DAM-Preis 2023
Hohe Auszeichnung für Architekten aus Stuttgart für ein Landratsamt
Deutschlands bestes Gebäude ist ein Landratsamt in Starnberg. Es wurde von den Architekten Auer Weber entworfen. Auch andere Projekte von Stuttgarter Architekten kamen in die engere Auswahl des renommierten DAM-Preises 2023.

© Aldo Amoretti/DAM-Preis 2023
So einladend kann ein Landratsamt sein: Der Erweiterungsbau in Starnberg von Auer Weber Architekten aus Stuttgart/München ist Sieger des DAM-Preises 2023.
Von Nicole Golombek
Ämter sucht der Mensch für gewöhnlich nur auf, wenn es unbedingt sein muss: nicht nur wegen der oft unerquicklichen Verwaltungsangelegenheiten, sondern weil es oft Unorte sind mit langen dunklen Gängen, grau in grau, unwirtlich. Franz Kafkas groteske Schilderungen labyrinthisch verschachtelter Amtsgebäude sind häufiger in der Realität anzutreffen, als es zu wünschen wäre. Dass es auch anders geht, zeigen Auer Weber Architekten mit Sitz in Stuttgart und München mit ihrem Landratsamt im bayerischen Starnberg.
Das Gebäude erhält nun schon zum zweiten Mal eine hohe architektonische Auszeichnung. Die Architekten Fritz Auer und Carlo Weber hatten 1982 nach dem Wettbewerb den Zuschlag für den Bau erhalten und wurden dafür 1989 mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichnet. Nun belohnt die Jury des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt das Architekturbüro mit dem renommierten DAM-Preis 2023 für ihre Erweiterung des Landratsamts.
Das viel gelobte Münchner Volkstheater der Stuttgarter LRO Architekten des jüngst verstorbenen Architekten Arno Lederer ging ebenso leer aus wie der andere Finalist aus dem Land – das gleißend helle, eindrucksvolle Stadtbahnprojekt von Allmann Sattler Wappner Architekten und dem Lichtdesigner Ingo Maurer in Karlsruhe. Auf der Shortlist fanden sich weitere Bauten von Stuttgarter Architekten, darunter ein Wohnhaus im Schwarzwald mit geringem CO2-Fußabdruck von den Amunt Architekten Sonja Nagel und Jan Theissen.
Überzeugt hatte die Jury am Siegerbau von Auer Weber die stimmige Weiterentwicklung eines bereits bestehenden Gebäudes. „Um eine Architektur der 1980er Jahre in Stil, Form und Materialität des ursprünglichen Entwurfs weiterzubauen, braucht es Verständnis für die Qualitäten des Bestands, Respekt vor dem Werk und nur behutsame Anpassungen an heutige Bedürfnisse“, sagen die Jurymitglieder Dijane Slavic und Uwe Bresan am Freitag bei der Preisverleihung in Frankfurt: „Alle drei Bedingungen widersprechen eigentlich unserem auf Fortschritt und Innovation versessenen Zeitgeist. Dass die Erweiterung des Starnberger Landratsamtes gelungen ist, darf daher als ein großer Glücksfall gelten.“
Bauen im Bestand wird gelobt
Mit der Auszeichnung liegt die Jury im Trend. Denn belohnt wird nicht unbedingt der ästhetisch gewagteste Wurf, sondern ein politisch korrekter. Umbauen im Bestand ist ein gesellschaftspolitisch wichtiges Thema, steht doch die Baubranche wegen des hohen CO2-Verbrauchs heftig in der Kritik. Zum nachhaltigen Bauen gehört eben nicht nur, bei Neubauten möglichst wenige Schadstoffe zu verwenden, sondern die Lebenszeit von Gebäuden überhaupt zu verlängern. Mit durchschnittlich nur 30 bis 50 Jahren Lebenszeit für ein öffentliches Gebäude hätte das 1985 bis 1987 entstandene Landratsamt also eigentlich abgerissen werden müssen. Während sich Stuttgart derzeit anschickt, solche „Altbauten“ wie die Schleyerhalle eben nicht zu sanieren, hat man in Starnberg anders entschieden. Der über die Jahre gestiegene Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterbedarf hatte nicht Abbruch und Neubau nach sich gezogen, sondern ein Weiterbauen im Bestand. Die Architekten entschieden sich gegen einen architektonischen Kontrapunkt, sondern gleichen den Neubau dem Bestand an – als KfW-55-Effizienzhaus konzipiert, Heizung und Kühlung erfolgen über eine Bauteilaktivierung. Eine Grundwasser-Wärmepumpe wird durch die neue Photovoltaikanlage versorgt und ermöglicht eine CO2-freie Wärmeerzeugung.
Genau dieser Ansatz überzeugte die Jury: „Die eigene Arbeit Korrektur zu lesen ist schwierig. Wie gerne verschließt man doch die Augen vor der eigenen Unzulänglichkeit, hakt ab, geht weiter. Auer Weber haben sich der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schaffen gestellt, genau hingeschaut und weitergedacht“, sagt Jurymitglied Uta Winterhage. Juryvorsitzender Martin Haas betont die Akzeptanz des Gebäudes auch bei nicht nur architekturaffinen Menschen, den Nutzern des Gebäudes nämlich: „Die Qualitäten des Gebäudes haben sich bis heute bewährt. Die Ergänzung hat trotz der technischen Herausforderungen unserer Tage nichts davon eingebüßt. Die Nutzer lieben das Haus. Besseres kann einem Gebäude nicht widerfahren.“
Einladendes Amtsgebäude
Das viele Glas außen wie innen, das auch im übertragenen Sinn Transparenz herstellen soll, die umlaufenden Veranden, die horizontale Ausrichtung – all das verhindert, dass das Gebäude trutzig, abweisend daherkommt. Ein öffentlicher Fußweg, ein Innenhof mit Bäumen und Wasserbecken hinunter zum Seeufer wollen für hohe Aufenthaltsqualität sorgen – sogar für diejenigen, die hier vielleicht gar nichts zu erledigen haben.
Ein Amtsgebäude darf durchaus lange leben, einladend wirken, die Botschaft gibt der DAM-Preis 2023 Architekten wie Bauherren und politischen Entscheidern mit.
Info
DAM-Preis Seit 2007 werden mit dem DAM-Preis für Architektur in Deutschland jährlich herausragende Bauten in Deutschland ausgezeichnet. Der „Architekturführer Deutschland“, das Buch zum Preis, erscheint im Jovis-Verlag.
Ausstellung Der Sieger, Finalisten, Bauten der Shortlist und drei Projekte aus dem Ausland sind bis zum 1. Mai im Deutschen Architekturmuseum im DAM Ostend (Henschelstr. 18) in Frankfurt ausgestellt. Führungen sind samstags und sonntags, 15 Uhr.
Der Preisträger Das Architekturbüro Auer Weber mit 140 Mitarbeitern und Sitz in Stuttgart und München hat Wettbewerbe wie den Neubau des Hauptbahnhofs München gewonnnen und baut aktuell im Land, das „Campus Founders“-Gebäude in Heilbronn etwa, die Kreissparkasse Leonberg und eine Schwimmhalle in Ludwigsburg.

