„Der Lacher ist natürlich tödlich“

Crashkurs in Sachen Komik mit Christian Schidlowsky: Auftakt der vom Bandhaus-Theater organisierten Schultheatertage

„Komik ist Präzision und Timing, und das muss man trainieren“, sagt Christian Schidlowsky am Ende seines zweistündigen Workshops bei den Schultheatertagen, die gestern im Bandhaus-Theater starteten. Wie man Bühneneffekte mit der richtigen Technik erzielen kann, zeigte der Regisseur und Ausbilder aus Nürnberg 12- bis 17-jährigen Schülern. Diesen machte das Üben der Komikstandards großen Spaß.

Im Komik-Workshop werden bestimmte Impulse von Schüler zu Schüler weitergegeben.

© Pressefotografie Alexander Beche

Im Komik-Workshop werden bestimmte Impulse von Schüler zu Schüler weitergegeben.

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Die Kunst, komisch zu sein, haben die „Commedia dell’Arte“-Mimen perfekt beherrscht. Sie entwickelten ab dem 16. Jahrhundert in Italien komische Standards, die noch heute zu den Grundlagen der Schauspielkunst gehören. „Die Commedia ist eine sehr körperliche Theaterform, deshalb werden wir eine sehr körperliche Aufwärmübung machen“, kündigt Christian Schidlowsky an. Dabei werden Impulse weitergegeben.

Die Schüler stehen im Kreis, der erste wirft seine Arme nach oben, die Spannung reicht bis in die Fingerspitzen und ein A-Laut wird ausgestoßen. Dann kommt der nächste dran. So geht es weiter, bis alle 26 Workshopteilnehmer durch sind. Die Schüler reagieren nach dem Clip-Clap-Prinzip direkt aufeinander. Das Bild dazu: Ein Hase rennt panisch durch den Wald. Die Fingerspitzen der Workshopteilnehmer stehen für die Löffel des Tiers. Später werden noch zuerst ein, dann zwei Jäger, ein Spaziergänger, der sich ekelt, ein zweiter Hase und der liebe Gott, der in dem ganzen Chaos versucht, den Überblick zu behalten, eingeführt. Jetzt wird zudem mit einem haptischen Impuls gearbeitet, es gibt Berührungen an den Unterschenkeln. Zum A-Laut kommen weitere Laute hinzu. Auch ein „Om“ ist dabei, das strapazierten Stimmbändern guttut. Zu alledem wird noch eine Variante durchexerziert, bei der zunächst Verwirrung beim Aufeinandertreffen von Impulsen aus verschiedenen Richtungen vorprogrammiert scheint. Um dies zu verhindern, „muss ich mit meinen Impulsen klar sein“, weiß Schidlowsky. „Die Komik funktioniert dann am besten, wenn Impulse klar sind.“ Die Übung kommt zunächst leicht daher, hat es aber in sich.

Danach lernen die Schüler eine besondere Strategie der Gag-Erzeugung, die man von Slapstickkomödien kennt: den Double Take. Wohl jeder hat sich schon über entsprechende Szenen von Meistern des Slapsticks wie Stan Laurel und Oliver Hardy oder Komikern wie Louis de Funès amüsiert. Etwa über Laurels Kopfkratzen. Gesellen sich zu den Gesten Sounds, wird das Ganze effektvoller.

Das Double-Take-Prinzip, das durch eine rhythmische Qualität gekennzeichnet ist, geht so: neutraler Blick zu einer anderen Person, neutraler Blick zurück, große Reaktion. Auch die Stimme ist wieder gefragt. Jeder denkt sich nun Reaktionen wie Freude oder Abscheu aus – und los geht’s. Christian Schidlowsky gibt den Teilnehmern noch mit: „Gut ist es, wenn wir nicht wissen, wie du auf eine Person reagierst. Vielleicht ist sie die schönste Frau der Welt, vielleicht ist sie ein Monster.“ In der Runde merken die Schüler schnell, dass es nicht ganz einfach ist, alles so präzise auszuführen, wie es der Workshopleiter vorgemacht hat. Doch auch hier lernen sie schnell und werden viel gelobt.

Auch Fallen und Ohrfeigen verteilen und entgegennehmen wird geübt – spezielle Techniken machen es möglich, dass alles schmerzfrei über die Bühne geht. Allerdings ist am Ende doch die eine oder andere rote Backe zu sehen. Ob die aber von der Anstrengung oder von einem zu späten Wegdrehen des Kopfes herrührt, wer weiß das schon?

