Designstar Louis L. Lepoix in Baden-Baden

Der Mann, der das Feuerzeug neu erfand

Louis L. Lepoix’ Design-Klassiker kennt jeder, seinen Namen fast niemand. Die Schau „Schöne Welt von morgen“ in seiner Wahlheimat Baden-Baden zeigt, wie der französische Ausnahme-Designer den Alltag der Deutschen prägt – und wie hellsichtig er war.

Louis Lucien Lepoix gab sich selbst den Namen L3, der hier auf den BIC-Feuerzeugen im LA8-Museum in Baden-Baden zu sehen ist.

© Pavlovic

Louis Lucien Lepoix gab sich selbst den Namen L3, der hier auf den BIC-Feuerzeugen im LA8-Museum in Baden-Baden zu sehen ist.

Von Tomo Pavlovic

Eileen Gray. Arne Jacobsen. Dieter Rams. Luigi Colani. Philippe Starck. Louis Lucien Lepoix. Louis . . . wer, bitte schön? Tatsächlich gehört Louis Lucien Lepoix zu den bekanntesten unbekannten Designern des 20. Jahrhunderts, auch wenn sein Name – anders als der von Colani, Rams oder Starck – kaum jemandem etwas sagt.

J26 – ein lupenreiner Designklassiker

Und das, obwohl fast jede und jeder höchstwahrscheinlich ein Produkt von Lepoix kennt oder sogar im Alltag regelmäßig benützt hat. Zum Beispiel eines dieser preisgünstigen Feuerzeuge, das in jedem Supermarkt in verschiedenen Uni-Farben erhältlich ist und im Grunde jedem Raucher schon mal zwischen die Finger geraten ist. Dabei handelt es sich um das von Louis Lucien Lepoix Anfang der 70er Jahre für die Firma BIC entworfene klassische Taschenfeuerzeug „J26“.

Ein lupenreiner Designklassiker, der heute im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt ist. Die elliptische Form, die hohe Robustheit, die leichtgängige Zündmechanik wie auch die Kindersicherung stehen für eine sehr gute Praxistauglichkeit, die typisch für eigentlich alle realisierten Produkte des französischen Industriedesigners ist.

Hinzu kommt ein wahrhaft unendliches Interesse an den verschiedensten Produktwelten. Lepoix war ein kreativer Nimmersatt: Kaffeemaschinen, Rasierapparate, Motorräder, Autos, Gehhilfen, Traktoren, Möbel, ja sogar die früher allgegenwärtigen Parkuhren stammen aus seiner Feder. Er hat mehr als 3000 Produkte designt, 112 Patente angemeldet und gut 200 Designpreise gewonnen. Zweifellos war Lepoix einer der produktivsten Industriedesigner des vergangenen Jahrhunderts.

Architekt und Flugzeugzeugingenieur

Anders als viele seiner Kollegen ist Lepoix ein echtes Multitalent, schließlich hat er parallel zu seiner Ausbildung an der Kunsthochschule École des Beaux-Arts in Lyon sein Diplom als Flugzeugingenieur erworben. Architekt, Bildhauer, Ingenieur: Bescheiden bezeichnet sich Lepoix selbst als „Stylist“, eine Untertreibung angesichts seiner Fähigkeit, die Produkte sowohl von ihrer ästhetischen als auch von der konstruktiven Seite zu gestalten – und damit auch die deutsche Designgeschichte entscheidend zu beeinflussen.

Mit dem deutschen Designgott Dieter Rams verbindet Lepoix die wunderbare Fähigkeit, Form und Funktion gewissermaßen nahtlos miteinander verschmelzen zu lassen, bei Lepoix allerdings kommt noch französischer Esprit hinzu, die Lust auf Farbe und Sinnlichkeit. Seine Entwürfe sind spielerischer. „Die Form entscheidet. Die Form bringt Freude. Die funktionelle Form ist auch technisch vorteilhaft“, so lautet das Credo von Lepoix; es sind Sätze, die deutlich an die zehn Thesen zum guten Design von Rams erinnern.

