Neuer Roman von Michael Ebert

Der Mann, das unzulängliche Wesen

Gerade hat sich Hannes Hennes bei „Wer wird Millionär?“ blamiert. Für seine Tochter ist er aber aus einem ganz anderen Grund gestorben. Michael Ebert hat in seinem zweiten Roman „Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ einen hinreißenden tragischen Helden geschaffen.

Im Hauptberuf ist Michael Ebert Chefredakteur beim Magazin der Süddeutschen Zeitung – sein erstes Buch schrieb er nachts.

© Julia Sellmann

Im Hauptberuf ist Michael Ebert Chefredakteur beim Magazin der Süddeutschen Zeitung – sein erstes Buch schrieb er nachts.

Von Theresa Schäfer

Hannes Hennes ist nicht nur mit seinem Namen geschlagen. Während der Mathematiklehrer versucht, in einem Münchner Gymnasium ignoranten Achtklässlern die Wahrscheinlichkeitsrechnung beizubringen, gewinnt sein kleiner Bruder mal eben den Nobelpreis für Medizin. Ihm selbst entgleitet derweil mehr und mehr sein Leben: Bei Günther Jauch scheitert er schon an der 50-Euro-Frage und prangt als „Dr. Depp“ auf dem Titel der Bild-Zeitung. Seine Frau Marlene, die der Allergiker einst bei der Hyposensibilisierung kennenlernte, war eigentlich schon immer eine Nummer zu groß für ihn. Und nach einem tödlichen Zwischenfall ist er für seine Tochter Klara gestorben.

So hat der Held aus Michael Eberts zweitem Roman „Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ nichts mehr zu verlieren. Er begibt sich auf einen irrwitzigen Roadtrip im VW Touran. Denn eines hat Hannes sich in den Kopf gesetzt: Er will das in Essig konservierte Gehirn seines Idols retten – Carl Friedrich Gauß, das Mathematik-Genie vom alten Zehn-D-Mark-Schein. „Sterben könnte er danach immer noch.“

Ein hinreißender Held

War sein erster Roman „Nicht von dieser Welt“ noch eine Coming-of-Age-Geschichte (angelegt im Schwarzwald, von wo Ebert stammt), wendet sich der Autor jetzt dem erwachsenen Exemplar der Spezies Mann zu. Ebert, im Hauptberuf Chefredakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung, hat mit Hannes einen hinreißenden tragischen Helden geschaffen.

Einer, der es doch gut meint und in dem ein gewaltiger Gefühlssturm tobt. Große Emotionen, die er aber nach außen nur in trockenen, dürren, dürftigen Sätzen und Gesten zum Ausdruck bringen kann. Der sich, wenn’s brenzlig wird, damit beruhigt, dass er im Kopf die Ziffern von Pi aufzählt. Kein Wunder, dass sich Frau und Tochter da kopfschüttelnd abwenden. Der Mann, das unzulängliche Wesen.

Als solches landet er auf seinem München-Göttingen-Roadtrip schließlich in einem Selbstfindungsseminar (drei Tage für 680 Euro) unter der Überschrift „Mann sein & Krieger werden“. Und hier wird es dann vollends irre: Eine Welt, „in der gebrüllt und gesprungen und geheult und geschwitzt und gekämpft werden musste.“ Der Plot könnte jederzeit in den Klamauk abrutschen. Tut er aber nicht, denn Michael Ebert tänzelt einen so riskanten wie eleganten Hochseilakt auf dem schmalen Grat zwischen Komik und Tragik – und bleibt immer gerade so oben. „Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent“ stellt große Fragen wie diese: Wie hält man das Leben aus? Wer kehrt die Scherben auf, wenn alles in die Brüche geht? Das Buch ist poetisch im Ton, so weise wie wahnwitzig. Und das muss man erst einmal hinbekommen.

Michael Ebert: Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt null Prozent. 240 Seiten. Penguin Verlag, 24 Euro.

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Erstellt:
19. März 2025, 06:12 Uhr

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