Studie zu Zuschauerverhalten
Die TV-Krimiflut reißt nicht ab
Mord und Totschlag haben im Fernsehen Hochkonjunktur und machen mittlerweile mehr als die Hälfte des fiktionalen Konsums aus. Wer trägt die Hauptverantwortung?
Von Martin Weber
Krimis sind weiterhin überaus beliebt: Mord und Totschlag brechen zwar schon seit Jahren mit ungebremster Wucht über die Fernsehzuschauer herein, doch das, was nun eine neue Studie ergeben hat, lässt dann doch aufhorchen: Mehr als die Hälfte der Zeit, die Zuschauer mit Spielfilmen, Serien und anderen fiktionalen Sendungen verbringen, lässt sich dem Genre Krimi zuordnen. Das geht aus der in der Zeitschrift „Media Perspektiven“ veröffentlichten Studie „Tendenzen im Zuschauerverhalten“ hervor.
Ein Wert, der seit Jahren konstant steigt: Machten Krimis 2013 noch 41 Prozent des Fictionkonsums aus, so waren es 2018 bereits beachtliche 44 Prozent und 2023 satte 51 Prozent. An „Tatort“ und Co. führt im Fernsehen offenbar kein Weg mehr vorbei, viele Zuschauer lieben die Geschichten um brutale Mörder, verzweifelte Angehörige und mehr oder weniger sympathische Kommissare und Ermittlerinnen, die der Gerechtigkeit meistens zum Sieg verhelfen.
Liebesfilme bringen es nur auf neun Prozent Anteil
„Alle anderen Stoffe, Genres und Themen erzielten 2023 deutlich geringere Nutzungsanteile im Vergleich zu den Krimiformaten“, heißt es in der gemeinsamen Studie von ARD und ZDF. Beispiele gefällig: Liebesfilme brachten es in diesem Jahr auf gerade mal neun Prozent Anteil am gesamten Fictionkonsum, Komödien und Sitcoms auf sieben und Actionfilme auf sechs Prozent.
Die restlichen Genres wie Familienfilme oder Arztserien scheitern allesamt an der Fünf-Prozent-Hürde und würden, wären sie politische Parteien, bei einer Bundestagswahl den Einzug ins Parlament verpassen. Ein Parlament wohlgemerkt, in dem die Krimifraktion mit 51 Prozent die absolute Mehrheit auf sich vereinigen würde und nicht einmal koalieren müsste – das Verbrechen Krimi beherrscht das deutsche Fernsehen wie nie zuvor.
Sieht man sich die Liste der erfolgreichsten Fernsehserien an, wird die Dominanz von Mord und Totschlag noch deutlicher: Von den 30 Serien und Reihen, die 2023 die meisten Zuschauer vor den Bildschirm lockten, können gerade mal zwei nicht dem allgewaltigen Krimigenre zugeordnet werden, und zwar die beliebte Weißkittel-Saga „Der Bergdoktor“ mit Publikumsliebling Hans Sigl sowie die Arztserie „Dr. Nice“, beide laufen im ZDF. Davon abgesehen finden sich nur Krimis auf der Top-30-Liste, vom Marktführer „Tatort“, der im vergangenen Jahr sonntags im Ersten durchschnittlich 7,9 Millionen Zuschauer anlockte, über den „Polizeiruf 110“ (ARD), die ZDF-Serien „Nord Nord Mord“ und „Wilsberg“ bis zu „Marie Brand“, „Helen Dorn“, „Die Toten vom Bodensee“, „Nord bei Nordwest“, „Der Zürich-Krimi“, „Die Chefin“ und wie sie alle heißen. Völlig klar, dass an der Spitze der meistgesehenen Einzelsendungen überhaupt ebenfalls ein Krimi steht: Den Anfang März 2023 ausgestrahlten „Tatort: Magic Mom“ mit den Quotenbringern Jan Josef Liefers und Axel Prahl als Ermittlerduo Boerne und Thiel aus Münster sahen 13,9 Millionen Menschen, was einem satten Marktanteil von 40,5 Prozent entsprach. Da hatte im selben Jahr selbst Thomas Gottschalk mit „Wetten, dass…?“ und knapp 12,9 Millionen Zuschauern das Nachsehen.
Jüngere schauen auch gern Komödien und Actionfilme
Und wer trägt die Hauptverantwortung für die alles unter sich begrabende Krimiflut, mit der die Sender schließlich nur auf den Mordshunger eines immer älter werdenden Fernsehpublikums reagieren? Eben die Alten sind’s laut Studie, denn: „Während jüngere Zuschauer also in nennenswertem Ausmaß zum Beispiel auch Komödien- und Actionstoffe rezipieren, konzentrieren sich die älteren deutlich stärker auf Krimis. Und wenn Letztere einen immer größeren Teil des Fernsehpublikums ausmachen, ist eine immer größere Krimi-Nachfrage nur die logische Konsequenz.“