Neu im Kino: „Ich will alles“
Das Auf und Ab der Hildegard Knef
Der fesselnde Dokumentarfilm „Ich will alles“ über das Leben von Hildegard Knef ist die Verbeugung vor einer faszinierenden Persönlichkeit.

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Charakterstark, intelligent und zu ihrer Zeit viel kritisiert: Die Künstlerin Hildegard Knef.
Von Tilmann P. Gangloff
Selbstverständlich beginnt der Film mit dem Klassiker „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Das Chanson kennt heutzutage zwar nicht mehr jedes Kind, aber das Lied ist Teil des deutschen Kulturguts: als Schwulenhymne, als Trauerlied sowie natürlich als bekanntester Titel von Hildegard Knef. Klar, da sind noch der vermeintlich skandalöse Nachkriegsfilm „Die Sünderin“ (1951), in dem sie sechs Sekunden lang nackt zu sehen war, oder ihr autobiografischer Bestseller „Der geschenkte Gaul“ (1970), aber die „Roten Rosen“ (1968) sind bis heute ihr Erkennungslied.
Hildegard Knef taugt nach wie vor als Vorbild
1925 wurde „die Knef“ geboren, 2002 ist sie gestorben, diverse TV-Dokumentationen sowie ein Spielfilm („Hilde“, 2009) haben ihre von ständigem Auf und Ab geprägte Karriere gewürdigt. Was also könnte ein Dokumentarfilm einem jüngeren Publikum, das die Schauspielerin, Sängerin und Autorin womöglich nicht mal dem Namen nach kennt, geben? Vor allem wohl ihre Widerstandskraft. Tatsächlich taugt Hildegard Knef nach wie vor als Vorbild: weil sie sich als Frau in der von Männern dominierten Welt des Showgeschäfts behauptete; und weil sie Rückschläge verkraftete, die viele andere aus der Bahn geworfen hätten.
Das Verdienst von Luzia Schmid (Buch und Regie) liegt darin, den äußeren Anschein zu hinterfragen. Zu diesem Zweck konterkariert sie die glanzvollen Aufnahmen von Konzerten, Filmpremieren oder Buchvorstellungen mit Knefs eigenen Worten. „Ich will alles“ kommt ohne Kommentar aus. Stattdessen liest Nina Kunzendorf passende Passagen aus Knefs Büchern. Für weitere Einblicke ins Innenleben sorgen die Erinnerungen von Tochter Christina. Ihre Schilderungen zeigen die Kehrseite des öffentlichen Bilds einer selbstbewussten Frau.
Widersprüchliche Persönlichkeit
Der Rest ist Collage und Potpourri: Spielfilmausschnitte wechseln mit Talkshowgesprächen, Konzertauftritte mit Eindrücken von Dreharbeiten oder Soundchecks. Die Interviews sind besonders fesselnd, weil sich Knef, den Kopf gern auf eine Hand gestützt, als hochintelligente, zutiefst nachdenkliche Person entpuppt, die keine Scheu hat, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Illustrationsmaterial hatte die dreifache Grimme-Preisträgerin Schmid vermutlich in Hülle und Fülle: In ihrem Bemühen, die Deutungshoheit über ihr Leben zu behalten, hat Knef lieber selbst die Initiative ergriffen, anstatt sie anderen zu überlassen; Fotos vom Krankenbett mit entstelltem Gesicht nach einer Schönheitsoperation würde ein Star ihres Kalibers heutzutage garantiert nicht mehr zulassen.
Neben der handwerklichen Qualität lebt „Ich will alles“ – natürlich ein Zitat aus „Rote Rosen“ – nicht zuletzt vom widersprüchlichen Charakter dieser faszinierenden Persönlichkeit, die den Ruhm gleichermaßen suchte wie fürchtete. Erst wurde sie beruflich (als „Sünderin“) und später wegen einer wilden Ehe mit einem verheirateten Mann auch privat zur „Schande der Nation“: „Aus Erfolg war Verfolgung geworden.“ Schmid bedient sich in diesen Momenten der Knef’schen Selbstironie aus einem weiteren berühmten Chanson: „Von nun an ging’s bergab.“
Ich will alles: Regie: Luzia Schmid, 90 Minuten. Seit 3. April im Kino.