Von Nicole Golombek und Tomo Pavlovic
Trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen konnte sich die Architektur auch im Jahr 2023 wieder im besten Licht präsentieren. Nachhaltig und klimaschonend sind zudem das Bauen im Bestand und Nachverdichtungen in der Stadt. Vor allem bei Umbauten gibt es spannende Lösungen für anspruchsvolle Bauaufgaben, sei es die Umwidmung eines ehemaligen Gefängnisses in ein Mehrfamilienhaus, sei es der sensible Umbau eines heruntergewohnten Hauses aus den 1930er Jahren. Allein diese Projekte sind beispielhaft im Sinne einer neuen Baukultur, die das Vorhandene wertschätzt.
Zur Inspiration für gutes Bauen hat unsere Redaktion auch in diesem Jahr architektonisch gelungene Neubauten und Umbauten von Häusern und Wohnungen vorgestellt – mal aus Holz, mal aus Beton, mal mit Denkmalschutz, mal ohne viel Raum. Hier folgt nun ein Überblick über zwölf besondere Projekte aus Stuttgart und an anderen Orten der Republik, die wir 2023 vorgestellt haben. Ein außergewöhnlicher Ausflug in die Schweiz ist auch darunter.
© Zooey Braun/METARAUM Architekten
Das Einfamilienhaus bei Tübingen, entworfen von Wallie Heinisch, steht an der Durchgangsdorfstraße, ist also auch ein gutes Beispiel für Nachverdichtung auf dem Land. Es nimmt ländliche Bauformen auf – zeitgemäß interpretiert. Die Cortenstahl-Fassade gibt wie ein rostrotes Cape Schutz und bietet den Bewohnern dennoch Ausblicke. (golo)
© Zooey Braun/METARAUM Architekten
Erstaunlich hell! Der Küchen- und Essplatz in dem Haus ist mit einer Öffnung nach oben geplant, das sorgt für ein großzügiges Wohngefühl. Das Haus ist mit Mineralwolle gedämmt, praktisch wartungsfrei, verfügt über eine natürliche Belüftung und ist mit möglichst geringem anlagentechnischen Aufwand gebaut.
© Zooey Braun/METARAUM Architekten
Deutlich offener zeigt sich das Haus hinten in Richtung Garten. Unter der Vorgabe, ein schlankes und auf drei Seiten offenes Tragwerk zu entwerfen, wurde aus wirtschaftlichen Gründen – sowie unter Berücksichtigung der vorherrschenden Erdbebenzone – das Haupttragwerk als Stahlbetonkonstruktion gewählt.
© Oliver Rieger Photography
Das Einfamilienhaus in Stuttgart-Heslach beeindruckt nach dem Umbau mit reduzierter Farbauswahl, damit die grüne Wand auf der gegenüberliegenden Anhöhe gut zur Geltung kommt: Blick aus dem neuen, alten Wohn- und Essbereich der Doppelhaushälfte in Stuttgart-Heslach. (pav)
© Oliver Rieger Photography
So sah es im Wohn- und Essbereich während der Sanierung aus. Den gelungen Umbau der Stuttgarter Architekt Jan Endemann geplant.
© Oliver Rieger Photography
Wenn es ging, hat man man alte Elemente aufbereitet und in das neue Konzept integriert. So auch die weiße Tür mit dem Oberlicht. Ansonsten zoniert eine transparente Schiebetür den Wohnbereich und den Eingangsbereich.
© Boris Miklautsch
Die Architekten Matias Stumpfl und Sebastian Wockenfuß haben auf einem engen Grundstück am Steilhang in Stuttgart-Gablenberg ein Zuhause für zwei Familien entworfen und sind dafür 2023 mit der Hugo-Häring-Auszeichnung und mit dem Preis „Beispielhaftes Bauen“ geehrt worden. (saf)
© Sebastian Wockenfuß
Den oberen Teil des Hauses bewohnen Yoon Yeo und Sebastian Wockenfuß und ihre Kinder. Helle Farbtöne dominieren in ihrem stilvollen Zuhause. Blick ins Kaminzimmer.
