Einst auch Schauplatz von Hinrichtungen
Blick in das Archiv von Peter Wolf: Die Bleichwiese und die Lederfabrik Schweizer in Backnang sahen viele Veränderungen.
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Derzeit ist im Helferhaus in der Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ die Ausstellung „Von der Bleichwiese zum Freibad“ zu sehen. Der Fotodesigner und Hobbyhistoriker Peter Wolf sammelt für sein Archiv nicht nur die historischen Fotos, sondern befasst sich auch mit den Hintergründen der Stadtgeschichte.
Die Bleichwiese erstreckt sich von der Sulzbacher Brücke bis zur heutigen Annonay-Anlage. Ihr Name geht auf die frühere Nutzung durch Tuchmacher und Färber zurück, die hier ihre Erzeugnisse bleichten. Außerdem war die Bleichwiese ein Ort, auf dem die Gerber einen Teil ihres Handwerks ausüben konnten. In der Stadt fehlte ihnen der Platz und sie brauchten Zugang zum Wasser.
Der hintere Teil, auf dem sich heute die Annonay-Anlage befindet, wurde von Stadtbewohnern als private Gärten genutzt, um sich eigenes Gemüse und Obst anzubauen. Die Bleichwiese, außerhalb der Stadtmauer gelegen, war auch Schauplatz von Hinrichtungen. 1848 fand mit der Enthauptung des Raubmörders Wilhelm Armbruster die letzte öffentliche Vollstreckung in Backnang statt. Es kamen über 7000 Zuschauer, heißt es im Backnang-Lexikon.
In der Zeit der Industrialisierung, als die großen Fabriken in den Bereichen Spinnerei und Gerberei entstanden, verlor die Bleichwiese für das Handwerk immer mehr an Bedeutung und wurde verstärkt für Märkte und Festveranstaltungen genutzt. Louis Schweizer, der bereits 1867 auf dem Pfahlmarkt (heute Eduard-Breuninger-Straße) eine Rotgerberei eingerichtet hatte und 1889 in einem Betrieb in der Oberen Walke (heute Gartenstraße) die erste Dampfmaschine aufstellte, übernahm 1905 mit seinen Söhnen Fritz und Robert die ehemalige Postgerberei an der Bleichwiese. Der vordere Teil des Fabrikgebäudes hatte noch kleinere Fenster, Erker und ein Dach mit Giebeln. Ein neuerer Anbau war ein Stahlskelettbau mit Flachdach. Ein Foto aus dem Anfang der 1930er-Jahre zeigt diesen Teil der Lederfabrik. Ein Fahrgeschäft oder Zirkus gastiert auf der Bleichwiese. Daneben befinden sich die privaten Kleingärten.
Nachdem der ältere Teil der Lederfabrik Louis Schweizer bei einem Brand 1935 zerstört wurde, baute man die Fabrik, angepasst an den neueren Teil, mit größeren Fenstern und einem Flachdach wieder auf. Allerdings wurde die Produktion nur noch für kurze Zeit aufgenommen, da nach Beginn des Zweiten Weltkriegs die Rohstoffe knapp wurden und große Teile der Werksanlagen an Rüstungsbetriebe vermietet werden mussten. 1944 wurde die Lederfabrikation an der Bleichwiese eingestellt.
Immer wieder waren der Bereich der Bleichwiese und die umgrenzenden Gebäude von Hochwasser betroffen. 1919 trat die Murr über ihre Ufer, was in alten Fotos der aktuellen Ausstellung zu sehen ist. Der Bereich zwischen Murr und der Lederfabrik Louis Schweizer steht komplett unter Wasser.
„Land unter“ hieß es auch im Jahr 1931. Auf einem Foto ist noch der alte Teil der Lederfabrik mit den Giebeln vor dem Brand von 1935 zu sehen. Inzwischen gab es Autos, die sich einen Weg durch das Hochwasser auf der Straße bahnten, und der stolze Besitzer wird wohl in Sorge um seine Errungenschaft der Technik gewesen sein. Die Jungs, die dabei nass gespritzt werden, scheinen trotz der zerstörenden Naturgewalten ihren Spaß zu haben.
In der ehemaligen Lederfabrik befand sich später ein Kaufhaus.
Das Gebäude (heute als Schweizer-Bau bekannt) wurde nach der Schließung der Lederfabrik verschiedenen Zwecken zugeführt, später wurden dann auch Schaufenster eingebaut. Vielen Backnangern unvergessen ist wohl das Kaufhaus Max Mayer, das sich von 1962 bis 2002 darin befand. Ein umfangreiches Sortiment der verschiedensten Waren, von Kleidung über Bürobedarf, Wäsche oder Haushaltswaren gab es unter einem Dach. Ein Foto in der Ausstellung etwa zeigt das Kaufhaus im Jahr 1978, als auf der Bleichwiese ein französischer Markt stattfand.
Von der Bleichwiese führt die Ausstellung über die Gartenstraße zur Lederfabrik Fritz Häuser und zum „Männerbad“ an der Murr um das Jahr 1900 in Höhe der Spinnerei Adolff. Ein „Frauenbad“ gab es übrigens auch, und zwar weiter stadtauswärts, wo sich heute das Freibad befindet. Man erfrischte sich in den Fluten der Murr an Stellen, bevor das Flusswasser auf seinem Weg entlang der Gerberstadt von übel riechenden Abwässern verschmutzt wurde.
Die Ausstellung im Helferhaus, Petrus- Jacobi-Weg 5, kann bis zum 27. Juni besich- tigt werden. Außerdem ist sie vom 5. Juli bis 2. August zu sehen. Öffnungszeiten sind: Dienstag bis Freitag von 17 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 14 bis 19 Uhr.