„Jemandsland“: Barbara Kastin präsentiert ihre neue Ausstellung zur IBA im Helferhaus

Bis zum 30. Juli ist die Ausstellung „Jemandsland. Zum Stand der Dinge im Quartier West – eine ästhetische Erkundung“ von Barbara Kastin in der Galerie im Backnanger Helferhaus zu sehen. Darin präsentiert die Backnanger Künstlerin ihren ganz persönlichen Blick auf das IBA-Gelände.

Gefühlt im Treppenhaus: Barbara Kastin steht auf dem Foto des Zugangs zu ihrem Atelier in der ehemaligen Kaess-Lederfabrik. Da kommen Erinnerungen hoch. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Gefühlt im Treppenhaus: Barbara Kastin steht auf dem Foto des Zugangs zu ihrem Atelier in der ehemaligen Kaess-Lederfabrik. Da kommen Erinnerungen hoch. Fotos: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Das Backnanger Quartier West, das IBA-Gelände im Westen der ehemaligen Gerberstadt, sei derzeit noch ein verlorenes Viertel, sagt Ulrich Olpp, der Vorsitzende des Heimat- und Kunstvereins Backnang. „Ich gehe davon aus, dass viele Bürgerinnen und Bürger es als hässlich begreifen.“ Die Ausstellung „Jemandsland. Zum Stand der Dinge im Quartier West – eine ästhetische Erkundung“, die vom 2. bis 30. Juli in der Galerie im Backnanger Helferhaus zu sehen sein wird, kontrastiert diesen Eindruck. Die Backnanger Künstlerin Barbara Kastin vermittelt darin ihren ganz persönlichen Blick auf das ihrer Meinung nach wunderschöne Viertel. „Die Schau zeigt, wie ich als stark visuell geprägte Künstlerin das Quartier wahrnehme“, erklärt sie.

Und das in vielschichtiger Weise, denn Kastin beschränkt sich nicht auf eine Art des Schaffens. Fotos, Poster, Zeichnungen, Malereien, Kartonschnitte, Druckgrafiken – sogar Cyanotypien (Bilder, die mit einem alten fotografischen Edeldruckverfahren mit blauen Farbtönen gedruckt werden) enthält die Werkschau. Dabei könne diese nur als ein „Anfangszwischenstand“ gelten, sagt Kastin, die auch die Kunstschule in Winnenden leitet. Ihre Sammlung umfasse noch viel mehr Material als die Werkschau.

Die Künstlerin analysiert das Quartier

Diese beginnt mit einer Fotografie des Geländes der ehemaligen Lederfabrik Kaess. Die leichte Unschärfe im Bild transportiert ein Gefühl der Unsicherheit. „Man weiß noch nicht, was in dieser Ausstellung auf einen zukommt“, kommentiert Kastin. Die in Dortmund geborene und im Ruhrgebiet aufgewachsene Künstlerin sei prädestiniert für die begleitende Ausstellung zum IBA-27-Festival, sagt Olpp: „Seitdem sie in Backnang ist, analysiert sie die Stadt und untersucht, was ihre Gebäude zu erzählen haben.“ Die Ergebnisse dieser Studien seien in der Werkschau zusammengefasst.

Diese entstand aus dem Interesse an der Internationalen Bauausstellung (IBA), die das Quartier West in Kürze grundlegend verändern wird. „Die Mischung der Gefühle ‚oh je, was wird jetzt?‘ und ‚wie spannend, was da passieren wird‘ hat bei mir gleich gezündet“, berichtet Kastin. Im Oktober 2021 stellten sie und Ulrich Olpp ihr Projekt der Stadt Backnang vor. Mehr als ein Jahr dauerte es, bis diese final zusagte, das Vorhaben zu unterstützen. Inzwischen sind auch die Bürgerstiftung Backnang und die Wüstenrot-Stiftung mit an Bord. „Ohne sie hätten wir die Ausstellung nicht umsetzen können“, betont Olpp.

Doch auch wenn die finanzielle Hilfe ausgeblieben wäre, hätte Kastin sich mit der IBA künstlerisch auseinandergesetzt. Am 1. Januar dieses Jahres bezog sie ein Atelier in der ehemaligen Gerberei Kaess, das der Heimat- und Kunstverein Backnang für ein halbes Jahr von Wolfgang Kaess mietete. Mitten in dem Quartier zu arbeiten habe ihr ein Gefühl der Zugehörigkeit verschafft, sagt Barbara Kastin.