1918 wird Lepoix in Giromagny geboren, einer kleinen Gemeinde in den südlichen Vogesen unweit der deutsch-schweizerischen Grenze. Als Student kommt er nach dem Zweiten Weltkrieg über die französische Armee erst nach Friedrichshafen, schließlich nach Baden-Baden, einst Sitz der französischen Besatzungszone. Die Stadt an der Oos wird bis zu seinem Tod im Jahre 1998 seine neue Heimat bleiben.

Zunächst arbeitet Lepoix als Autodesigner, darin ähnelt der Karriereanfang dem seines Landsmannes Paul Bracq, der vor allem durch seine stilprägende Arbeit für Mercedes-Benz reüssierte. Lepoix‘ Durchbruch wird das stromlinienförmige Blechkleid für den Bugatti Type 101 sein, ein visionärer Entwurf, da der möglichst geringe Luftwiderstand eine maßgebliche Rolle bei der Gestaltung der Karosserie spielte.

Der Prototyp des Type 101 befindet sich heute in der Collection Schlumpf in Mulhouse. Nach dem Bugatti-Erfolg gründet Lepoix seine Firma Form-Technic International (fti Design) mit europaweiten Niederlassungen und einer Vertretung in Japan. Womit wir auch schon beim eigentlichen Problem von Louis Lucien Lepoix wären, der sich selbstironisch „L3“ nannte, und scheinbar alles konnte, außer Selbstvermarktung.

Denn unter dem mehr als unterspannten Studiotitel „fti Design“ konnten sich nur die wenigsten etwas vorstellen, weshalb der Designername bis heute keine berühmte Marke ist. Lepoix‘ uneitle Art wirkt andererseits überaus sympathisch. Nur gut, dass ein Tiefstapler wie Lepoix nicht mehr heute um Aufträge kämpfen muss, in unserer hysterischen Zeit, in der digitale Aufmerksamkeit alles, Wissen nur wenig bedeutet.

Legendäre Kreidler Florett

Erfolgreich war Lepoix trotzdem, und mehr noch: Er hat dem Alltag der alten Bundesrepublik auf mannigfache Art und Weise seinen kreativen Stempel aufgedrückt. Viele Lastwagen waren von Lepoix gezeichnet, das gilt etwa für die F-Reihe der Fahrerkabinen der Hanomag-Henschel-Lkws - sein Stil war für die Ära der kubischen Fahrerhäuser so prägend.

Sogar die deutsche Alternative zur Vespa – die Kreidler Florett mit dem unvergessenen Eiertank – entstammt dem Designbüro von Lepoix, ein Motorrad, von dem seinerzeit viele jungen Menschen träumen, die gegen ihre Eltern und die Adenauer-Ära rebellieren.

Lepoix selbst scheint kein politischer Mensch zu sein, kein Rebell zumindest, vielmehr ist er ein pragmatischer Visionär, ein hedonistischer Fortschrittsoptimist, der schon in den 70er Jahren ein Elektromobil entwickelt und Wohnkomplexe mit Solardächern plant, ohne die unternehmerische Bodenhaftung zu verlieren.

Es wundert daher nicht, dass Lepoix auch die legendäre Kienzle-Parkuhr entwirft, die den etwas Älteren bestimmt noch aus den 60er, 70er und 80er Jahren in mittelguter Erinnerung ist. Das Teil stand überall, ein wahrer Bestseller nicht nur für den Designer, vor allem dann, wenn die rote Parkscheibe sich ins Sichtfeld schiebt und dem säumigen Parksünder eine Verwarnung droht.

Die kleine, aber sorgsam kuratierte Ausstellung „Schöne Welt von morgen“ im Museum LA8 in Baden-Baden zeigt jetzt ausgewählte Produkte, Ideen und Visionen des gestaltenden Allrounders – und sorgt vielleicht auch dafür, dass der unbekannte Designer ein bisschen bekannter wird. Wie Colani oder Starck. Verdient hätte L3 es allemal.

Bilder und Zeichnungen der Entwürfe sind in der Bildergalerie zu finden.

