Mala Emde in „Köln 75“

„Das ist kein Jazzfilm. Das ist Punk!“

Der Film „Köln 75“ verrät die abstruse Story hinter Keith Jarretts Kultalbum „The Köln Concert“. Mala Emde spielt die 18-Jährige Vera Brandes, die den Jazzpianisten damals nach Köln holte.

In den 1970er Jahren war die Welt noch in Ordnung und Teenager mochten Jazz: Mala Emde als Vera Brandes in „Köln 75“

© Alamode Film/Wolfgang Ennebach

In den 1970er Jahren war die Welt noch in Ordnung und Teenager mochten Jazz: Mala Emde als Vera Brandes in „Köln 75“

Von Gunther Reinhardt

Keine andere Jazz-Soloplatte hat sich besser verkauft als Keith Jarretts Album „The Köln Concert“. Es handelt sich dabei um die Aufzeichnung eines Konzerts, das der US-Musiker am 24. Januar 1975 im Kölner Opernhaus unter schwierigsten Bedingungen gab. Der Film „Köln 75“, der auf der Berlinale Weltpremiere feierte und jetzt in die Kinos kommt, erzählt die Geschichte der jazzbegeisterten 18-jährigen Vera Brandes, die das Konzert organisierte und allen Widerständen trotzte. Mala Emde („Oh Hell“, „Und morgen die ganze Welt“) spielt Vera Brandes.

Frau Emde, „Köln 75“ erzählt die Geschichte des legendären Konzerts, das der Jazzpianist Keith Jarrett im Jahr 1975 in Köln gegeben hat. Jarrett selbst mag das Konzert selbst aber nicht besonders.

Ja, er macht daraus kein Geheimnis. Es ist aber eigentlich absolut egal, was Keith Jarrett über dieses Konzert sagt. Es hat stattgefunden, jetzt ist es draußen in der Welt, und es liegt nicht mehr an ihm, das zu bewerten. Auch wenn ich ihn ein bisschen verstehen kann. Es nervt wahrscheinlich, ständig immer nur auf dieses eine Konzert angesprochen zu werden. Er hat musikalisch bestimmt hochwertigere Dinge produziert. Das Köln-Konzert ist wackelig, und er hat das Konzert auf einem kaputten Klavier gespielt. Aber genau das versucht ja der Film zu erzählen: von diesem Moment des Ungewissen, an dem es erst richtig spannend wird.

Konzerte können magische Momente entstehen lassen?

Als ich letztens auf einem Konzert von Kae Tempest war, haben sie das Konzert mit den Worten eröffnet: „Hey Guys, we’re here in one room! What an ancient thing!“ Und ich habe sofort angefangen zu weinen, weil ich gespürt habe, das ist etwas Besonderes, etwas Einmaliges, da laufen die Engel durch den Raum. Da entsteht Bedeutung, Menschlichkeit, Empathie. So was kann Künstliche Intelligenz nicht.

Das Konzert, von dem der Film erzählt, droht bis zuletzt zu scheitern: Keith Jarrett kommt nach einer schlaflosen Nacht mit starken Rückenschmerzen mit dem Auto in Köln an, und der Flügel im Kölner Opernhaus ist verschwunden. Das klingt absurd.

Total unwirklich! Als ich das Drehbuch gelesen habe, dachte ich zunächst, das kann doch nicht wirklich passiert sein. Aber dann habe ich Vera Brandes getroffen, die ich in dem Film spiele und die das Konzert damals organisiert hat. Ich habe sie eine Woche lang ausgefragt. Und es ist echt so krass. Es ist tatsächlich so passiert. Nur ein paar Kleinigkeiten haben wir in dem Film geändert: In Wirklichkeit hat sie zum Beispiel Jarrett nicht im Hotelzimmer überredet, das Konzert zu geben, sondern hat sein Auto angehalten. Solche Details waren vielleicht anders. Ist ja auch ein Spielfilm, keine Doku!

