Der Chorraum der Galerie der Stadt Backnang wird zur Bühne
Bunte Installationen, Textilien, Malerei und Grafik von Maja Behrmann sind von heute Abend an in der Galerie der Stadt Backnang zu sehen. Die 1994 in Frankfurt am Main geborene Künstlerin verändert Orte künstlerisch so stark, dass sie ein ganz neues Raumerlebnis bieten.
Von Klaus J. Loderer
Backnang. Mit einer künstlerischen Intervention hat Maja Behrmann den gotischen Chor der Galerie der Stadt Backnang in einen neuen Raum verwandelt. Wie die Kulissen eines Bühnenbilds hängen breite farbige Papierstreifen herunter, die eine ungewohnte Raumwirkung entstehen lassen.
Eigentlich geht es im Chorraum aber um Skulpturen, die im Raum verteilt sind. Die 1994 in Frankfurt am Main geborene Künstlerin Maja Behrmann stellt ihre Arbeiten oft vor einen speziellen farbigen Hintergrund, um die Gegebenheiten des Ausstellungsraums zu neutralisieren. „Ich konfrontiere die Objekte mit farbigen Papierbahnen“, sagt sie selbst dazu. In der Galerie der Stadt Backnang blendet sie im ersten Stock die eigentlichen Räume mit ihren Fenstern und dem Parkett völlig aus, indem sie diese mit einfarbigen Papierbahnen verdeckt. Von „überraschend neuen Farbräumen“ spricht Galerieleiter Martin Schick. In diesen Kunsträumen scheinen ihre Arbeiten zu schweben. In völliger Konsequenz hat sie das gerade bei der Ausstellung „Findling“ in der Galerie Eigen+Art in Leipzig umgesetzt. Dort hängen alle Objekte. Die Ausstellung in Backnang bildet mit Figuren, Textilarbeiten, Malerei und Fotos ein breiteres Spektrum ab.
Ihr Studium der Malerei, Grafik und Buchkunst an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig hat Maja Behrmann als Meisterschülerin bei Caroline Achaintre an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle ergänzt.
Die beiden unteren Räume der Backnanger Galerie leiten mit kleinen Studien und zwei großen Textilbildern ein. Letztere sind eine Spezialität Behrmanns. Die Bilder entstanden nämlich auf Strickmaschinen. Dem Strickvorgang voraus ging allerdings die Entwurfsarbeit am Computer, bei der sie nicht nur die Muster und Farbflächen, sondern auch detailliert die Farbe jeder einzelnen Masche festlegen musste, um die gewünschte Bildwirkung zu erreichen. Aus gestrickten Stoffen besteht auch die große Collage im zweiten Stock, bei der sie zahlreiche Einzelarbeiten zu einer ganzen Bildwand zusammengesetzt hat. Dabei hat sie wechselweise die Vorderseite und die Rückseite verwendet.
Doch wie kommt sie zu den Motiven auf diesen Textilbildern? Die Entstehung der Bilder und Figuren ist bei Maja Behrmann ein komplizierter Prozess, der oft damit beginnt, dass sie Konturen von Gebrauchsobjekten, Möbeln oder Geschirr abzeichnet. Das macht sie schon seit Jahren im Grassimuseum in Leipzig. Ganze Skizzensammlungen sind inzwischen entstanden, die sie wie in einem Briefmarkenalbum sortiert. Nicht von ungefähr ist der Katalog zur Backnanger Ausstellung deshalb als Skizzenbuch angelegt.
Aus Fotografien entstehen Collagen
Die Konturen setzt sie dann in der nächsten Stufe um in räumliche Objekte. Nach ihrer Vorlage lässt sie von einem Schreiner im Erzgebirge Objekte drechseln. Diese farbig lackierten Holzstücke setzt sie dann zu Objekten zusammen. Doch damit ist der schöpferische Vorgang noch nicht beendet. Dieser geht weiter durch die Fotografie. Im zweiten Stock des ehemaligen Turmschulhauses sind großformatige Fotos riesig vergrößerter Objekte zu sehen. Zerschnittene Fotos ihrer Objekte verwendet sie dazu, um daraus Collagen zu machen, die sie teilweise übermalt. Diese haben nicht nur Einfluss auf die Textilbilder, sondern inspirieren sie zu weiteren Objekten aus Holz. So beeinflussen sich die unterschiedlichen Techniken bei Behrmann gegenseitig und bilden eine unendliche Suche nach Formen.
Die dargestellten Formen wiederholen sich durchaus. Doch erscheinen sie immer in einem unterschiedlichen Zusammenhang, was verschiedene Wirkungen verursacht. Dabei bleibt Behrmann konsequent abstrakt. Darauf legt sie auch Wert, obwohl viele Betrachter sicher versucht sein werden, eben doch etwas in den Objekten zu erkennen. Man wähnt Vertrautes zu erkennen, könnte Musikinstrumente, Nachttischlämpchen – überhaupt Designobjekte der 1960er-Jahre – oder gar erotische Motive ausmachen. Darauf möchte sie sich aber nicht einlassen: „Mir begegnet in Gesprächen immer wieder, dass die Leute konkrete Dinge erkennen, aber für mich ist das unerheblich.“ Für sie sind solche Assoziationen sogar eine Bedrängung der Formen. Maja Behrmann geht es eben mehr um die Formen, die sie in immer neuen Arrangements zusammensetzt. Besonders wird das bei den wie aberwitzige Maschinen aussehenden Skulpturen. Behrmann kontrastiert bei diesen weiche, gerundete Formen mit harten Kanten, die entstehen, indem sie die gedrechselten Objekte aufsägt und umgekehrt zusammensetzt. Die zu Ketten aufgereihten gerundeten Elemente scheinen beweglich und sind doch genau fixiert. Der Gedanke an Maschinen wird mit der leuchtenden Farbigkeit schnell ad absurdum geführt. Zusammen mit dem farbigen Hintergrund ergibt sich geradezu ein Farbrausch. „Ich habe kein Problem mit Vielfarbigkeit“, sagt die Künstlerin selbst dazu. Einer Deutung der Farbigkeit entzieht sie sich aber, als Galerieleiter Martin Schick sie auf die fröhliche Wirkung anspricht: „Bunt gilt für mich nicht als fröhlich.“ Objekte und Farbraum schaffen zusammen eine surreale Traumwelt, die der Realität entzogen scheint.
Öffnungszeiten Die Ausstellung von Maja Behrmann „Arrangements: Erkundungsbohrungen“ in der Galerie der Stadt Backnang ist bis zum 18. Februar zu sehen. Die Vernissage beginnt heute Abend um 20 Uhr. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 18 Uhr, sonntags von 14 bis 18 Uhr (26. Dezember und 6. Januar geöffnet, 24., 25. und 31. Dezember und 1. Januar geschlossen). Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen, auch zu Begleitveranstaltungen, findet man unter www.galerie-der-stadt-backnang.de.