Ein Architekturpreis geht nach Backnang

Der Backnanger Architekt Jörg Wolf hat mit seinem Büro einen von 24 Preisen des Wettbewerbs „Beispielhaftes Bauen“ der Architektenkammer erhalten. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichtet er, was das ausgezeichnete Hotel Emilu ausmacht und was Architektur für ihn bedeutet.

Die Auszeichnung der Architektenkammer bestätige ihn in dem, was er tue, sagt Architekt Jörg Wolf.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Auszeichnung der Architektenkammer bestätige ihn in dem, was er tue, sagt Architekt Jörg Wolf.Foto: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Am 1. September 2021 hat das Designhotel Emilu in Stuttgart seine Türen für Gäste geöffnet. Untergebracht in einem ehemaligen Bürogebäude hat das Haus durch den Umbau in den zurückliegenden Jahren eine Metamorphose durchlebt. Und zwar eine durchaus sehenswerte: Vom nüchternen Verwaltungskasten aus den 1960er-Jahren hat sich das einstige Europahaus in einen Designklassiker verwandelt. Das Gebäude wurde entkernt und um zwei Etagen aufgestockt. Die 90 Zimmer und Suiten haben bodentiefe Fenster mit Blick auf die Stadt. Die Fassade fügt sich zeitlos-schlicht in ihre Umgebung ein. Für diese gelungene Umgestaltung hat die Architektenkammer Baden-Württemberg nun das Büro Wolf Architekten/Ingenieure aus Backnang und das Stuttgarter Büro Blocher Partners mit einer von 24 Auszeichnungen des Wettbewerbs „Beispielhaftes Bauen“ bedacht (siehe Infotext).

Architekt Jörg Wolf freut sich darüber. „Die Auszeichnung von der Kammer ist schon etwas Besonderes“, sagt er. „Wir sind stolz darauf.“ Die Herausforderung an dem Projekt, berichtet er, war der Umbau im Bestand. Das Emilu befindet sich mitten in Stuttgart, direkt hinter dem Rathaus. „Das Hotel musste ins Stadtbild passen“, erklärt Wolf. „Es durfte nicht den Anspruch eines Solitärs haben, sondern musste sich in den vorhandenen Gebäudekomplex einfügen.“

Das Hotel Emilu befindet sich hinter dem Stuttgarter Rathaus. Foto: W.-D. Gericke

Das Hotel Emilu befindet sich hinter dem Stuttgarter Rathaus. Foto: W.-D. Gericke

Als zeitgemäße Interpretation eines klassischen Hotelgebäudes zeigt das Emilu deutlich die Handschrift von Jörg Wolf sowie seinen Kolleginnen und Kollegen. „Wir versuchen, nicht modisch zu sein, sondern klassische Formen zu nutzen, die Bestand haben. Außerdem legen wir sowohl innen als auch außen Wert auf hohe Qualität.“ Für Wolf hat ein Architekt in erster Linie zwar die Aufgabe, mit einem Umbau oder einem neuen Gebäude eine Maßanfertigung für den Kunden zu schaffen. Viele seiner Projekte weisen dennoch Gemeinsamkeiten auf: lichtdurchflutete Räume, offene Grundrisse, großflächige Verglasungen. „Das sind die Themen, die mir wichtig sind“, sagt Wolf.

Wichtiger als die Projekte seien ihm aber die Menschen, ordnet er ein. „Es geht darum, dass sie zufrieden sind. Wir suchen das Optimum für den Kunden, setzen seine ästhetischen Erwartungen um.“

Seit seiner Gründung im Jahr 1996 hat das Büro Wolf Architekten/Ingenieure etwa 600 bis 700 Projekte realisiert – vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz, vereinzelt aber auch in Frankfurt am Main oder Berlin. Zwischenzeitlich gab es noch weitere Standorte in Deutschland, unter anderem in München. Mittlerweile ist Backnang wieder alleiniger Standort.

