Neu im Kino

Eine iranische Popikone zwischen Himmel und Hölle

Voller Bewunderung erzählt die spannende Doku „Googoosh – Made of Fire“ vom wechselvollen Leben einer iranischen Künstlerin.

Eine Szene aus der Doku: Die Iranerin Googoosh (rechts) steht schon sehr lange auf der Bühne.

© Mindjazz Pictures

Eine Szene aus der Doku: Die Iranerin Googoosh (rechts) steht schon sehr lange auf der Bühne.

Von Kathrin Horster

Die sorgfältige Frisur, die lackierten Fingernägel, der Schmuck, der Lippenstift: Ihr gesamter eleganter Aufzug könnte Sängerin Googoosh im Iran das Leben kosten. Doch Googoosh, 1950 als Faegheh Atashin in Teheran als Tochter eines Artisten geboren, lebt schon lange nicht mehr in ihrer Heimat. Im Jahr 2000 ging die lang verstummte Ikone der persischen Popkultur auf eine ausgedehnte Konzert-Tournee ins Ausland und kehrte nie mehr zurück.

Heute lebt die 74-jährige in den USA und beobachtet von dort aus die Vorgänge im Iran. In ihrer Doku „Googoosh – Made of Fire“ zeichnet die Filmemacherin Niloufar Taghizadeh nun nicht nur das wechselvolle, pralle Leben der engagierten Zeitzeugin nach, sondern gibt auch rare, überraschende Einblicke in ein Land, das sich vor Ayatollah Chomeinis islamischer Revolution 1979 in eine offenere Gesellschaft zu entwickeln schien. Mit dem Wissen um die Ermordung von Jina Mahsa Amini, die 2022 von Mitgliedern der Sittenpolizei wegen eines verrutschten Kopftuches zu Tode gefoltert wurde, wirken Fernsehbilder von einer fröhlich schäkernden, modisch gekleideten Googoosh in einer iranischen Popmusik-Show aus den 1960er und 70er Jahren sensationell.

Harte Kindheit

Mit drei Jahren habe sie erstmals auf einer Bühne gestanden, erzählt sie vor Taghizadehs Kamera, als Partnerin ihres Vaters bei artistischen Nummern, auch der Gesang des Mädchens wird entdeckt. Es geht aber auch um Googooshs harte Kindheit bei einer klischeehaft bösen Stiefmutter, wie sie sagt. Fast schwärmerisch klingen die Erinnerungen an Auftritte vor Schah Reza Pahlavi und dessen Frauen Soraya und Farah Diba. Mit Bildern vom Iran-Besuch Konrad Adenauers skizziert Taghizadeh überdies eine verheißungsvolle Vergangenheit, in der die Annäherung zwischen Orient und Okzident möglich schien.

Sie klammert allerdings aus, wie der autoritäre Pahlavi Andersdenkende unterdrückte und die Armut der Mehrheit ignorierte. Immerhin spricht Googoosh über die Zensur, die sie damals als Interpretin subtil politischer Lyrik konkret betraf. Doch erst mit Chomeinis Installation des iranischen Gottesstaats gerät ihr Leben als selbstbewusste Künstlerin aus den Fugen.

Vorbild mit wenig Ecken und Kanten

Obwohl vieles an dieser Biografie außergewöhnlich ist, porträtiert Niloufar Taghizadeh Googoosh als prototypische Iranerin, die vier Ehemänner und eine rigide Gerichtspraxis ertrug und sich erfolgreich von einer Drogenabhängigkeit und ökonomischer Ausbeutung emanzipierte. Der Blick auf dieses Leben ist empathisch bewundernd, er überhöht Googoosh aber auch zum Vorbild mit wenigen Ecken und Kanten. Ein westlich abgebrühtes Publikum mag stellenweise das Pathos der Darstellung belächeln. Für junge Iranerinnen und Iraner verkörpert Googoosh jedoch die Hoffnung auf einen freien, modernen Iran. Verständlich, dass Taghizadeh sie ehren will.

Googoosh – Made of Fire

FilmDokumentation. Deutschland 2024. Ab 10. Oktober im Kino. 94 Minuten. Ab 12 Jahren.

Zum Artikel

Erstellt:
9. Oktober 2024, 15:25 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen