Tanztheater „Waves” im Theater Rampe

Echokammern der Angst

Im Theater Rampe ist das Tanztheater „Waves” aufgeführt worden: Für das Ensemble von Backsteinhaus Produktion erforschte die bildende Künstlerin Natascha Moschini die Angst vor der Krise.

Szene aus „Waves“ im Theater Rampe.

© Theater Rampe/Dominique Brewing

Szene aus „Waves“ im Theater Rampe.

Von Petra Mostbacher-Dix

Prima Stuhlkreis, auf dem das Publikum da Platz nimmt! Wäre er ein ganzer Kreis. An einer Stelle scheint das Rund gesprengt – wild liegende Sitze, sich wölbender Tanzboden, dunkel glitzernde Wasserlachen. Tsunami, Erdrutsch, doch Rohrbruch? Klar ist nur, drei Personen in knallgrünen Handschuhen versuchen Ordnung ins Chaos zu wischen. Heinrich Horwitz, Isabelle von Gatterburg und Felipe Amaya Gonzalez kreisen Pfützen ein, lassen Handtücher aufsaugen, pausieren, unterhalten sich auf Englisch. Über eine Vorführung, die wohl ein Jahrhundert lang gedauert habe, die Performenden hätten nicht mehr gewusst, dass sie performten. „Sie versuchten herauszufinden, was Angst bedeutet, indem sie ein Loch gruben und eine Mauer bauten“, so Horwitz, so schön stoisch Thema und Tun setzend.

Die Kunst und Ängste

Das Tanztheater „Waves”, nun im Theater Rampe uraufgeführt, ist Teil der Reihe „Paläste der Angst“ von Backsteinhaus Produktion. Diese erkunde das Potenzial, wie man in der Kunst gesellschaftliche Ängste angehen könne, so die künstlerische Leiterin und Choreografin Nicki Liszta. „Unser Bedürfnis nach Good News, Solidarität und gemeinsamen positiven Erlebnissen ist groß.“ Backsteinhaus Produktion suche daher mit anderen Kunstschaffenden, Institutionen und Menschen der Stadt nach Strategien, die in einem kritischen Kosmos eine positive Haltung erlaubten.

Für „Waves“ bat sie Natascha Moschini, ihre Perspektive zu zeigen. Und die bildende Künstlerin interessiert die Angst vor der Krise, der Zwischenraum des „Davor“ und „Danach“. „... es könnte nach einer Flut, einem Rohrbruch, einem Hochwasser oder einfach nach einer Wucht sein. Wahrscheinlich kommt sie wieder, aber es ist nicht sicher....“, so Moschini und kreierte eine Revue tänzerischer und körperliche Schutz-Praktiken, wo die Tröpfchen nur so sprühen.

Horwitz, von Gatterburg und Gonzalez schieben, robben, ringen sich voran, wirbeln, verdrehen und schlagen die Handtücher knallend auf den Boden, um sie teils auf den Schößen Zuschauender zu platzieren. Die gehören quasi zum Katastrophenteam. Bei hellem Saallicht setzen sich die drei fröhlich in den Kreis zum Plaudern. „Was war die Frage?“ – „Wie geht’s?“ – „Siehst du das Loch?“, wollen sie wissen, antworten mit dem Stuhlkreisklassiker „Danke, dass du das mit uns geteilt hast“. Und dann? Gemeinsam aufgeben? Im Loch ist nichts zu finden, nur Schlamm und kalte Feuchte. Also auf zur Mauer! Das heißt aufstehen. Stuhl für Stuhl wird dem Kreis entzogen, aufgetürmt zur Barrikade. Horowitz reckt obenauf den Arm wie „Marianne“, die Freiheit symbolisierende Nationalfigur Frankreichs. Doch auch auf dem Gipfel – nichts. „Nur windig, kalt, nass!“

Die Klanglandschaft gehört mit zur Inszenierung

Diese Explorationen und Reaktionen spiegelt Musiker und Komponist Heiko Giering. Nicht nur analog mit Gitarre singt er „I am afraid of everything“. Auch digital nimmt er im Foyer und Saal auf, legt Töne und Gemurmel live zum Soundscape übereinander, bildet eine laut anschwellende, rhythmische Klanglandschaft aus „Realitätsebenen und Räumen“, Teil von Moschinos Bühnenbild aus Vergangenheit und Gegenwart.

Fazit? In knapp einer Stunde entmantelt „Waves“ kurzweilig knackig die Echokammern der Ängste, ausgelöst durch Wellen, die mannigfach durchs Land rollen, etwa der Hitze, Einbrüche, falscher Anrufe, Empörung ... . Sprache ist Macht, der Mensch verletzlich, die Gesellschaft ambivalent. Jeder Kreis, der einschließt, schließt auch aus, stellt in der Mitte bloß. Die Lösung? Offen. Gut so! Austausch ist angesagt, um die Macht von Angst und Polarisierung zu brechen.

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Erstellt:
16. Dezember 2024, 10:30 Uhr

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