Neu im Kino: Nosferatu

Was taugt die Neufassung des Vampirklassikers mit Lily-Rose Depp?

Der Horrorfilm „Nosferatu – Der Untote“ ist ein Remake eines Stummfilm-Klassikers und stellt mit Stars wie Lily-Rose Depp die Vieldeutigkeit des Vampirmythos’ zur Schau.

Lily-Rose Depp als Ellen in Robert Eggers „Nosferatu – Der Untote“

© Focus Features/Aidan Monaghan

Lily-Rose Depp als Ellen in Robert Eggers „Nosferatu – Der Untote“

Von Gunther Reinhardt

Mit lodernden Fackeln und allerlei Waffen in den Händen, mit weit aufgerissenen Augen, die mal von wilder Verbissenheit, mal von irrer Verzweiflung zeugen, macht eine Gruppe von Männern das, was Männer meistens tut, wenn sie die Helden spielen wollen: Sie stürmen Hals über Kopf los, glauben, dass sie mit purer Entschlossenheit das Böse besiegen können. Derweil öffnet eine Frau im Nachthemd das Fenster zu ihrem Schlafzimmer, legt sich ins Bett und wartet darauf, dass das Grauen näher kommt. Sie ist bereit, zur Heldin zu werden, indem sie sich dem Vampir als Geschenk anbietet.

Mehr als ein Murnau-Remake

Robert Eggers Gothic-Märchen „Nosferatu“ endet wie Friedrich Wilhelm Murnaus gleichnamiger Stummfilmklassiker aus dem Jahr 1922 mit einem Akt freiwilliger Unterwerfung, der sich, als das erste Tageslicht in die Kammer sickert, als Sieg über die Mächte der Finsternis erweist. Damit hat auch in dieser neuen Version, die jetzt ins Kino kommt, wie in Murnaus expressionistischem Meisterwerk eine Frau nur dann die Chance zur Heldin zu werden, wenn sie bereit ist, sich selbst zu opfern.

Diese Selbstaufgabe setzt einem schlimmen Albtraum, in dem die Kleinstadt Wisberg im Jahr 1838 gefangen war, endlich ein Ende. Dieser begann damit, dass der junge, ehrgeizige Immobilienmakler Thomas Hutter (Nicholas Hoult) nach Transsilvanien geschickt wurde, um einen „sehr alten und sehr exzentrischen Grafen, der mit einem Fuß im Grab steckt“, in dessen Burg zu besuchen und mit ihm einen Kaufvertrag für ein kleines Schloss in Wisberg abzuschließen. Dieser Graf heißt Orlok (Bill Skarsgård) und sucht längst schon Hutters Frau Ellen (Lily-Rose Depp), die an einer Art melancholischer Krankheit leidet, in ihren Träumen heim. Als dann aber dieser mysteriöse Graf, den man lange nicht wirklich zu Gesicht bekommt, tatsächlich von Tausenden Ratten begleitet ins Wisberg ankommt, geht das Grauen erst richtig los. Und auch der Spezialist Professor Albin Eberhart von Franz (Willem Dafoe), der Erfahrung mit solchen Fällen hat („Ich habe Dinge gesehen, die Isaac Newton dazu gebracht hätten, in den Schoß seiner Mutter zurückzukriechen“), muss angesichts dieses Vampirvirus kapitulieren.

Zwar übernimmt Robert Eggers („The Witch“, „The Northman“) das etwas fragwürdige Frauenbild und den Plot aus Murnaus Film und verneigt sich mit zahlreichen Schattenspielen virtuos vor der visuellen Kraft des deutschen Expressionismus. Doch sein „Nosferatu“ will mehr sein als ein Murnau-Remake.

Viehisches Schmatzen des Vampirs

Eggers erschafft eine unheimliche Welt, die meistens in düsteres Blaugrau getaucht ist, als ob der Mond seine einzige Lichtquelle wäre. Er liebt Aufnahmen, die die Räume und seine Protagonisten zentralperspektivisch zeigen. Er inszeniert den Film so, als ob er von der somnambulen Ellen Hutter selbst erzählt werden würde: Stets glaubt man, sich im Zustand des Halbschlafs zu befinden, in dem die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Und er orientiert sich in der Darstellung des Vampirs Orlok an alten volkstümlichen Darstellungen des Wiedergänger-Mythos’. Er ist kein unheimlicher Verführer wie Dracula, sondern ein grausig-hässliches Monster, das viehisch schmatzend das Blut seiner Opfer trinkt.

Nosferatu – Der Untote. USA 2024. Von Robert Eggers. Mit Lily-Rose Depp, Bill Skarsgård, Nicholas Hoult, Willem Dafoe. 132 Minuten. Ab 16 Jahren.

„Nosferatu“ von Murnau, Herzog und Eggers

Original Im Jahr 1922 erscheint Friedrich Wilhelm Murnaus expressionistischer Stummfilm „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“. Die Geschichte lehnt sich sehr an die von Bram Stokers Roman „Dracula“ an. Darum hätte der Film eigentlich nach einem Urheberrechtstreit mit Stokers Witwe im Jahr 1925 vernichtet werden müssen.

Neuverfilmungen  Im Jahr 1979 kommt Werner Herzogs Horrorfilm „Nosferatu – Phantom der Nacht“ mit Klaus Kinski und Isabelle Adjani ins Kino. Robert Eggers hat seit fast zehn Jahren an seiner Neufassung „Nosferatu – Der Untote“ (2024) gearbeitet. Anfangs sollte angeblich sogar Willem Dafoe die Rolle des Grafen Orlok übernehmen.

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Erstellt:
2. Januar 2025, 14:54 Uhr
Aktualisiert:
2. Januar 2025, 16:53 Uhr

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