Dass er sein Büro in Backnang haben würde, das stand für den 1962 in der Stadt geborenen Jörg Wolf von Anfang an fest. „Warum sollte ich hier weg? Man hat hier alles“, erklärt er. „Mit dem Fahrrad ist man sofort im Schwäbisch-Fränkischen Wald, mit der Bahn innerhalb von einer halben Stunde in Stuttgart.“ Dass er später einmal Architekt werden wollte, wusste Jörg Wolf schon als Schüler, mit 16 oder 17 Jahren. Der Vater war Bauingenieur, „ich bin mit dem Bauen groß geworden“, sagt Wolf, „wenn auch auf ausführender Seite.“ An seinem Beruf reizt ihn die Vielseitigkeit. „Ein Architekt ist im Grunde genommen ein Generalist. Man ist vom Entwurf bis zur Baumaßnahme dabei, muss kreativ sein, aber auch organisieren können.“

Schon 1991 machte Wolf sich selbstständig

Bis 1989 studierte Jörg Wolf in Stuttgart Architektur, anschließend arbeitete er für verschiedene Architekturbüros. Schon 1991 machte er sich selbstständig. In Backnang bezog er zunächst Räumlichkeiten in der Gerberstraße, später zog sein Büro in die Blumenstraße um. Seit 2016 befindet es sich in der Schillerstraße. Dort stehen Designmöbel auf dem Parkett, an den hohen weißen Wänden hängen großformatige Poster abgeschlossener Projekte.

Das Angebot des Architekturbüros reicht vom simplen Anbau bis zum Hochhaus. Zu den bekannteren aktuellen Projekten im Rems-Murr-Kreis gehören beispielsweise der Schwabenlandtower in Fellbach oder auch der neue Wellnessbereich des Hotels Sonnenhof in Aspach.

Die Arbeiten am Emilu begannen 2017, die Pandemie bremste das Voranschreiten jedoch aus, sodass es etwas später als geplant fertiggestellt wurde – unter anderen Vorzeichen als zu Beginn, mit veränderten Parametern, geprägt vom Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der Inflation. Doch als größte Herausforderung, die vor seiner Zunft liegt, benennt Jörg Wolf nicht etwa die hohen Baukosten, die gestiegenen Zinsen oder den Fachkräftemangel. Die wichtigste Aufgabe für Architekten sei in naher Zukunft, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, und das auch noch möglichst CO2-neutral, nach ökologischen Gesichtspunkten. „Das ist ein Riesenthema“, betont er.

Um diesen Spagat zu schaffen, hat Wolf 2015 die Firma Urban.Now gegründet. Zu einem Zeitpunkt, als viele Menschen vor dem Bürgerkrieg aus Syrien nach Deutschland flüchteten. Seither sei der Bedarf an sozialem Wohnraum nur gestiegen, sagt er. Denn das Problem betreffe in Zeiten der Wohnungsknappheit nicht nur Zugezogene.

Wettbewerb „Beispielhaftes Bauen“

Preis Die 24 Auszeichnungen des Wettbewerbs „Beispielhaftes Bauen“ der Architektenkammer Baden-Württemberg gehen jeweils gleichermaßen an Bauherrinnen und Bauherren sowie an Architektinnen und Architekten. Bei der Entscheidungsfindung legte die Jury folgende Kriterien zugrunde: Äußere Gestaltung, Maß und Proportion des Baukörpers, innere Raumbildung, Zuordnung der Räume und Zweckmäßigkeit; Angemessenheit der Mittel und Materialien, konstruktive Ehrlichkeit; Einfügung und Umgang mit dem städtebaulichen Kontext und der Umwelt; Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch, sozial).

Preisverleihung Die Urkunden und Plaketten werden den Siegern am 23. November im Rathaus Stuttgart ausgehändigt, sie werden überdies mit einer Ausstellung, einer Broschüre, im Internet sowie in der App Architekturführer Baden-Württemberg der Öffentlichkeit vorgestellt. golo

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Erstellt:
3. November 2023, 06:00 Uhr

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