Ein Zeitzeuge und Akteur erzählt

Klaus Erlekamm schildert in seinem Buch „Backnanger Sternstunden“ die Geschichte des Kulturzentrums Stiftshof

Backnang und Kultur: Das ist eine spannende, zuweilen aufregende, fröhliche, traurige, in der Summe aber höchst erfreuliche Geschichte. Stationen aus den vergangenen Jahrzehnten, die aus Backnang auch eine Kulturmetropole mit einem einzigartigen Kulturzentrum auf dem Burgberg gemacht haben, zeichnet der frühere Kulturamtsleiter Klaus Erlekamm in seinem Buch „Backnanger Sternstunden“ nach.

Buchpräsentation am Ort der Handlung, dem Kulturzentrum Stiftshof (von links): Martin Schick, Ernst Hövelborn, OB Frank Nopper und Autor Klaus Erlekamm. Fotos: A. Becher, Archiv

© Pressefotografie Alexander Beche

Buchpräsentation am Ort der Handlung, dem Kulturzentrum Stiftshof (von links): Martin Schick, Ernst Hövelborn, OB Frank Nopper und Autor Klaus Erlekamm. Fotos: A. Becher, Archiv

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Es hätte auch alles anders kommen können. Anfang der 1980er-Jahre litt die Schickhardt-Realschule an ihren Standorten Stiftshof (Turmschulhaus und Bandhaus) und Stuttgarter Straße 54 an akuter Raumnot, erinnert sich Klaus Erlekamm. Zu seinem Aufgabengebiet als damaliger Hauptamtsleiter der Stadt Backnang gehörten Schulen und Kultur. „In einer Sitzungsvorlage vom Juni 1984 schlug das Hochbauamt dem Gemeinderat vor, die Schickhardt-Realschule im Stiftshofbereich zu belassen, Bandhaus und Turmschulhaus durch einen zweigeschossigen Zwischenbau zu verbinden und im Gewölbekeller des Bandhauses den Bereich Werken einzurichten“, schreibt Erlekamm, der damals so ganz und gar nicht hinter diesen Plänen stand. Ihm schwebte eine kulturelle Nutzung der Gebäude vor. Auch wollte er nicht, dass der Kleinkunstverein „Maulwurf“ seine Spielstätte im Bandhauskeller verliert. Unterstützt wurde er dabei vom Heimat- und Kunstverein und dessen Vorsitzendem Ernst Hövelborn und vom Schwäbischen Heimatbund.

1985 traf der Gemeinderat schließlich eine Grundsatzentscheidung zugunsten der kulturellen Nutzung von Bandhaus und Turmschulhaus. „Es war aus heutiger Sicht genau die richtige Entscheidung – sowohl für die Schule als auch für die Kultureinrichtungen in Backnang“, sagt Erlekamm bei der Vorstellung seines Buches. Glücklicherweise kam es auch nicht zu einer architektonischen Verdichtung des freien Raums zwischen Stadtturm, Bandhaus und Helferhaus.

1992 zog die Schickhardt-Realschule in einen Neubau bei der Mörikeschule um. Im selben Jahr stellte Erlekamm seine Kulturkonzeption vor, die die Basis so ziemlich all dessen ist, was heute rund um den Stiftshof kulturell geboten ist. Obendrein beinhaltete das Kursbuch für die kulturelle Entwicklung der Stadt beispielsweise Ideen für die künftige Unterbringung der Stadtbücherei, des Stadtarchivs und der Jugendmusik- und Jugendkunstschule.

