Bernhard Hoëcker in Stuttgart

Die Ampel ist nicht an allem schuld

Bernhard Hoëcker ist der schlaue Kerl aus den Rateshows. An einem nicht nur nostalgischen Abend im Renitenztheater kann er auch vom Publikum profitieren.

Immer gut drauf: Bernhard Hoëcker

© dpa/Daniel Reinhardt

Immer gut drauf: Bernhard Hoëcker

Von Matthias Ring

Bernhard Hoëcker gehört zu jenen Entertainern, bei denen man sich fragen kann, was sie eigentlich sonst so machen, wenn sie nicht gerade in Rateshows wie „Kaum zu glauben!“ oder „Wer weiß denn sowas?“ rumhocken. Nun, er betreibt Geocoaching, bestimmt ziemlich gut, denn er hat Bücher darüber geschrieben, oder spielt Hockey, wohl recht schlecht, wie er auf der Bühne selbst sagt. Vor allem aber ist Hoëcker seit längerem auch mit seinem sechstem Soloprogramm unterwegs. Es heißt „Morgen war gestern alles besser“, wobei man in Quizmanier die Frage stellen kann, an wen oder was das erinnert. Etwa an Karl Valentins Spruch „die Zukunft war früher auch besser“?

Aber wir wollen hier genauso wenig lamentieren wie Hoëcker auf der Bühne des Renitenztheaters, die er singend betritt. Seine Version von „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ ist ein doppelter Rückgriff, denn Rudi Carrell bemerkte ja schon in den 70ern, dass früher zumindest das Wetter besser war. In Hoëckers Variante heißt es jedoch nicht nur „wir hatten ständig Kratzer an den Knien und waren immer nur im Freien“, sondern auch „im Auto rauchten alle Kinder mit“. Und apropos: Wer ist als Kind im Kofferraum in den Urlaub gefahren, fragt Hoëcker sein Publikum. Viele Hände gehen in die Höhe und sogar eine, deren Anhang angeblich in dem eines VW Käfers gut verstaut war.

Rosige Vergangenheitsverzerrung

Vieles am Abend bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem „Reminiscence Bump“, dass man sich also im Alter besser an die frühen Episoden im Leben erinnert, und der sogenannten rosigen Vergangenheitsverzerrung. Zum Beispiel mit ausführlichen Erzählungen von alten Speichermedien wie Fotoalbum und Schuhkarton gegenüber neuen Möglichkeiten wie i-Cloud und Dropbox, was bei Hoëcker dank Familienfreigabe zu peinlichen Zwischenfällen führte.

Nach der Pause wird sich mehr der Frage gewidmet: Geht die deutsche Sprache immer mehr den Bach runter? Und wer ist schuld daran: die Ampel? Die Grünen? Die Amis? Es dauert eine Weile, bis das Publikum endlich auf die Jugend kommt. Aber Hoëckers Ironiefähigkeit kann sich auch durchaus auf sich selbst beziehen. Erkennt ihn im Restaurant ein Jugendlicher stammelnd als „Hoëcker? Fernsehen?“, dann ist das für ihn ein klares Indiz: „Der ist nett. Der besucht regelmäßig seine Oma.“

Wenig Erkenntnisgewinn

Ansonsten ist der Erkenntnisgewinn eher gering, aber der Unterhaltungswert groß. Bernhard Hoëcker hat nun mal eine so gute Allgemeinbildung, dass ihm zu allem und jedem etwas einfällt, weswegen er ein gefragter Quizshow-Gast ist. Als Plus auf der Bühne – und auch danach beim Bücher-Signieren und Selfies-Machen – kommt hinzu, dass er mit seiner Schlagfertigkeit sehr gut mit den Leuten kann, die Bestandteil seiner Show sind, selbst wenn sich die Akademiker im Publikum nicht mehr so recht an den Titel ihrer Magisterarbeit erinnern wollen. Ein junger Mathematiker immerhin belegt dem Wissenschaftsfan, dass zwischen Theorie und Praxis ein weiter Weg ist, denn seine Bachelor-Arbeit hieß „Mathematische Optimierung zur Anschlusssicherung im ÖPNV“.

Vorstellung: Bernhard Hoëcker „Morgen war gestern alles besser“ noch einmal an diesem Dienstag im Renitenztheater Stuttgart (20 Uhr)

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Erstellt:
24. September 2024, 15:25 Uhr
Aktualisiert:
24. September 2024, 15:45 Uhr

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