphorisch, die Gitarre zuckt ungeduldig, das Schlagzeug stampft auf, und Springsteen erzählt von Menschen, die verzweifelt nach ihrem Platz im Leben suchen und dabei meistens auf der Flucht sind.
Sturm-und-Drang-Dramen unter Strom
So gut Springsteen als Songwriter, so gut er als Solokünstler ist, er ist immer dann noch etwas besser , wenn er diese Band im Rücken hat, die die Getriebenheit und Nervosität seiner atemlosen Sturm-und-Drang-Ich-Erzählungen musikalisch unter Strom setzt, sie in aufwühlende Minidramen verwandelt. 15 Musikerinnen und Musiker, Sängerinnen und Sänger sorgen in Hannover dafür, das Beste aus Springsteens Repertoire herauszuholen. Eine zentrale Rolle nehmen bei dem Konzert immer wieder der Saxofonist Jake Clemons ein, der Neffe Clarence „Big Man“ Clemons’, der bis zu seinem Tod im Jahr 2011 der Saxofonist der E Street Band war. Doch auch Schlagzeuger Max Weinberg, Pianist Roy Bittan und die Gitarristen Stevie van Zandt und Nils Lofgren setzen bei der Show Akzente – Lofgren vor allem, als er „Because the Night“, einen Song, den Springsteen Ende der 1970er Jahre mit Patti Smith schrieb, mit seinem wilden Gitarrensolo fast zum Zerreißen bringt.
Zwar sind die meisten der 30 Songs des Abends ungestüme, nach vorne drängende Up-Tempo-Nummern (bei denen man lediglich „Hungry Heart“ vermisst, um wirklich wunschlos glücklich zu sein), doch es gibt auch Platz für ruhigere Momente. Während die Sonne untergeht, spielt Springsteen die herzzerreißende Ballade „The River“. Und ganz intim wird es in „Last Man Standing“ und am Ende der Zugaben bei „I’ll See You In My Dreams“, zwei Lieder, bei denen der Mann, den sie The Boss nennen, allein mit der Akustikgitarre am Bühnenrand steht und sich mit dem Tod auseinandersetzt.
Keiner arbeitet so hart auf der Bühne wie Springsteen
Neulich hat Paul McCartney darüber gewitzelt, dass ausgerechnet Bruce Springsteen als Working Class Hero gilt. „Der hat doch nie in seinem Leben einen Tag gearbeitet“, behauptete der Ex-Beatle. Wer Springsteen aber auf einem Konzert wie diesem in Hannover erlebt hat, weiß es besser: Er ist einer der schwerst arbeitenden Männer im Showgeschäft. Einer, der sich nicht wie die meisten anderen Musiker Abend für Abend auf die gleiche Setlist verlässt, sondern die Reihenfolge immer wieder umwirft, nicht nur Hits wie „Born in the U.S.A.“ oder „Dancing in the Dark“ spielt, sondern ständig neue Songs ins Programm nimmt.
Am Freitag überrascht er das Publikum zum Beispiel mit „The E Street Shuffle“, „Janey Needs A Shooter“ oder „Into the Fire“. Er ist ein Workaholic, der immer den Kontakt zum Publikum sucht, ständig im Bühnengraben zu finden ist, um Hände zu schütteln oder sich umarmen zu lassen, einer, der alles gibt und keine Vorband braucht, weil seine Shows nicht nur an diesem Abend selten unter drei Stunden dauern. Nein, niemand kann es mit Bruce Springsteen und der E Street Band aufnehmen.
Setlist vom Konzert in der Heinz-von-Heiden-Arena in Hannover
Lonesome Day ● Candy’s Room ● Adam Raised A Cain ● My Love Will Not Let You Down ● Prove It All Night ● The E Street Shuffle ● Into The Fire ● The Promised Land ● Janey Needs A Shooter ● Darlington County ● Working on the Highway ● Spirit in the Night ● My Hometown ● The River ● Nightshift ● Last Man Standing ● Backstreets ● Because the Night ● She’s the One ● Wrecking Ball ● The Rising ● Badlands ● Thunder Road ● Zugaben Born in the U.S.A. ● Born to Run ● Bobby Jean ● Dancing in the Dark ● Tenth Avenue Freeze-Out ● Twist and Shout ● I’ll See You in My Dreams