Eröffnung der Winterkulturtage mal anders
Bei der Auftaktveranstaltung der Winterkulturtage begeisterte die Harfenistin und Autorin Silke Aichhorn die Zuschauer in der Belinda. Der Abend war geprägt vom Kontrast aus virtuosem Harfenspiel und kabarettistischen Lesungen von Geschichten aus ihrem Alltag.
Von Carmen Warstat
SULZBACH AN DER MURR. Die Winterkulturtage haben abgespeckt, aber sie sind noch da. Auf beeindruckende Weise machte die diesjährige Eröffnungsveranstaltung mit der schreibenden Harfenistin Silke Aichhorn das kürzlich in Sulzbach an der Murr deutlich. Die „Kultur im Kessel“ fühlt sich bereichert durch die Winterkulturtage, in diesem Jahr werden drei Veranstaltungen ausgerichtet. Darunter eben die Eröffnung, keine Gala wie sonst zwar (die wird voraussichtlich in Auenwald den Abschluss der Saison bilden), aber eine musikalisch-kabarettistische Lesung, die das Publikum begeisterte.
Silke Aichhorn, in Musik und Sprache zu Hause, las aus ihrem amüsanten Buch „Lebenslänglich frohlocken“ und bemerkte eingangs: „So haben Sie sich das Leben einer Harfenistin nicht vorgestellt – ich auch nicht!“ Es ging da um nervende Hochzeitshysterie und sonstige Zumutungen der einen oder anderen Art, etwa um Transportprobleme: Ihre Harfe wiegt 40 Kilogramm, ist sperrig, etwa 40000 Euro wert und fährt etwa 40000 Kilometer im Jahr umher. Da weiß man dann zu erzählen. Von einer Zugfahrt nach Amrum (mit zwei Harfen im Gepäck), von unsäglichen Hotelaufenthalten („Drei-Sterne-Luxus“), vom Papst sogar, den die Künstlerin – indirekt auf die Missbrauchsskandale der Kirche anspielend – an diesem Abend aber lieber weglässt.
Und wie nebenbei stellt sie ihr Instrument vor, erläutert Aufbau und Funktionsweise einer Harfe und ist dabei einfach immer witzig. Im Kontrast dazu reicht ihr passioniertes und virtuoses Spiel vom romantischen Smetana (Die Moldau) bis hin zu einem verjazzten Mozart (Alla Turca) und beruhigenden Abendliedern.
Was aber verschlägt eine solche Künstlerin ausgerechnet in die Sulzbacher „Belinda“, die älteste Rockdiscothek Deutschlands? Verantwortlich dafür ist unter anderem Willi Beck von der Akzente-Gemeinde, die genau hier eine Heimat gefunden hat und ein Begegnungs- und Kulturzentrum gründete, das für Vielfalt steht. Sein Motor, wie Beck es nennt, ist der intensive Wunsch, Kirche und Gesellschaft zusammenzubringen, denn: „Kirche soll nicht in ihren Mauern sitzen.“ Zutiefst von der Botschaft des Evangeliums überzeugt, promovierte Beck mit einer empirischen Forschungsarbeit, die Theologie und Soziologie zusammenbrachte und die gesellschaftlichen Milieus untersuchte. Das Ergebnis: Die klassischen Kirchenmilieus schwinden, weil die Menschen darin altern und wegsterben, die kirchenfernen, jüngeren Milieus wachsen, die Kirche schrumpft mehr und mehr.
Nachfrage war größer als die Kapazität der Belinda
Dem engagierten Theologen zuzuhören ist fesselnd, denn er brennt für sein Lebensthema. Und handelt. „Gar nichts machen ist keine Option.“ Um Kirche und Gesellschaft zusammenzubringen, hat er mit der Akzente-Gemeinde den Weg aus den Kirchenmauern heraus gesucht und beschlossen, etwas für die Rettung der vor dem Ende stehenden „Belinda“ zu tun. Eine UG (Unternehmergesellschaft) und eine eG (Genossenschaft) wurden gegründet und die Voraussetzungen für die langwierige Sanierung der Räumlichkeiten geschaffen. Zeitgleich bemüht sich das Team um Willi Beck seit geraumer Zeit und mit wachsendem Erfolg darum, das kulturelle Leben zu bereichern. Motto: „Wir bringen Menschen zusammen.“ Da wurden dann auch schon kostenlose Schnelltests durch geschultes Personal angeboten – man tut wirklich alles Erdenkliche, um das Ideal mit Leben zu erfüllen und möglichst jeden teilhaben zu lassen. Und so lag es nahe, auch den Winterkulturtagen buchstäblich Raum zu geben. Sigrun Konrad vom Hauptamt der Gemeinde Sulzbach stieß die Kooperation der Ortsverwaltung mit dem Begegnungs- und Kulturzentrum Sulzbach sowie dem Akzente-Komplex an und wurde zur wichtigen Partnerin.
Silke Aichhorn ist im letzten Sommer schon einmal in Sulzbach an der Murr aufgetreten, mit ihrem Kinderprogramm „Eine Reise um die Welt“.
Die kabarettistische Lesung für die Erwachsenen musste zweimal verschoben werden und wurde jetzt umso lieber angenommen. Die Nachfrage war größer als die Kapazität der „Belinda“, die 64 Zuschauer fassen kann. Sie entließen die vielseitige Künstlerin erst nach Zugaben und einige suchten das persönliche Gespräch mit ihr. „Am Schluss fühlen sich alle als Beschenkte“, zeigt sich Willi Beck zufrieden.
Weitere Veranstaltungen Am Freitag, 11. März, um 20 Uhr findet „In Virus Veritas – Erfrischungswörkschoppen“ mit Christiane Maschajeschi statt. Und am Freitag, 25. März, um 20 Uhr kommt Sabine Schief mit „Sex sells, was willsch macha!“ in die Belinda. Weitere Informationen gibt es online unter: www.schwaebischerwald.com