Ein Opernabend, der Natur gewidmet

Das 24. classic-ope(r)n-air kann am 18. Juni ohne Einschränkungen auf dem Backnanger Marktplatz stattfinden. Unter der Leitung von Rainer Roos treten 47 Musiker und drei Solisten auf. Der Abend steht unter dem Titel „Klanglandschaften“. Er will den Zeigefinger auf die Natur richten.

Auf diese Kulisse dürfen sich die Besucher des classic-ope(r)n-airs in diesem Jahr wieder freuen: volle Bänke vor der Bühne auf dem Marktplatz. Archivbild: Alexander Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Auf diese Kulisse dürfen sich die Besucher des classic-ope(r)n-airs in diesem Jahr wieder freuen: volle Bänke vor der Bühne auf dem Marktplatz. Archivbild: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Es war ein kleines Wagnis, das Dirigent Rainer Roos und Kulturamtsleiter Johannes Ellrott eingegangen sind. Denn das Programm des classic-ope(r)n-airs wird immer schon mehr als ein Jahr im Voraus zusammengestellt – für die diesjährige Aufführung also im Frühjahr 2021. Zu dem Zeitpunkt war noch nicht absehbar, ob das Klassik-Highlight des Backnanger Bürgerhauses wie vor der Pandemie in vollem Umfang stattfinden können würde oder nicht. „Wir hatten natürlich einen Plan B in petto“, gibt classic-ope(r)n-air-Leiter Roos zu. Wobei der ihn nicht geschreckt hat: „Wir haben quasi zwei Jahre lang trainiert, wie man die Sitzpläne kurzfristig anpassen kann.“ 2020 stellte der Stadtjugendring ein Kulturautokino in den Etzwiesen auf die Beine, bei dem auch die Klassikhörerinnen und -hörer nicht zu kurz kamen. 2021 trat Roos zwar wieder auf dem Marktplatz auf, jedoch in einer abgespeckten Variante, mit einem elf Personen umfassenden Orchester, zwei Solistinnen und zwei Solisten.

Sopranistin Graciela de Gyldenfeldt wird zum ersten Mal in Backnang auftreten

Dieses Jahr fallen die Beschränkungen endlich ganz weg: Insgesamt 47 Musiker – Mitglieder des Staatsorchesters Stuttgart und der Stuttgarter Philharmoniker – sowie zwei Solisten und eine Solistin werden am 18. Juni zusammen mit Roos auf der Bühne stehen. Tenor Aaron Cawley und Bassbariton Matias Tosi sind in Backnang keine Unbekannten. Beide haben mehrfach am classic-ope(r)n-air teilgenommen. Für die Sopranistin Graciela de Gyldenfeldt wird es die Premiere auf dem Backnanger Marktplatz. Sie sang bereits Ende der 1980er-Jahre die Carmen in der gleichnamigen Oper von Georges Bizet an der Wiener Staatsoper. „Da lag es nahe, dass sie auch bei uns die Carmen singt“, sagt Roos. Der brasilianische Startenor Gustavo Quaresma, der ursprünglich eingeplant war, musste aus familiären Gründen absagen.

Roos hofft auf einen Abend wie vor der Pandemie, unbeschwert, frei. Das Publikum und das große Orchester habe er natürlich vermisst, sagt der Dirigent, der seit 2011 Chefdirigent der traditionsreichen „Strauss- Capelle Wien“, seit der Spielzeit 2014/15 zudem Intendant der renommierten Opernschlossfestspiele Zwingenberg am Neckar ist. Gleichzeitig sei er aber auch stolz auf die vielen jungen Menschen, die die Alternativauftritte 2020 und 2021 auf die Beine gestellt haben, „mit viel ehrenamtlichem Engagement“. „Das große Ausrufezeichen dahinter ist ja: Wir haben durchgehalten und es hat jedes Jahr etwas stattgefunden“, betont er. Es sei ein „riesengroßer Spaß“ gewesen in den Etzwiesen. Auf dem Backnanger Marktplatz, vor dem Hintergrund der Stiftskirche (den Roos nur von Fotos kennt, da er ja selbst auf der Bühne steht), herrsche aber eine einmalige Atmosphäre.