In ihrem Atelier malte sie unter anderem die Fabrikgebäude des Areals auf bedruckte Stofftücher oder gemusterte Kittelschürzen aus Backnanger Haushalten. Auf ihren Streifzügen durch das Viertel fotografierte sie Häuser und Fensterfronten, sammelte, was sie auf den Straßen liegen sah: eine verwitterte Orchideenblüte aus Stoff etwa (gefunden am 12. Juni), ein verbogenes Stück Draht (12. Februar) oder ein halbes Vogelei, winzig klein und weiß mit braunen Sprenkeln (12. Juni). Kastins Fundstücke sind in einer Glasvitrine ausgestellt. An der Wand zeigt ein Lageplan die jeweiligen Fundorte. Fotos und eine Liste mit Details geben weitere Informationen. „Durch diese Art der Darbietung bekommen die Gegenstände für die Besucherinnen und Besucher die Bedeutung, die sie für mich von Anfang an hatten“, freut sich die Künstlerin. Es sei ein künstlerisch-ästhetischer und zugleich ein fast schon archäologischer Zugang, meint Ulrich Olpp. „Wenn man sich diese Dinge in 1000 Jahren anschauen würde, würden sie Aufschluss über unsere heutige Gesellschaft geben“, führt er aus.

Eine Plakataktion gehört zur Werkschau

Richtig begonnen habe die Sammlung mit dem fingerkuppengroßen hellblauen Spielzeugelefanten (7. Januar), von dem auch ein großes Foto an der Wand hängt, erzählt Kastin. „Da hat sich für mich gleich eine Geschichte aufgetan: Hat ihn vielleicht ein Kind verloren?“ Der Elefant, sagt sie, sei schnell zu einem Talisman für das gesamte Kunstprojekt geworden.

Dieses versammelt neue wie auch einige ältere Arbeiten Kastins. Die Fabrikgebäude aus Karton, die in einem Raum ausgestellt sind, sind teilweise schon abgerissen. Ein Sammelband mit aktuellen Fotos beendet die ästhetische Erkundung des Quartiers. Das Buch sei ein Schatz, schwärmt Olpp. Schon in Bälde werde es zum historischen Dokument für das Areal, das nach seinem Umbau sicher ganz anders aussehen werde.

Auch eine Plakataktion gehört zu der Werkschau. Bis 17. Juli werden vier große Plakate und kleinere Poster an insgesamt 13 Laternenpfosten in der Innenstadt für die Ausstellung werben. Die Grafiken hat Barbara Kastin mit ihrem Sohn Konstantin erarbeitet, der gerade am Berufskolleg eine Ausbildung zum Grafikdesigner absolviert.

Backnanger Fabrikgebäude auf Karton: Kastin arbeitet mit unterschiedlichen Materialien.

© Alexander Becher

Backnanger Fabrikgebäude auf Karton: Kastin arbeitet mit unterschiedlichen Materialien.

Die Ausstellung und ihr Rahmenprogramm: Vernissage, offenes Atelier und Finissage mit Open Stage

Werkschau Die Ausstellung
„Jemandsland. Zum Stand der Dinge im Quartier West – eine ästhetische Erkundung“ des Backnanger Heimat- und Kunstvereins mit den Werken der Backnanger Künstlerin Barbara Kastin wird vom 2. bis 30. Juli in der Galerie im Backnanger Helferhaus, Petrus-Jakobi-Weg 5, zu sehen sein. Die Galerie ist dienstags und freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Vernissage Am Sonntag, 2. Juli, wird die Schau um 11.30 Uhr
offiziell eröffnet. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Heimat- und Kunstvereins Backnang Ulrich Olpp wird C. Martin Schmid in die Ausstellung einführen.

Offenes Atelier Unter dem Titel „Tatort Kunst im Provisorium“ können Interessierte Barbara Kastin vom 14. bis 16. Juli (jeweils von 14 bis 18 Uhr) in ihrem Atelier in der Gerberei Kaess,
Fabrikstraße 74, beim Arbeiten über die Schulter schauen.

Finissage Die Ausstellung endet am Sonntag, 30. Juli, mit einer Finissage (16 bis 18 Uhr). Diese steht unter dem Titel „Open Stage“, bei der beispielsweise
literarische Vorträge, Kurzkonzerte und Performances Raum bekommen. Wer dazu etwas beitragen möchte, meldet sich bei Ulrich Olpp per E-Mail an
ulrich.olpp@huk-verein.de.

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Erstellt:
30. Juni 2023, 06:00 Uhr

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