© Boris Miklautsch
Im unteren Teil des Hauses wohnt die Familie Cordula Funk-Stumpfl und Matias Stumpfl. Der Küchen- und Essbereich ist durch eine Stufe vom Wohnbereich getrennt – so kann man vom Esstisch aus direkt in den Garten blicken.
© NG
Noch ein Haus an einem Steilhang in Stuttgart Ost – in der feinen Richard-Wagner-Straße. Der Architekt Matthias Ludwig hat das 1931 im Stil des Neuen Bauens geplante Wohnhaus des Architekten Clemens Hummel behutsam umgebaut. Die erdige Putzfarbe hat der stilsichere Bauherr Burkhard Finken ausgewählt. (golo)
© Privat
Das zuvor kaum genutzte Dachgeschoss und die Terrasse vor dem Umbau . . .
© Büro für Architektur/Valentin Wormbs
. . . und danach. Nun wird die mit Holzplanken belegte Dachterrasse mit Blick auf den Fernsehturm ausgiebig von der Familie benutzt und die Bücher der gestaltungsaffinen Bewohner finden auch ausreichend Platz
© Studio Olaf Becker
Minimalistische Villa eines berühmten Architekten: Egon Eiermanns Wohnhaus in Baden-Baden aus dem Jahr 1962 – ein Gesamtkunstwerk, das unter Denkmalschutz steht. Der Stuttgarter Architekt Karl Amann von No W Here Architekten aus Stuttgart hat es sorgsam saniert und schaffte es damit auf die Shortlist des DAM-Preises 2024. Ungewöhnlich für die damalige Zeit war die dunkelgraue Farbgebung. (pav)
© Studio Olaf Becker
Rückwärtige Ansicht des Eiermann-Hauses
© Studio Alexander Fehre/Philip Kottlorz
Aus einer verschachtelten alten Villa auf der Stuttgarter Gänsheide wurde ein behagliches Heim für eine fünfköpfige Familie mit Rutsche in der Kinderlounge. So wird auch der Eingangsbereich des Hauses stets genutzt. Innenarchitekt Alexander Fehre hat für die alte Stuttgarter Villa das neue Innenleben auf 120 Quadratmetern gestaltet – und schaffte es damit auf die Liste der 50 besten Innenarchitektur-Projekte 2023, gekürt vom Verband der Innenarchitekten und dem Callwey Verlag. (golo)
© Studio Alexander Fehre/Philip Kottlorz
Die Bauherren-Familie verzichtet auf ein klassisches Wohnzimmer und wünschte sich viele Sitz- und Loungeecken. Hinter den Einbauten verbirgt sich Hightech – eine Leinwand für Filmabende
© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Hinter der rund drei Meter hohen Mauer erhebt sich das ehemalige Amtsgerichtsgefängnis im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt. Das alte Gefängnis mit einer bewegten Geschichte wurde zum Wohnhaus für mehrere Familien umgebaut. Die historischen Details machen das Wohnen zu etwas Einzigartigem. (anj)
© Lichtgut/Ferdinando Iannone
Die Zellentüren sind in den schön sanierten Wohnungen des ehemaligen Gefängnisses erhalten geblieben. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Ein Außenaufzug und Balkone durften aber nachträglich noch angebaut werden.
© José Campos
Das Leben am Wasser ist die Sehnsucht vieler Menschen. Der Architekt Carlos Zwick hat sich und seiner Familie diesen Traum in Potsdam nahe Berlin erfüllt. Der alte Baum am Ufer des Jungfernsees durfte dabei stehenbleiben. Das Stelzenhaus besteht aus zwei großen Volumen, rechteckig und eingeschossig, die zusammen ein L formen. (pav)
© José Campos
Der Blick aus dem Wohnbereich über das Wasser ist phänomenal. Das Haus des aus dem Allgäu stammenden Architekten Carlos Zwick wurde beim renommierten Wettbewerb „Häuser des Jahres 2022“ vom Callwey Verlag ausgezeichnet.
