Eine Skulptur im Zeichen der IBA’27 in Backnang

Im Hof des Backnanger Technikforums findet im Rahmen des IBA’27-Festivals bis zum 28. Juli ein Bildhauersymposium statt. Die vier Künstler Norbert Kempf, Gregor Oehmann, Tim Maertens und Andreas Rohrbach erschaffen dort eine Skulptur aus Muschelkalk.

Als Erstes positionieren Norbert Kempf (von links), Tim Maertens und Andreas Rohrbach die Steine mit dem Radlader so, dass die Skulptur die gewünschte Grundform annimmt. Der Vierte im Bunde, Gregor Oehmann, ist am Fototermin zeitlich verhindert. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Als Erstes positionieren Norbert Kempf (von links), Tim Maertens und Andreas Rohrbach die Steine mit dem Radlader so, dass die Skulptur die gewünschte Grundform annimmt. Der Vierte im Bunde, Gregor Oehmann, ist am Fototermin zeitlich verhindert. Foto: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Die Skulptur soll einen Dialog schaffen zwischen Mensch, Material und Murr. Doch noch sind es eher die vier Bildhauer, die in Dialog treten mit den vielen quaderförmigen Steinen aus Muschelkalk, die im Hof des Backnanger Technikforums liegen. Denn aktuell ist die Skulptur erst im Werden. Noch bis zum 28. Juli arbeiten Norbert Kempf und Gregor Oehmann aus Backnang, Andreas Rohrbach aus Frankfurt am Main und Tim Maertens aus Lübeck an dem Steingebilde, das dauerhaft an das IBA’27-Festival erinnern soll. Bildhauersymposium nennen sie ihre zweiwöchige Projektarbeit. Die Idee dazu hatte Norbert Kempf bereits im vergangenen Jahr. „Mein Vorschlag war eigentlich, dass insgesamt acht Künstler kommen, aber das war der Stadt zu teuer“, berichtet Kempf. Dass die Gruppe nun nur vier Personen umfasst, hat aber auch einen Vorteil. „Zu acht hätten wir wahrscheinlich keine gemeinsame Skulptur erschaffen, da hätte eher jeder vor sich hin gewerkelt“, sagt der 59-Jährige.

Seine Mitstreiter kannte er schon vor dem Beginn des Bildhauersymposiums am vergangenen Sonntag. Mit Tim Maertens studierte Kempf in Karlsruhe, mit Andreas Rohrbach absolvierte er eine Lehre zum Steinmetz. Gregor Oehmann (59) wohnt ebenfalls in Backnang. Auch die anderen kannten sich bereits untereinander. „Ich dachte, das harmoniert ganz gut“, sagt Kempf. Maertens und Rohrbach stimmen zu. „Natürlich bringt jeder seine eigene Handschrift mit“, sagt Andreas Rohrbach (58). „Jetzt müssen wir schauen, wie wir das zusammenbekommen.“

Alle vier haben Steinmetz gelernt, alle vier haben Bildhauerei studiert, aber den Schwerpunkt setzen sie jeweils unterschiedlich in ihrer Arbeit. Das zeigt sich auch in der jeweiligen Vorgehensweise. Tim Maertens (54) etwa hat schon angefangen, einen der Steine mit dem Drucklufthammer zu bearbeiten, Formen aus dem Muschelkalk herauszumodellieren. Seine „kleinen Interventionen, die aus dem Stein herauswachsen“ sehen aus wie überdimensionale Seifenblasen und Kristalle. Die natürlichen Mineralablagerungen im Stein belässt er dagegen, wo sie sind. „Wir reagieren darauf, was der Stein hervorbringt“, erklärt er.

Tim Maertens bearbeitet den Stein mit einem Drucklufthammer.

© Alexander Becher

Tim Maertens bearbeitet den Stein mit einem Drucklufthammer.

Dabei entstehen kristallförmige Strukturen.

© Alexander Becher

Dabei entstehen kristallförmige Strukturen.

Andreas Rohrbach hingegen kann es kaum erwarten, Rohre wie ein Geflecht in das Steingebilde einzufügen. „Sie sollen die Skulptur optisch zusammenhalten“, sagt er. Zudem erfüllen sie einen weiteren Zweck: Aus den Rohrenden wird einmal Wasser sprühen, den Stein stellenweise benässen und bei Sonnenschein kleine Regenbogen in die Luft zaubern, „Brockengespenste“, scherzt Rohrbach, „wie bei Goethe.“ Der Nationaldichter wurde bei einer Besteigung des Brockens im Harz von dem optischen Effekt erschreckt – der Name der Lichterscheinung soll auch auf ihn zurückgehen. Bei Nebel wirkt der Schatten einer Person oft sehr groß und scheint dreidimensional in der Luft zu schweben.