Das diesjährige classic-ope(r)n-air trägt den Titel „Klanglandschaften“. Die Stücke im Programm habe er am Thema entlang ausgesucht, dieses solle allerdings auch nicht alles andere zurückdrängen. Der Schwerpunkt, sagt Roos, seien jedoch die besagten Klanglandschaften oder Landschaftsklänge: „Man kann den Begriff ja auch umdrehen.“ Dazu gehört etwa „Die Moldau“ von Bedřich Smetana, die den Verlauf eines Flusses musikalisch darstellt, mit seinem Ursprung aus den beiden Quellen, den Stromschnellen, der finalen Mündung in die Elbe. „Wir möchten den Zeigefinger auf die Natur richten“, erklärt Roos. „Uns Menschen wurde eine wunderbare Natur geschenkt. Wir müssen nur hinausgehen und sie wahrnehmen.“ Das, sagt er, haben auch schon große Komponisten wie Ludwig van Beethoven oder Antonio Vivaldi getan.

Das classic-ope(r)n-air startet denn auch ruhig und bedächtig mit Felix Mendelssohn Bartholdys Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt“. „Die meisten würden wohl mit einem Paukenschlag wie ‚Carmen‘ einsteigen“, sagt Roos. Nach der Pandemie ist ihm jedoch nach etwas anderem zumute. „Zum ersten Mal in der Geschichte des Christentums hat an Ostern keine Messe stattgefunden – ein einmaliger Stillstand in der Geschichte der Menschheit“, führt der Dirigent aus. „Deshalb möchte ich den Abend aus der Stille heraus beginnen. Ich hoffe, dass das Publikum dafür die nötige Konzentration aufbringt.“ Anschließend solle der Konzertabend Fahrt aufnehmen.

Im Programm stehen unter anderem „Der Bajazzo“ und „La Gioconda“

Außerdem stehen im Programm etwa der Prolog des Tonio aus der Oper „Der Bajazzo“ von Ruggiero Leoncavallo, die Arie „Cielo e mar“ aus „La Gioconda“ von Amilcare Ponchielli, aber auch Louis Armstrongs Song „What a Wonderful World“.

Erstmals mit dem Orchester proben wird Roos am Donnerstag kommende Woche in Stuttgart. „Wir sind ja alle Profis, eine lange Probenphase gibt es bei uns nicht“, sagt er. Am Freitag folgt die Probe mit den Solisten, bevor am Samstag, am Tag der Aufführung, alle Teilnehmenden und das Equipment auf den Marktplatz transportiert werden. Von 17 bis 19.30 Uhr werden die verschiedenen Parts und die Technik zusammengesetzt, sagt Roos, „danach haben alle eine Stunde Pause und dann geht’s los“.

Der Dirigent freut sich schon „irrsinnig“ auf den Abend, genauso wie Johannes Ellrott, der seit Sommer 2020 das Backnanger Kulturamt leitet und für den es das erste voll bestuhlte classic-ope(r)n-air überhaupt sein wird. Mehr als 1000 Stühle werden am 18. Juni auf dem Marktplatz platziert sein, im Jahr zuvor waren es nur knapp 500.

Mit den Kartenverkäufen ist Ellrott sehr zufrieden. „Wir haben jetzt schon über 600 Tickets verkauft. 200 Schönwettertickets halten wir immer zurück“, berichtet er. Diese könne man reservieren oder am Abend selbst erstehen – falls noch welche da sind. Das Backnanger Bürgerhaus sei in dieser Spielzeit mit den Ticketverkäufen auf Sicht gefahren, so Ellrott. Erst vor zwei Monaten habe man begonnen, Karten zu verkaufen. Vor der Pandemie konnte man sich diese schon ein Jahr im Voraus sichern. Doch nun stehe alles in den Startlöchern, sagt der Kulturbeauftragte. Jetzt bleibe ihm nur noch zu hoffen, dass das Wetter mitspiele – sowohl beim classic-ope(r)n-air wie auch beim Straßenfest eine Woche später.

Tickets Für den Konzertabend sind noch Restkarten aller Kategorien verfügbar. Diese kosten zwischen 26 (ermäßigt 22) und 38 Euro. Erhältlich sind sie im Internet unter www.easyticket.de. Sogenannte „Dinner& Konzert“-Tickets bieten die Betreiber des Restaurants Kunberger an. Sämtliche Informationen dazu erhält man unter der Telefonnummer 07191/3448886.

Archivbild: Edgar Layher

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Archivbild: Edgar Layher

„Uns Menschen wurde eine wunderbare Natur geschenkt. Wir müssen nur hinausgehen und sie wahrnehmen.“

Rainer Roos, Dirigent

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Erstellt:
11. Juni 2022, 06:00 Uhr

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