Info

AusstellungDas Museum LA8 in Baden-Baden (Lichtentaler Allee 8) zeigt die Ausstellung „Schöne Welt von Morgen. Der Gestalter Louis L. Lepoix“ in Kooperation mit dem Lepoix Archiv. noch bis zum 6. April 2025, geöffnet von dienstags bis sonntags 11 von bis 18 Uhr. Nähere Auskünfte gibt es unter https://la8/museum

Zu Beginn seiner Karriere war Louis Lepoix Autodesigner. Ein Masterpiece des Franzosen: der Bugatti Typ 101, heute im Musée national de l’automobile in Mulhouse, France, 1950.

© W. Pangerl, Wien

Zu Beginn seiner Karriere war Louis Lepoix Autodesigner. Ein Masterpiece des Franzosen: der Bugatti Typ 101, heute im Musée national de l’automobile in Mulhouse, France, 1950.

Ein Bestseller von Lepoix: die im deutschen Stadtbild der 1970er und 1980er Jahre beinahe allgegenwärtige Kienzle-Parkuhr.

© Lepoix Archiv/Museum LA8

Ein Bestseller von Lepoix: die im deutschen Stadtbild der 1970er und 1980er Jahre beinahe allgegenwärtige Kienzle-Parkuhr.

Beistellwagen, 1979, seit 1984 im Museum of Modern Art New York.

© Goetz von Sternenfels, Lepoix Archiv/Museum LA8

Beistellwagen, 1979, seit 1984 im Museum of Modern Art New York.

Ein Designklassiker, so schlicht wie funktional: das BIC-Taschenfeuerzeug, entworfen von Lepoix Anfang der 70er Jahre, das bis heute genau so in verschiedenen Farben und Größen erhältlich ist.

© imago images/Shotshop/Nenov Images via www.imago-images.de

Ein Designklassiker, so schlicht wie funktional: das BIC-Taschenfeuerzeug, entworfen von Lepoix Anfang der 70er Jahre, das bis heute genau so in verschiedenen Farben und Größen erhältlich ist.

Ergonomische Gehilfe, zum Aufhängen, ab 1977.

© Lepoix Archiv/Museum LA8

Ergonomische Gehilfe, zum Aufhängen, ab 1977.

Traum vieler Teenager in den 60er Jahren: eine Kreidler Florett.

© IMAGO/Funke Foto Services/Alexandra Roth

Traum vieler Teenager in den 60er Jahren: eine Kreidler Florett.

Lepoix war auch für die Firma Hanomag tätig, die unter anderem Lastwagen herstellte, und entwarf die kantig-schlichten Formen der leichten Hanomag F-Reihe.

© Wiki

Lepoix war auch für die Firma Hanomag tätig, die unter anderem Lastwagen herstellte, und entwarf die kantig-schlichten Formen der leichten Hanomag F-Reihe.

Kaffeemaschine Wigomat, zu sehen im LA8 in Baden-Baden.

© Pav

Kaffeemaschine Wigomat, zu sehen im LA8 in Baden-Baden.

Blick in die Ausstellung:  Lepoix’  Farbzeichnungs-Entwurf von 1996, ein Wohn- und Geschäftshaus namens „ Solartum“. Auf dem Dach war eine Großwindanlage vorgesehen.

© Pav

Blick in die Ausstellung: Lepoix’ Farbzeichnungs-Entwurf von 1996, ein Wohn- und Geschäftshaus namens „ Solartum“. Auf dem Dach war eine Großwindanlage vorgesehen.

Lepoix’ Idee:  „Chateau de Soleil“, Sonnenschloss, 1995/1996, Farbzeichnung. Ein Solarturm, der die benachbarten Häuser mit Energie versorgt hätte.

© pav

Lepoix’ Idee: „Chateau de Soleil“, Sonnenschloss, 1995/1996, Farbzeichnung. Ein Solarturm, der die benachbarten Häuser mit Energie versorgt hätte.

Der Designer hat mehr als 3000 Produkte entworfen. Blick in die Ausstellung „Schöne Welt von morgen“.

© Martin Foessleitner/Museum LA8

Der Designer hat mehr als 3000 Produkte entworfen. Blick in die Ausstellung „Schöne Welt von morgen“.

Hauptfriedhof Baden-Baden: Letzte Ruhestätte von Louis L. Lepoix (1918 – 1998).

© Wiki

Hauptfriedhof Baden-Baden: Letzte Ruhestätte von Louis L. Lepoix (1918 – 1998).