Eine Adventsgeschichte zum Vorlesen für Kinder

Von Melanie Maier

Weissach im Tal. Als Erzieherin ist Carola Betz ein kritisches Publikum gewohnt: Quatschen die Kindergartenkinder, schauen sie, was ihre Sitznachbarin oder ihr Sitznachbar gerade macht, oder hören alle beim Vorlesen gebannt zu? Wie ihre Schützlinge auf Texte reagieren, ist für die 60-jährige Unterweissacherin quasi ein Gradmesser. Den hat sie zum ersten Mal vor vier oder fünf Jahren genutzt, als sie ihre Geschichte über das Engelskind Tine beim jährlichen Adventsstuhlkreis im Kindergarten Liebigstraße vorgetragen hat.

Abends setzt sie sich an den Schreibtisch

Dass sie damals nicht einfach zu einem Buch gegriffen habe, sei eine Trotzreaktion oder Verzweiflungstat gewesen, sagt Carola Betz. „Ich habe ein Buch zum Thema Engel gesucht, aber ich habe nichts gefunden, was mir gefallen hat.“ Deshalb setzte sich die Erzieherin kurzerhand selbst an den Schreibtisch. Jeden Abend schrieb sie den nächsten Teil der Geschichte über Tine, die vom Himmel auf die Erde fällt, weil sie sich anschauen möchte, wie die Menschen dort unten Weihnachten feiern. Während Tine sich ganz alleine auf der Erde zurechtfinden muss, machen sich ihre drei Freundinnen Pauline, Susi und Mimi auf die Suche nach ihr, gewappnet mit Kerzen des Oberengels, die ihnen den Weg zeigen.

„Ich hatte ziemlich schnell eine Idee, wie die Geschichte anfangen und enden soll“, berichtet Carola Betz. „Zwischendrin hatte ich manchmal nur keine Ahnung, wie es weitergehen soll.“ Oft sei die Handlung auch von den Kindern weiterentwickelt worden. „Sie haben immer wieder eigene Vorschläge eingebracht“, sagt Carola Betz.

In nur drei Wochen geschrieben

Innerhalb von drei Wochen war die Geschichte fertig – denn sie musste ja noch vor Weihnachten, im Adventsstuhlkreis, zu Ende erzählt werden. Dass sie erst jetzt veröffentlicht wurde, liegt daran, dass Carola Betz sich lange nicht traute, mit ihrer Geschichte auf einen Verlag zuzugehen. „Ich dachte, das würde keinen interessieren“, sagt sie. Deshalb lag der Text jahrelang in ihrer Schublade. Im Januar dieses Jahres wandte sie sich ans Verlagshaus Schlosser, einen kleinen Verlag bei München, und bekam schnell eine Zusage. Für Carola Betz ging damit ein Traum in Erfüllung.

Das Buch ist geeignet für Kinder ab drei Jahren, doch auch Erwachsene können die Geschichte gut lesen, meint die Autorin. Bunte Zeichnungen der freien Illustratorin Diana Fawwaza bebildern die Geschichte. Sie zeigen Situationen aus dem Text.

Bevor sie „Plötzlich war Tine weg“ schrieb, hatte Carola Betz schon hin und wieder einzelne Geschichten für die Kinder im Kindergarten, zum Vorlesen, verfasst. Das Buch ist ihr erster längerer Text. Eine Idee für ein weiteres Buch habe sie bereits im Kopf, verrät die Erzieherin. „Darin geht es um eine Kerze, die zu Weihnachten nicht verkauft werden kann, weil sie zu klein ist. Sie kommt in einen Keller und trifft dort auf einen Stern, dem eine Zacke fehlt.“ Das Thema Weihnachten hat es Carola Betz angetan. Man darf gespannt sein, ob sie im kommenden Jahr ihr nächstes Buch in den Händen halten wird.