Hochkarätige Klassik zum Anfassen beim 25. classic-ope(r)n-air in Backnang
Das Ambiente auf dem beleuchteten Marktplatz vermittelt geradezu mediterrane Urlaubsgefühle.
Von Marina Heidrich
Backnang. Was macht ausgerechnet das Backnanger classic-ope(r)n-air so besonders? Wie kommt es, dass sich auch nach 25 Jahren Menschen unterschiedlichsten Alters und mit teilweise komplett konträrem Musikgeschmack geduldig für Resteintrittskarten anstellen, um ja eines der musikalischen Highlights der Sommersaison nicht zu verpassen? Die Antwort ist vielschichtig. Das Ambiente auf dem beleuchteten Marktplatz mit dem geradezu mediterranen Urlaubsgefühl, wenn die Dämmerung hereinbricht und die Schwalben über den Köpfen des Publikums flattern. Ein Jahr für Jahr wechselndes Motto. Großartige Stimmen, Sänger, die man dort zum ersten Mal hört und alte Bekannte, auf die man sich schon freut. Wundervolle Musik aus den unterschiedlichsten Jahrhunderten und Bereichen. Ein spielfreudiges, hochkarätiges Orchester. Und mit Rainer Roos ein musikalischer Leiter, der keinerlei Berührungsängste zwischen Klassik, Musical, Pop oder Rock kennt. Gemäß dem Motto: Es gibt keine Unterscheidung zwischen Unterhaltungsmusik und ernster Musik, sondern nur zwischen gut und schlecht gemachter. Denn Musik ist Emotion zum Hören. All diese Aspekte bilden die Zutaten für den perfekten Cocktail, der sich classic-ope(r)n-air nennt.
Die Ouvertüre aus dem Freischütz erklang bereits 1998 bei der Premiere
Das Orchester aus Mitgliedern des Staatsorchesters Stuttgart und der Stuttgarter Philharmoniker hatte an diesem Abend einen besonderen Gast in seiner Mitte: Detlev Grewesmühl, 1. Konzertmeister an der Deutschen Oper Berlin. Sie eröffneten das Konzert mit der Ouvertüre aus dem Freischütz von Carl Maria von Weber. Für Rainer Roos hat das Stück eine besondere Bedeutung, erklang es doch bereits 1998 auf dem allerersten classic-ope(r)n-air.
Ebenfalls aus dem Freischütz folgten die Arie des Max „Durch die Wälder“ und das dramatische „Wie nahte mir der Schlummer“ der Agathe. Mit diesen beiden Stücken stellten sich zwei Sänger dem Publikum vor, die man bislang noch nicht in der Murr-Metropole live gesehen hatte. Die Sopranistin Xenia von Randow feierte auf vielen großen Bühnen Erfolge. Sie besticht nicht nur mit ihrem warmen Sopran, sondern fasziniert auch durch die scheinbare Mühelosigkeit, mit der sie die hohen Töne erreicht. Tenor Sebastiano Lo Medico wurde in Messina geboren, lebt mittlerweile in Deutschland. Er hat eine sehr charakteristische Stimme und sang seine Arie in akzentfreiem Deutsch.
Beim Trinklied aus „La Traviata“ wird mitgeklatscht
Zum Jubiläum durfte natürlich auch ein absoluter Publikumsliebling nicht fehlen. Bariton Matias Tosi ist ein gern gesehener und gehörter Gast in Backnang, der nicht nur durch seine Stimme und charismatische Ausstrahlung, sondern auch durch die ironisch-witzige Art seiner Auftritte die Herzen gewonnen hat. Dieses Mal wurde der scheinbar Unpünktliche auf einem Motorrad während der Vorstellung vor die Bühne gefahren. Und wer könnte besser den Verführer Don Giovanni verkörpern als der temperamentvolle gebürtige Argentinier? Beim Trinklied aus La Traviata wurde das Publikum sogar explizit zum Mitklatschen aufgefordert.
Man sollte es nach 25 Jahren nicht glauben, aber Rainer Roos ist immer wieder für eine musikalische Überraschung gut. Von Mozart und Verdi wechselte das Orchester nach der Pause zu einem völlig anderen Genre. G5, Bb5, C5 – drei brachiale Akkorde, die jeder sofort als das Intro von Deep Purples „Smoke on the water“ erkannte. Das Orchester spielte ein außergewöhnliches Arrangement des Rockklassikers.
Zum ersten Mal in Backnang präsentierte sich auch die österreichische Schauspielerin und Sängerin Misha Kovar. Ein absolutes Multitalent, deren Stimme bei Musicalperlen wie „Wein nicht um mich, Argentinien“ oder „Never enough“ aus The Greatest Showman besonders zur Geltung kam. Misha Kovar ist in vielen Musikgenres unterwegs – und beherrscht alle. Der zweite Teil des Abends bot hochemotionale Stücke wie „Nessun dorma“ aus Turandot. Zum Abschluss standen alle vier Solisten auf der Bühne und rissen die Zuhörer mit einer wunderschönen Version von „Unchained melody“ von den Stühlen.
Zum Abschluss wie immer „O sole mio“
Das letzte Lied war verklungen, das Publikum lächelte in Erwartung dessen, was nun so sicher wie das Amen in der Kirche kommen würde. Doch wie – sollte ausgerechnet zum silbernen Jubiläum mit der Backnanger Tradition gebrochen werden? Seit 25 Jahren erklingt zum Abschluss des Konzertabends regelmäßig ein bestimmtes Lied: O sole mio. Aber Matias Tosi schien andere Pläne zu haben. Breit lächelnd kam er mit zwei Instrumenten zurück, einer Akustikgitarre, die er sich selbst umhängte, und einem Akkordeon, welches er mit den Worten „Hier, zieh das an“ dem verdutzten Rainer Roos reichte. Nach einem witzig-flapsigen Wortgefecht des Klassik-Dream-Teams wurde das gesamte Publikum als Chor eingespannt. Ein hinreißendes komisches Ständchen für die Sponsoren folgte.
Und natürlich ging niemand von der Bühne, bevor nicht die Backnanger Tradition erfüllt wurde: Der ultimative Abschluss jedes classic-ope(r)n-airs ist und bleibt
„O sole mio“. Stehende Ovationen des Publikums waren der Lohn.