Die Innenräume werden zur Bühne

Ausstellung mit Bildern und Objekten von Anna Lea Hucht wird heute Abend in der Galerie der Stadt Backnang eröffnet

Anna Lea Hucht zeichnet und aquarelliert minutiös ausgearbeitete Innenräume. Diese werden für ihre mehr oder weniger fantastischen oder surrealen Figuren zu einer Art Bühne. Auffallend dabei ist, dass die Figuren miteinander kommunizieren, ohne direkt miteinander zu sprechen. Neben den Bildern zeigt die 1980 in Bonn geborene und in Berlin lebende Künstlerin Plastiken.

Aquarell von Anna Lea Hucht mit afrikanisch anmutender Maske, hinter der sich kein Kopf zu befinden scheint – hinter den Augen scheint der Vorhang hervor – und einer Steinskulptur. Fotos. P. Wolf

Aquarell von Anna Lea Hucht mit afrikanisch anmutender Maske, hinter der sich kein Kopf zu befinden scheint – hinter den Augen scheint der Vorhang hervor – und einer Steinskulptur. Fotos. P. Wolf

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Anna Lea Hucht, die in Karlsruhe Kunst studierte, hat einen ganz eigenen künstlerischen Weg gefunden. Egal, aus welcher Richtung wir uns ihren Bildern nähern: Zeitgenössischen Trends helfen uns nicht weiter, es bleiben Fragen offen. Sucht man beispielsweise nach einer Erzählung in Huchts durchaus märchenhaft anmutenden Bildern, stößt man ganz schnell an Grenzen. Bei einem Rundgang durch die Ausstellung spricht Kulturamtsleiter Martin Schick von verrätselten Gesamtsituationen, die betrachtet werden wollen.

Dies ist wohl auch der Schlüssel dafür, zur Hucht’schen Welt Zugang zu finden. Einfach nur mal betrachten. Die Formen, Farben und Muster der Ausstattungsgegenstände auf sich wirken lassen, nicht nach Symboliken suchen. Dass in einem Bild zum Beispiel eine Wassermelone am Boden liegt, ist wie so vieles intuitiv entstanden und nicht das bei den Vorzeichnungen entstandene Ergebnis eines Findungsprozesses, verrät die Künstlerin.

Genauigkeit ist der Künstlerin wichtig, weil sie diese mit Sachlichkeit verbindet. Mit einer Sachlichkeit, die auch etwas Analytisches hat. Auf der anderen Seite geht es darum, Gefühle zu transportieren. Lebensräume werden zu Seelenräumen. Die Figuren strahlen eine bestimmte Stimmung aus. Sie sind in einen formalen Gesamtzusammenhang eingebunden, der uns vertraut vorkommt – in Verbindung aber mit der dargestellten Situation wieder ganz fremd ist. So entsteht Spannung. Der in einem Zimmer auf dem Boden liegende Frauenkopf ist ebenfalls als Raum zu sehen. Die surreale, skurrile Welt ist damit perfekt. Im Jahresprogramm des Kunstmuseums Bonn 2017 wurde die Kunstwelt von Anna Lea Hucht so beschrieben: „Irgendein Zauber liegt auf diesen Wunderkammern, sodass man eine Seelenverwandtschaft der Künstlerin mit den Meistern des Surrealismus und des magischen Realismus vermuten könnte. Doch fehlt dieser Traditionslinie zumeist jene Beimischung von Humor, die bei Hucht anzutreffen ist.“ Diesen Humor findet man beispielsweise in einem Bild, das auch in der Backnanger Ausstellung zu sehen ist. Es handelt sich um eine Gruppe afrikanischer Kunstfiguren. Sie sind als „ethnologische Zitate“ zu sehen. Die Figuren befinden sich in einer Welt, in der man sie nicht vermutet: in einem Wohnzimmer, das eher in der westlichen Kultur verortet ist. Mehrere Kulturen stoßen aufeinander. Dass die Figuren noch halb Mensch, halb Maskenwesen sind, ist durchaus stimmig in der Szene, die uns zwischen Selbstverständlichkeit und neugierigem Entdeckerwillen hin- und herwirft. In den Einrichtungsgegenständen verschmelzen ebenfalls unterschiedliche Kulturen. Auch kommen sie aus verschiedenen Epochen.

Es ist nicht ein fotografischer Blick, den die Künstlerin auf ihre Figuren richtet. Es geht nicht um Themen wie Licht und Schatten. Durch ihre Herangehensweise kann Hucht „alle Merkmale zeigen. Beim Foto fehlt etwas“, sagt sie.

In einem Bild zitiert Hucht den Pierrot namens Gilles des französischen Malers Antoine Watteau, das etwa 1718/1719 entstand. Auch hier spielt das Umfeld eine große Rolle für die Gesamtwirkung. Ob sich der etwas verloren dastehende Pierrot vor oder in einem Gemüseladen befindet, wird nicht klar. Befindet er sich in der Gesellschaft oder draußen? Auch das könnte ein Überlegung wert sein.

Auch keramische Plastiken Huchts wurden in die Backnanger Ausstellung aufgenommen, die wie aus ihren Bildern entsprungen scheinen. Dabei schauen einen durchaus immer wieder Augenpaare an. Die mehrfach ausgezeichnete Künstlerin (Bonner Kunstpreis, HAP-Grieshaber-Preis, Horst-Janssen-Grafikpreis) hat auch den Keramikpreis der Majolika-Stiftung für Kunst- und Kulturförderung erhalten. Die Ausstellung in Backnang ist ihre erste Einzelausstellung in einem öffentlichen Kunstmuseum in Baden-Württemberg.

Anna Lea Hucht mit ihrem Hund Celeste, einem spanischen Windhund. Sie spricht über ihr Vasen-Aquarell, das nach einer Fotografie entstand. Dabei ging es ihr um Sachlichkeit und den Malprozess.

Anna Lea Hucht mit ihrem Hund Celeste, einem spanischen Windhund. Sie spricht über ihr Vasen-Aquarell, das nach einer Fotografie entstand. Dabei ging es ihr um Sachlichkeit und den Malprozess.

Info
Eröffnung und Aktionen

Bei der Ausstellungseröffnung heute um 20 Uhr in der Galerie der Stadt Backnang, Petrus-Jacobi-Weg 1, sprechen Erster Bürgermeister der Stadt Backnang, Siegfried Janocha (Begrüßung) und Galerieleiter Martin Schick (Einführung).

Begleitprogramm – Samstag, 16. März, 10 bis 13 Uhr: „Dazwischen“, Kunstaktion für Kinder von sechs bis zehn Jahren. Anmeldungen bis 14. März. Unter dem Titel „Übergänger“ gibt es am Samstag, 23. März, von 10 bis 13 Uhr eine Kunstaktion für Jugendliche von elf bis fünfzehn Jahren. Anmeldungen bis 21. März. Telefonnummer 07191/894-477.

Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 17 bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 19 Uhr.

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Erstellt:
15. Februar 2019, 06:00 Uhr

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