Französisches Straßentheater in Backnang
Mitten in Europa (4) Zwei Straßentheatergruppen der Künstlergruppe „Le Collectif du Plateau“ aus Annonay treten beim Partnerstädtefestival „Mitten in Europa“ in Backnang auf. Außerdem ist eine A-cappella-Gruppe aus Annonays italienischer Partnerstadt Barge dabei.
Von Klaus J. Loderer
Backnang. Dass die französische Partnerstadt Backnangs Annonay ein Zentrum des Straßentheaters ist, hat sie bereits beim jüngsten Straßenfest bewiesen. Dabei war ein interessanter Auftritt der Gruppe Les Rustines de l’Ange, die Teil des Projekts „Quelques p’Arts“ ist, auf dem Stiftshof zu erleben. Die Idee, die Truppe nach Backnang einzuladen, war in einem Backnanger Café aufgekommen. Dort saßen Inge Wagner und Brigitte Trein vom Verein Freunde der Partnerschaft Backnang/Annonay plaudernd mit Chantal Chaléat zusammen. Mit ihr verbindet Brigitte Trein eine lange Freundschaft, die bei einem Ferienlager am Bodensee in der Frühzeit der Städtepartnerschaft entstanden war. Chantal Chaléat vermittelte den beiden Backnangerinnen den Kontakt zu Palmira Picon. Sie ist die Direktorin des nationalen Zentrums für Straßenkunst (Centre National des Arts de la Rue et de l’Espace Public, abgekürzt CNAREP) in Annonay und die Leiterin des Straßentheaterprojekts „Quelques p’Arts“.
Die Begeisterung war von Anfang an da
Als bekannt wurde, dass das Bandhaus-Theater ein Straßentheaterfestival in Backnang veranstalten würde, war Inge Wagner gleich begeistert: „Der Austausch zwischen den Backnanger Partnerstädten im Bereich von Theater und Musik ist neu.“ Das gefiel der Vorsitzenden des Vereins Freunde der Partnerschaft Backnang/Annonay. Wieder war der Kontakt zu Palmira Picon eine wichtige Grundlage für den Beitrag aus Annonay. Nach einer Rückfrage bei Picon war schnell klar, dass der Termin des Festivals in Backnang nicht im Sommer sein sollte, da die französischen Theatergruppen in der Zeit von Auftritt zu Auftritt touren.
Die Französischlehrerin Brigitte Trein, die im Partnerschaftsverein für die Pressearbeit zuständig ist, erläutert im Gespräch mit der Backnanger Kreiszeitung noch genauer, was das CNAREP macht. So ist es Palmira Picon und ihrem Team ein besonderes Anliegen, Künstlergruppen im Bereich Straßentheater zu unterstützen und ihnen durch gesicherte Arbeitsverhältnisse die gebührende Anerkennung für ihre Arbeit zu verschaffen. Dafür wurde das Programm „Quelques p’Arts“ ins Leben gerufen. Der Name ist ein kleines Wortspiel. Wörtlich übersetzt bedeutet „Quelques parts“ auf Deutsch schlicht „einige Teile“, mit der Worttrennung wird jedoch das französische Wort für Kunst, „Art“, Plural „Arts“, hervorgehoben.
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Der Name des Projekts soll die örtliche und die künstlerische Vielfalt zusammenfassen. Denn das Programm greift über Annonay hinaus: Picon ist es gelungen, ein Netzwerk mit etwa 40 Kommunen im näheren und weiteren Umkreis von Annonay zu schaffen. Sie selbst vermittelt und organisiert Auftritte der Gruppen in Absprache mit den Kommunen. Dabei richtet sich das besondere Augenmerk auf die Besonderheiten jeder Gemeinde, im Hinblick auf Themen, aber auch auf mögliche Auftrittsorte – also Straßen und Plätze, Parks oder auch Industrieanlagen. Die Künstlerinnen und Künstler beziehen die jeweiligen Spielorte und ihr Publikum bewusst in ihre Programme ein, sodass für alle Beteiligten ein neues Erleben ihrer gewohnten Umgebung entsteht. Das kann sich Brigitte Trein auch in Backnang gut vorstellen: „So entstehen Begegnungsorte in der Stadt.“
Kommunale, regionale und nationale Unterstützung
Darüber hinaus initiiert und organisiert „Quelques p’Arts“ eine Zusammenarbeit zwischen Künstlergruppen und Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeheimen, um auch in diesen Bereichen zu ermöglichen, dass im Alltag aus einer künstlerischen Arbeit heraus neues Erleben entstehen kann. Die Arbeit von „Quelques p’Arts“ wird inzwischen kommunal, regional oder auch national unterstützt.