Als Vera Brandes Keith Jarrett nach Köln holt, ist sie erst 18 Jahre alt. Mochten Sie selbst auch Jazz, als sie 18 waren?

Ich weiß nicht, ob ich wirklich auf Jazz stand. Aber ich bin immer in Jazzbars gegangen, weil ich den Mainstream nicht mochte und auch den coolen Clubs, in die alle gegangen sind, misstraute. Am Jazz hat mir gefallen, dass es was anderes war. Ich war – wie unser Regisseur Ido Fluk – nie wirklich ein Jazzfan, aber mittlerweile bin ich einer. Durch diesen Film hat sich mein Blick auf Jazz verändert. Jazz kann was Verstaubtes haben. Dadurch, dass wir uns beide in das Thema reingearbeitet haben, glaube ich, dass wir den Jazz auf unsere Weise entstaubt und das hervorgekramt haben, was wir am Jazz cool finden.

Heißt das, „Köln 75“ ist ein Jazzfilm?

Nein, für mich ist das kein Jazzfilm. Es ist ein Musikfilm – vielleicht sogar ein Punkfilm. Weil Vera Brandes‘ Haltung schon sehr Punk ist: „Mir ist scheißegal, was ihr denkt, ich mache es trotzdem!“

Sie haben mit dem Bob-Dylan-Darsteller Timothée Chalamet gemeinsam, dass sie einen Menschen spielen, der noch lebt, der sich den Film anschauen kann und dann vielleicht sagt: So bin ich doch gar nicht! Ist das ein komisches Gefühl?

Da hat man schon eine große Verantwortung. Ich hatte anfangs Angst, dass Vera gleich anruft und sagt: Mit der Mala geht das gar nicht. Und als sie uns an einem der ersten Drehtage besucht hat, dachte ich: Okay, jetzt überprüft sie‘s. Und im Zweifel hat sie die Macht, zu sagen: Stopp! So geht das aber nicht. Wir haben da eine Szene gedreht, bei der ich als Vera heftig mit ihrem Vater aneinandergerate. In einer Drehpause bin ich hin zu ihr, und sie hat gesagt: „Mala, ich gehe jetzt. Ich habe da viel zu viele Flashbacks. Es ist jetzt deins. Mach damit, was du willst!“ Es war richtig wichtig für mich, dass sie mir die Freiheit gegeben hat. Von dem Moment an wusste ich, es ist auch okay, wenn ich nicht komplett wie Vera bin, meine eigene Version von ihr spiele. Das ist anders als bei Timothée Chalamet: Alle kennen Dylan und wissen, wie er aussieht und wie er sich verhält. Vera Brandes kennen nicht so viele. Da ist es wichtiger, das Lebensgefühl zu vermitteln, dieses Gefühl von Freiheit.

„Köln 75“ ist auch die Geschichte einer jungen Frau, die sich in den 1970er Jahren gegen ihren tyrannischen Vater durchsetzt.

Vera ist schon eine sehr außergewöhnliche Frau. Aber während es zum Beispiel in „Like a Complete Unknown“ mit Timothée Chalamet um die Geschichte eines Musikgenies geht, erzählt „Köln 75“ von einem doch irgendwie ganz gewöhnlichen Mädchen. Einem Mädchen aber, das eine Leidenschaft hat. Vera macht und macht, trotzt allen Widerständen. Das könnten wir alle. Das ist das Tolle an dem Film, und das ist die allgemeingültige Botschaft: Wir alle könnten Vera Brandes sein.

Köln 75. Deutschland/Belgien/Polen 2024. Regie und Drehbuch: Ido Fluk. Mit Mala Emde, John Magaro, Alexander Scheer, Michael Chernus, Ulrich Tukur. 115 Minuten. Kinostart: 13. März 2025.

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Erstellt:
11. März 2025, 12:26 Uhr
Aktualisiert:
11. März 2025, 19:05 Uhr

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