Die Steine haben die Bildhauer zum Teil selbst ausgesucht. Vor dem Beginn des IBA’27-Festivals waren sie zusammen im Steinbruch. Das Material ist das gleiche, das auch auf dem IBA-Gelände zum Einsatz kommen soll. Rund 30 Tonnen haben die Künstler für ihre noch namenlose Skulptur zur Verfügung. Angeliefert wurden sie von einem 18-Tonner, „anfangs lagen hier nur zwei große Steinhaufen“, sagt Kempf. Diese galt es zunächst einmal zu sichten und in eine Grundform zu bringen. „Die letzten Tage waren wir nur dabei, die Steine mit dem Radlader zu positionieren“, berichtet Kempf. „Es war nicht ganz unwichtig festzulegen, wo das Ganze sitzen soll. So, wie es jetzt ist, ist der bespielte Raum überschaubar und die Parkfläche kann weiterhin genutzt werden.“

Auf einer kreisförmigen Fläche haben die Künstler Schicht für Schicht angeordnet – die großen Blöcke unten, die kleineren in Stufen darüber. „Wir arbeiten hier auf eine ziemlich archaische Art“, scherzt Rohrbach. Die „künstlerische Klempnerarbeit“ sieht er als eine Verbindung zum IBA-Überthema Bauen. Doch nun steht das Grundmodell. „Wir freuen uns auf die nächsten Tage“, sagt Kempf. „Bisher haben wir eher Gartenbauarbeit vollzogen, jetzt können wir die bildhauerische Arbeit mit einbringen.“

Der Dialog mit dem Material und untereinander beeinflusst das Resultat

Wie das Ergebnis aussehen wird, das kann keiner der vier Bildhauer voraussagen. Der Prozess sei das eigentlich Künstlerische an der Arbeit, sagt Maertens. Rohrbach fügt hinzu: „Das Auseinandersetzen mit dem Material und das Denken mit dem Material ist das, was unseren Beitrag ausmacht. Wenn man vorher schon weiß, was am Ende herauskommt, ist es eine Dienstleistung und kein Kunstwerk.“

Dabei spielt selbstverständlich nicht nur der Dialog mit dem Material, sondern auch der Dialog untereinander eine große Rolle. Ob es bei vier Visionen immer einfach ist, sich zu einigen? „Die drei sind flexibel im Denken. Sie haben sich jetzt bisher immer auf meine Ideen eingelassen – ich hoffe, dass ich das dann auch schaffe“, witzelt Kempf. Er bezeichnet die Skulptur als eine Kultstätte, die sich abgrenzen soll vom temporären, auf nur kurze Zeiträume ausgelegte Bauen. Mit seinem höhlenartigen Durchlass habe das Steingebilde auch etwas Theaterartiges, findet Rohrbach.

Wenn das IBA’27-Festival vorüber ist, soll die Skulptur versetzt werden. Einen Platz an der Murr, Richtung Obere Walke, haben die vier Künstler schon ausgeschaut. „Das ist aber nur ein Vorschlag“, sagt Kempf, „am Ende entscheidet natürlich die Stadt, wo die Skulptur hinkommt.“ Wichtig ist ihm und seinen drei Mitstreitern nur, dass sie möglichst nahe an der Murr stehen wird, auf die sie ja auch Bezug nimmt.

Zu Beginn war vorgesehen, dass die Skulptur auf dem IBA-Gelände aufgestellt wird. „Aber das wird schwierig, weil es erst 2030 bespielt werden soll“, weiß Kempf. Nach dem Transport wird die Muschelkalkinstallation sicher etwas anders aussehen als im Hof des Technikforums. Aber auch das, sagen die Bildhauer, sei ein Teil des Kunstprozesses.

Zuschauen Wer möchte, kann den künstlerischen Prozess live miterleben: Norbert Kempf, Gregor Oehmann, Tim Maertens und Andreas Rohrbach sind täglich von 10 bis 16 Uhr im Hof des Technikforums, Wilhelmstraße 32. Am Sonntag, 23. Juli, erläutern die Künstler außerdem ab 11.30 Uhr das Zwischenergebnis ihrer Arbeit.

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Erstellt:
21. Juli 2023, 11:30 Uhr

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