Dann führt Christian Schidlowsky vor Augen, wie man die Wirkung einer echten Theaterohrfeige noch verstärken kann. In einem Spiel mit einem Schüler beleidigt er diesen, der Workshopteilnehmer hält die Situation eine Weile aus und schlägt dann zu. Schidlowsky atmet tief ein. Beim Ausatmen senkt er den Kopf. Was ausdrückt, dass er die Demütigung annimmt. „Komik spielt damit, dass sie lustig ist und ernst wird.“

Die Schüler lernen überdies, wie Reaktionsketten funktionieren. Fehlen darf obendrein nicht der Standard Verschwinden und Wiederauftauchen: Zwei Akteure schleichen rückwärts und stoßen plötzlich aufeinander. Oder sie halten kurz vor dem Aufeinandertreffen inne und drehen sich schließlich aneinander vorbei. Eine Schülerin kann sich bei der Szene das Lachen nicht verkneifen. Dazu kommentiert Schidlowsky: „Der Lacher ist natürlich tödlich. Komik muss man ernst nehmen.“ Und er macht deutlich: „Die Erwartung der Zuschauer ist: Ihr werdet zusammenstoßen. Der Trick ist, dass ihr die Erwartungshaltung nicht oder nicht sofort befriedigt.“

Nach diesem Crashkurs in Sachen Komik werden die Schüler in Gruppen eingeteilt und denken sich kleine Szenen aus, in die sie das Gelernte einbauen. Die Ergebnisse sind fabelhaft.

In der Schlussrunde verraten sie, was sie am meisten beeindruckt hat. „Sich selbst ernst nehmen, wenn man etwas total Bescheuertes macht“, fand eine Schülerin „schön zu sehen“. Andere heben den Blick hinter die Kulissen hervor. „Wir haben Sachen gelernt, die man zum Beispiel schon im Fernsehen gesehen und sich gefragt hat, wie kriegen die das hin.“

Wer diesen Workshop miterlebt hat, wird bestätigen, was Heinz Harter, Schulleiter der Max-Eyth-Realschule und geschäftsführender Schulleiter der Backnanger Schulen, bei der Eröffnung der Schultheatertage am Donnerstagmorgen gesagt hatte: „Es war schon eine sehr gute, mehr noch, eine geniale Idee, die Juliane Putzmann und Jasmin Meindl hatten, dieses Format der Schultheatertage in Backnang zu entwickeln.“ Auch erwähnte er, dass Theaterspielen in England Unterrichtsfach ist. „Drama“ steht da auf dem Stundenplan. Zu den Schülern sagte er: „Nun seid ihr für zwei Tage hierhergekommen, um diese eindeutige Lücke in unseren Schulen zu schließen.“

War schon öfter bei den Schultheatertagen in Backnang als Workshopleiter dabei und führte beim Bürgerbühnenstück „Pension Schöller“ Regie: Christian Schidlowsky. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

War schon öfter bei den Schultheatertagen in Backnang als Workshopleiter dabei und führte beim Bürgerbühnenstück „Pension Schöller“ Regie: Christian Schidlowsky. Fotos: A. Becher

Info
Alles Theater

Christian Schidlowsky kommt vom Niederrhein und hat „schon immer“ Theater gemacht. Auch studiert, mit Abschluss Magister Artium in Erlangen. In Nürnberg hat er das Theater Pfütze gegründet und vierzehn Jahre geleitet. Er ist Gründungsmitglied eines der ersten Improvisationstheater-Ensembles in Deutschland und von Berufung selbstständiger Regisseur, Autor, Ausbilder und systemischer Therapeut. Schidlowsky arbeitet gerne mit professionellen Schauspielern sowie mit Amateuren, mit jüngeren ebenso wie mit älteren Menschen. Überhaupt ist er ein Grenzgänger zwischen psychologischem Kammerspiel und chorischem Musiktheater, Freilichtbühnen und Bespielen ungewöhnlicher Orte, intimer Privatbühne und Spektakeln im Stadt- wie Landestheater, freier Gruppe und internationalen Gastinszenierungen.

Die Schultheatertage in Backnang gehen heute in die zweite Runde. Um 9.30 Uhr wird „Ronja Räubertocher“ und um 15 Uhr „Hexenjagd“ aufgeführt.

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Erstellt:
19. Juli 2019, 06:00 Uhr

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