Zum Partnerstädtefestival hat Palmira Picon gleich zwei Truppen aus Annonay vermittelt. Inge Wagner und Brigitte Trein freuen sich auf die Auftritte, die beide so ausgewählt wurden, dass man sie auch ohne französische Sprachkenntnisse verstehen kann. Auch wenn der Titel „L’herbe est plus rose ici“ („Hier ist das Gras mehr rosa“) kompliziert klinge, schmunzelt Brigitte Trein, sei der Auftritt von „SiSiNonNon“ („DochDochNeinNein“) eine kuriose Mischung aus Akrobatik und Pantomime um einen rosa Wohnwagen. „Das wird auf jeden Fall lustig“, meint Brigitte Trein über die Produktion mit fünf Darstellern. Das sei bei der anderen Gruppe aber nicht minder der Fall. Beide Gruppen gehören zum Künstlerkollektiv „Le Collectif du Plateau“, das für seine Straßenzirkusnummern bekannt ist. Das Stück „Or, là“ (Oder, da) ist eine überaus kuriose Geschichte auf einem Zebrastreifen. Auch dabei geht es um Akrobatik und kurzweilige Zirkusnummern.
Beim Jubiläum 30 Jahre Gourmandise in Annonay gab es noch eine Begegnung, die zu einem weiteren Programmpunkt beim Partnerstädtefestival geführt hat. Denn es wurde in Annonay auch das Jubiläum der Partnerschaft mit der Gemeinde Barge im italienischen Piemont gefeiert. Dort pflegt man die Kunst des A-capella-Gesangs. „Das findet in Barge durchaus so statt, dass man bei einer Wanderung durch die Weinberge fröhliche Melodien anstimmt“, weiß Inge Wagner. Ein munteres Quintett kommt aus Barge und wird die Backnanger mit seinem Gesang erfreuen.
Der Verein soll ins Gespräch kommen
Inge Wagner kündigt an, dass aus Annonay die Co-Präsidentin der dortigen Partnerschaftsgesellschaft, Françoise Michaud, eigens anreisen werde. „Bei dieser Gelegenheit werden wir sicher auch Ideen für neue Begegnungen haben“, hofft Wagner. Zur Eröffnung des Festivals werde der Verein einen Tisch mit Informationsmaterial machen, kündigt sie an. Als neue Sammlerobjekte wurden Kühlschrankmagnete mit dem Bild eines Heißluftballons besorgt. Denn die Gebrüder Montgolfier, die Erfinder des Heißluftballons, stammen aus Annonay.
Der Austausch mit Jasmin Meindl und Juliane Putzmann, den Leiterinnen des Bandhaus-Theaters, hat den Vertreterinnen des Partnerschaftsvereins großen Spaß gemacht. Für Brigitte Trein ist es wichtig, dass die Partnerschaftsvereine durch das Festival ins Gespräch kommen. In Erinnerung an ihre eigenen langjährigen Kontakte zu Annonay meint sie: „Was wir als Jugendliche erlebt haben, wird wieder lebendig.“ Inge Wagner schwärmt: „Ich finde schön, dass Gruppen aus Europa nach Backnang kommen und zusammen Theater spielen. Die Backnanger können so verschiedene Kulturen kennenlernen.“ Sie resümiert: „Das Programm trifft ins Herz.“
Termine Das Theaterstück „L’herbe est plus rose ici“ der Gruppe SiSiNonNon wird am Samstag, 7. Oktober, um 11 Uhr auf dem Obstmarkt aufgeführt. Das Stück „Or, là“ von „Le Collectif du Plateau“ ist von 15 Uhr an auf dem Willy-Brandt-Platz zu sehen. Die italienische A-capella-Gruppe Mare Tera spaziert – ebenfalls am 7. Oktober ab 15 Uhr – singend durch Backnangs Straßen. Das gesamte Festivalprogramm liegt an verschiedenen Stellen in der Stadt aus und ist unter www.mitten-in-europa.de einsehbar.