Neu im Kino: „Die geschützten Männer“

Der Lover in der Rüschenschürze

Irene von Alberti adaptiert mit „Die geschützten Männer“ eine spannende Science-Fiction-Farce aus den 1970er Jahren mit bekannten Namen. Klingt gut – aber funktioniert das auch?

Britta Hammelstein und Mavie Hörbiger als Anita und Sarah in „Die geschützten Männer“

© Filmgalerie 451

Britta Hammelstein und Mavie Hörbiger als Anita und Sarah in „Die geschützten Männer“

Von Kathrin Horster

Ohne Hemmung grapscht ein Mann einer Frau an den Hintern, am helllichten Tag und in aller Öffentlichkeit. In Irene von Albertis Romanadaption „Die geschützten Männer“ ist der Übergriff aber nicht Ausdruck einer sexistischen Gesinnung, sondern Symptom einer Viruserkrankung, die in einer nahen Zukunft geschlechtsreife Männer befällt und nach kurzem sexuellen Rausch tötet.

Szenen wie aus einem B-Movie

Den Erkrankten wachsen unappetitliche Haarbüschel am Körper, sie grunzen und benehmen sich zwanghaft daneben. Der Verwandlungsprozess scheint einem B-Movie über Werwölfe abgeschaut, wie sie Oliver Kalkofe und Peter Rütte unter dem Label „SchleFaZ – Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ präsentieren. Irene von Albertis Satire über eine feministische Partei, die im Zuge dieser Epidemie die Macht von den Männern im Staat übernimmt und sich genau so schlimm aufführt wie zuvor das Patriarchat, spielt mit solchen B-Movie-Anleihen. Diese Herangehensweise könnte erfrischend und witzig sein, sie erweist sich jedoch als größte Schwäche des Films.

Das Männer mordende Virus wütet auch im Kanzleramt

Der Plot, basierend auf dem Science-Fiction-Roman des französischen Autors Robert Merle aus den 1970er Jahren, ist durchaus witzig: Die Freundinnen Anita Martinelli (Britta Hammelstein) und Sarah Bedford (Mavie Hörbiger) wollen mit ihrer feministischen Kleinstpartei Fem gegen den konservativen Kanzler Darius Becker (Godehard Giese) antreten, als plötzlich das Männer mordende Virus auch im Kanzleramt wütet. Im politischen Vakuum greifen Anita und Sarah nach der Macht, um den Klimaschutz, eine nachhaltige Wirtschaft und die Gleichstellung aller Menschen voran zu treiben.

Doch schnell kommt es zu Zersetzungserscheinungen in der neuen Regierung. Ein paar wenige, nicht infizierte Männer, darunter Anitas Partner Ralph (Yousef Sweid), sollen an einem Impfserum tüfteln. Männer, die sich chemisch kastrieren lassen, werden sozial belohnt. Dass aber die gesamte männliche Bevölkerung vor dem Tod gerettet wird, liegt bald nicht mehr in Anitas Interesse.

Eine vertane Chance

Irene von Albertis Strategie, den interessanten Wahnsinn von Merles Erzählung durch ihre merkwürdig laienhaft wirkende Inszenierung mit hölzern agierendem Ensemble und thesenhaften Dialogen zu überbieten, geht nicht auf. Wenn der halb nackte Ralph in Rüschenschürze und mit spanischem Akzent als erotisches Rollenklischee vom Latino-Lover seiner Frau das Abendessen serviert, ist das mehr plumper Schenkelklopfer als satirischer Witz.

Den Figuren fehlt es zudem an glaubwürdiger Psychologie; nur wenige schöne Bilder, wie das der in einem flachen Erdloch im Kreis laufenden Anita, entfalten einen gewissen Humor. Dass ein exklusiv weiblicher Machtanspruch genauso verheerende Wirkung entfaltet wie ein autoritär männlicher, ist keine bahnbrechende Erkenntnis. Und so verpufft mit dieser Adaption die Chance, Robert Merles alter Science-Fiction-Dystopie neues Leben einzuhauchen. Schade.

Die geschützten Männer. Deutschland 2024. Regie: Irene von Alberti. Mit Bibiana Beglau, Mavie Hörbiger. 104 Minuten. Ab 12 Jahren. Premiere am 15.12. um 20.20 Uhr im Stuttgarter Atelier am Bollwerk in Anwesenheit der Regisseurin Irene von Alberti.

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Erstellt:
10. Dezember 2024, 12:40 Uhr

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