© www.dietmar-strauss.de 2020/Loweg Architekten
Vorbildliche Nachverdichtung in der Stadt kann so elegant aussehen: Auf einem Restgrundstück im Stuttgarter Osten schmiegt sich ein schmales Backstein-Haus in einen steilen Hang. Das Einfamilienhaus samt Büro der Architektenfamilie Loweg, entworfen von Andreas Loweg und Schwiegersohn Benedikt Pedde, der in dem Haus auch wohnt, findet sich im Stuttgarter Ziegel für die Gebäudehülle haben die Architekten auch des Kontextes wegen gewählt: „Auf der Straßenseite auf der Gänsheide finden sich viele alte Ziegelvillen und Mehrfamilienhäuser, und unser Stadthaus steht ja in diesem historischem Kontext“, sagt Benedikt Pedde. (golo)
© www.dietmar-strauss.de 2020/Loweg Architekten
Bodentiefe Fenster bringen Licht ins Haus. Im Wohnbereich fungieren die Wände zugleich als Schränke, helle Platten und Räume verleihen dem schmalen Haus, das im Innenraum nicht mehr als vier Meter Breite misst, eine gewisse Großzügigkeit.
© Valentin Jeck
In seiner radikalen Konsequenz ein rares Meisterwerk der Architektur und eine rohe Schönheit. Sockel und Dachgeschoss mit integrierter Dachterrasse umfassen das Mauerwerk in den mittleren Geschossen in dem von Andreas Fuhrimann und Gabrielle Hächler entworfenen Haus in Zürich. Im obersten Geschoss sind Küche- und Essplatz, in den zwei Geschossen darunter Wohn- Büro- und Schlafräume sowie zwei Bäder. Im Erdgeschoss befindet sich eine Einliegerwohnung. (pav)
© Fuhrimann Hächler Architekten/Valentin Jeck
Wenn der Bauherr Daniel Alder aus dem Fensterband im obersten Stockwerk seines Hauses schaut, erkennt er in der Ferne nicht nur das Alpenpanorama. Er hat auch gute Aussichten und einen Blick auf Zürich-West aus dem obersten Stockwerk. Von dem Geschoss aus geht es noch hinauf auf die Dachterrasse.
© OLAF_MAHLSTEDT/Cityförster
Kaum zu glauben: Das Wohnhaus in Hannover besteht hauptsächlich aus Schutt und Schrott. Deutschlands erstes Recyclinghaus wurde vom Architekturbüro Cityförster architecture + urbanism entworfen, die Wohnbaugesellschaft Gundlach zeichnete für die Konzeption und die Umsetzung verantwortlich. (pav)
© OLAF_MAHLSTEDT/Cityförster
Fliesenspiegel im Badezimmer bestehen aus Kronkorken, das Waschbecken stammt auch aus altem Bestand und die Fußböden sind aus Ziegelschutt: das Wohnhaus in Hannover besteht aus zusammengesuchten, wiederverwerteten Materialien. Und ist doch große Architektur.
© Florian Nagler Architekten/Lanz, Schels, Pk. Odessa
Einfach bauen ist die Devise von Architekt Florian Nagler. Der vielfach preisgekrönte Architekt hat für ein Ehepaar dieses Wohnhaus am Ammersee in Bayern entworfen. Das Haus ist aus Leichtbeton und Vollholz gebaut und trotz des geschlossen wirkenden Obergeschosses sehr hell im Innenraum. Es ist eines der gelungensten Einfamilienhäuser des Jahres 2022, gekürt vom Deutschen Architekturmuseum DAM und dem Callwey Verlag. (golo)
© Florian Nagler Architekten/Lanz, Schels, Pk. Odessa
Küchen- Wohnraum, oben sind die Galerie und Schlafräume. Man achte auf die Symmetrie zwischen Oberschränken, Sitzbankrücken und der Galerie im Obergeschoss. Hinter der Küche sind Garderoben- und ein Vorratsraum. Rundbögen sind keine exzentrische Romantik, sondern fallen in die Kategorie Lernen von den Alten. Schon die antiken Baumeister haben Viadukte und Gebäude mit Bögen entworfen; sie halten viel Spannung aus, und auch bei der Wandöffnung mit Beton-Rundbogen konnte so auf die Eisenarmierungen verzichtet und damit Material eingespart werden.