Hochästhetisch in Szene gesetzte Details
Buchvorstellung: „Technik in feinster Art“ mit Fotos von Bernhard J. Lattner aus dem Technikforum Backnang und Texten von Bernhard Trefz
Ziel war ein Gesamtkonzept: Fotoausstellung im Technikforum, Kalender 2020 mit zwölf Motiven daraus und schließlich noch der Bildband „Technik in feinster Art – Technikforum Backnang“ mit 70 Detailaufnahmen von Bernhard J. Lattner und Texten von Bernhard Trefz. Die Vorstellung dieses Werks als öffentliche Veranstaltung musste jetzt natürlich ausfallen.
Von Renate Schweizer
BACKNANG. Ziemlich genau ein Jahr hat Lattner daran mit Hochdruck gearbeitet, und nun? Homestory. Wenn das ganze öffentliche Leben zur Homestory wird – warum dann nicht auch eine Buchvorstellung? Streng nach den Regeln natürlich: kein Händedruck, Abstand halten und das Buch, das die Zeitungsfrau am Ende mit nach Hause nehmen darf, druckfrisch aus der Folie. Bernhard Lattner live und zu Hause, Bernhard Trefz per Telefon. Jörg Fiedler fotografiert den Fotografen, der sich selbst als „Lichtbildner“ bezeichnet, in seinen eigenen vier Wänden, Renate Schweizer lässt sich die Geschichte dazu erzählen und das war’s.
Wir kommen rein. Sieht aus wie Wohnung, ist auch Wohnung – außerdem aber auch Atelier, Büro, Verlagssitz, Präsentationszentrum und Heimstatt eines ziemlich vorlauten Kanarienvogels namens Bobbi. Überall an den Wänden großformatige Landschaftsfotos. Klar: Neben Architektur, Industrie und Technik fotografiert Lattner auch Landschaften. Es dauert ein bisschen, bis wir zur Sache kommen können – vorher müssen der Zeitungsfotograf und der Lichtbildner erst mal ausgiebig über ihre unterschiedlichen Herangehensweisen ans Genre Fotografie fachsimpeln: frühe Zugänge, die ersten Kameras (einer Canon, einer Nikon), Blickwinkel, Motive und Geschwindigkeiten. Während der eine – jedenfalls in Vor-Coronazeiten – von Termin zu Termin saust, um tagesaktuell zu informieren, komponiert der andere stundenlang an einer einzigen Aufnahme herum.
Das gilt erst recht – und jetzt sind wir auf einmal doch bei der Sache – für die hyperrealistischen Aufnahmen von Maschinen- und Geräteteilen aus dem Technikforum: Hochästhetisch in Szene gesetzte Details von Maschinen und Gerätschaften der vier prägenden Backnanger Industriezweige Nachrichtentechnik, Gerberei, Spinnerei und Kaelble, von Lattner ergänzt noch durch eine Reihe von Aufnahmen zum Thema Krafterzeugung. Da ist jedes Stäubchen sichtbar und keines zufällig, Licht und Farbe sind mit liebevoller Sorgfalt gesetzt, da entsteht eine ungeheure Tiefenschärfe und da erwacht, sagen wir mal, ein Dieselmotor von 1934 zu neuem Leben, in diesem einen Moment für immer. Entsprechend wertig ist das Buch gestaltet: Hardcover, quadratisch (21 mal 21 Zentimeter), schwer, gutes Papier, ein Vergnügen für die blätternden Hände und die wandernden Augen, nicht nur ein optischer, auch ein haptischer Genuss. Jedes Bild geht über anderthalb Seiten, also über den Mittelfalz hinweg, und links daneben steht, was es darstellt: „Bügel- und Narbenpresse um 1938“ zum Beispiel oder „Richtfunkanlage Freda von 1952“ und eine kurze Beschreibung der Maschine oder des Geräts und ihrer/seiner Funktion.
Diese Texte hat Bernhard Trefz mithilfe der ehrenamtlichen Experten des Technikforums verfasst. „Ohne die Hilfe der Ehrenamtler wäre das gar nicht möglich gewesen – ich bin schließlich Historiker, kein Ingenieur oder Techniker“, das betont der Stadtarchivar ausdrücklich. Ganz bestimmt: Wäre das hier, wie geplant, eine öffentliche Buchvorstellung gewesen, wären sie mit Sicherheit alle da und stolz wie Bolle, dass aus „ihren“ Maschinen und Gerätschaften, die sie aus dem Effeff kennen und lieben und ganzjährig hegen und pflegen, so ein schönes Buch geworden ist.
„Oh ja, ich liebe meinen Job!“
So aber ist außer der Zeitungsfrau „nur“ Bernhard Lattner da und der liebt definitiv seine Bilder und Bücher. Alle naselang springt er auf, um noch ein Bild oder Buch oder Beispiel aus seinem Archiv zu holen. „Oh ja, ich liebe meinen Job!“, erklärt er energisch und mit mindestens drei Ausrufezeichen, und der Riesentisch im Esszimmer füllt sich mit Ordnern und Stapeln, dass die Kaffeetassen ganz an den Rand rücken müssen. Zu guter Letzt muss er auf dem Bildschirm unbedingt noch die Präsentation zeigen, die er zur Buchvorstellung ersonnen hat: Bilder über Bilder, unterlegt mal mit Musik von Elke Büttner (seiner Lebensgefährtin, die auch bei der Ausstellungseröffnung musiziert hat) und Alwin Bazinek, mal mit den zur jeweiligen Maschine passenden Geräuschen aus dem BBC-Archiv: Das knarzt und stampft, surrt, gurgelt, rattert und scheppert ganz wunderbar – schade nur, dass dieses Extrakunstwerk jetzt bloß der Zeitungsfrau zugutekommt.
Immerhin, das Buch wird man kaufen können, sobald das Leben und die Öffnungszeiten der Geschäfte wieder ihren normalen Gang gehen, und zwar im BK-Laden neben dem Rathaus oder in der Geschäftsstelle der BKZ am Fuße des Ölbergs, 27 Euro, 70 Abbildungen.