Dokumentation und

Nachschlagewerk zum Schmökern

Wie alles in der Folgezeit gelaufen ist, das kann man in den „Backnanger Sternstunden“ nachlesen. Erlekamm, der ja sowohl Zeitzeuge als auch Akteur dieser Geschichte ist und 1993 Kulturamtsleiter der Stadt Backnang wurde, beleuchtet das zahlreiche Kapitel umfassende Thema aus unterschiedlichen Richtungen. Mit dem Ergebnis, dass nun eine Dokumentation und eine Art Nachschlagewerk in Sachen Kultur und Stadtentwicklung vorliegt. Wunderbar lässt es sich darin schmökern. Der Autor hat sich unterschiedlicher Quellen bedient, die vom Weihnachtsbrief eines Backnanger Oberbürgermeisters bis hin zu Ausschnitten aus Frieder Nögges Rundbriefen an die Mitglieder des Fördervereins Freunde des Nögge-Atelier-Theaters sowie Schlagzeilen und Zitaten aus Zeitungsartikeln reichen. Erzählt wird auch die Geschichte des baugeschichtlichen Kuriosums Turmschulhaus, das auf dem Grund des einstigen Kirchenschiffs der Michaelskirche errichtet wurde, bis zur heutigen Galerie der Stadt. Mit seiner detaillierten und nahezu lückenlosen Beschreibung der Geschehnisse frischt Erlekamm das kollektive Gedächtnis der Backnanger auf. In vielen Köpfen präsent ist sicher noch, dass Erlekamm der Backnanger Künstlergruppe 1993 vorschlug, die geplante Weihnachtsausstellung im Turmschulhaus zu präsentieren. Der gotische Chor war zu der Zeit noch in Stockwerke unterteilt, ein Treppenhaus führte zu den Ebenen im Chor. Was aber kam nach der legendären Kulturbaustelle? Erlekamm konnte sich eine Galerie für experimentelle Kunst vorstellen. Zusammen mit Rosemarie Ehinger und Rolf Zehender kuratierte er unter dem Titel „Kultur unterm Stadtturm/Turmschulhaus Stiftshof“ in den folgenden drei Jahren jeweils fünf bis sechs Ausstellungen für diesen besonderen Kulturraum. Unvergessen sind etwa die Ausstellungen von Studenten der Stuttgarter Kunstakademie.

Als der heutige Kulturamtsleiter Martin Schick 1997 zunächst als Leiter der Städtischen Galerie nach Backnang kam, habe dieser die Galerie professionalisiert, so Erlekamm. Noch in die Amtszeit Erlekamms (bis 2003) und in dessen Zeit als Vorstandsmitglied der Fördervereine Atelier-Theater und Freunde des Kulturzentrums Stiftshof fallen die Sternstunden des Nögge-Atelier-Theaters, der Schule für Improvisationstheater und Schauspiel von Frieder Nögge sowie des Traumzeit-Theaters, des Zaubertheaters Pegasus, des Kalanag-Museums, des Zaubercafés, der Varieté-Schule und des Deutschen Zauberzentrums unter Leitung von Michael Holderried. Aber auch das Ende der Einrichtungen hat Erlekamm hautnah miterlebt. Die umstrittene Skulpturentreppe als Fluchttreppe am Turmschulhaus wurde 2001 gebaut. Das Graphik-Kabinett im Helferhaus ist 2002 eröffnet worden.

Auch was in der Zeit seines Ruhestands auf dem Backnanger Burgberg kulturell bewegt wird, verfolgt Erlekamm bis zum heutigen Tag ganz genau. Und so hat er in die „Backnanger Sternstunden“ überdies die Entwicklungen und Höhepunkte der jüngsten Zeit aufgenommen. Auch auf „50 Jahre Heimat- und Kunstverein Backnang im Helferhaus“ geht der Autor ein.

Sein Buch sieht Erlekamm als „kulturelle Geschichtsschreibung der Stadt Backnang“. Als Dokumentation der vielen Höhepunkte in den vergangenen 25 Jahren, aber auch der Niederlagen – wie bei den harten inhaltlichen Kämpfen im Gemeinderat, als es um die Umgestaltung des gotischen Chors und des Turmschulhauses ging. Erlekamm beschreibt dazu eine der emotionalsten Sitzungen, die er je erlebt hat. Als die Pläne des Architekten Johannes Manderscheid mit einer Stimme Mehrheit im Gremium gekippt wurden, war die Welt der Kulturschaffenden zunächst einmal nicht mehr in Ordnung. Doch schließlich versöhnten sie sich mit dem Ergebnis, dem heutigen Istzustand der Galerie. Seine Rolle in der Entwicklung der Kultureinrichtungen in Backnang beschreibt Erlekamm bei der Buchpräsentation so: „Wenn eine Situation eintritt, müssen Sie beherrscht zugreifen. Es gehört Mut und Risiko dazu. Doch wenn man das nicht macht, hat man von vornherein verloren.“

Das Buch von Klaus Erlekamm „Backnanger Sternstunden“ mit Vorworten von OB Nopper, Ernst Hövelborn und Martin Schick umfasst 242 Seiten und 270 Abbildungen und kostet 24,90 Euro. Es ist bei BoD – Books on Demand, Norderstedt, erschienen und kann in den BKZ-Geschäftsstellen und im Buchhandel bestellt werden.

Plakat zu einer Vorstellung des Zauberers Kalanag mit spezieller Widmung.

Plakat zu einer Vorstellung des Zauberers Kalanag mit spezieller Widmung.

Der Theaterclown Frieder Nögge. Er betrieb zusammen mit Nina Haun das Atelier-Theater.

© mm

Der Theaterclown Frieder Nögge. Er betrieb zusammen mit Nina Haun das Atelier-Theater.

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Erstellt:
29. März 2019, 06:00 Uhr

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