© Aldo_Amoretti/DAM Preis 2023
Die Architekten Auer Weber Assoziierte aus Stuttgart entwarfen die Erweiterung des Landratsamtes Starnberg. Sie waren auch in der Finalistenrunde zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur.

© Aldo Amoretti/DAM Preis 2023
Hell und offen: Blick ins Innere des Landratsamtes. Und man sieht: . . .

© Aldo Amoretti/DAM Preis 2023
. . . auch ein bisschen Farbe ist erlaubt in einem öffentlichen Gebäude.

© Aldo Amoretti/DAM Preis 2023
Das Gebäude ist in Starnberg – am gleichnamigen See – gelegen.

© Roland Halbe/DAM Preis 2023
Einer der Finalisten: das neue Volkstheater in München von den Stuttgarter Architekten Lederer Ragnarsdóttir Oei

© Brigida González/DAM Preis 2023
Der Stadtbahntunnel in Karlsruhe von Allmann Wappner Architekten und dem Lichtkünstler Ingo Maurer ist auch nominiert gewesen.

© Studio Bowie/DAM Preis 2023
Finalist: Umbauten sind auch der Nachhaltigkeit wegen geschätzt: hier der Umbau einer Scheune in ein genossenschaftliches Wohn- und Gewerbehaus in Prötzel, Brandenburg – Entwurf vom Büro Hütten & Paläste.

© PK Odessa, Lanz und Schels/DAM Preis 2023
Finalist: Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins in München von Hiendl Schieneis Architektenpartnerschaft in Passau. Auch ein Umbau im Bestand.

© Rasmus Norlander/AMUNT Nagel Theissen Architekten/DAM Preis 2023
Auf der Shortlist sind die folgenden Objekte: Das Ferienhaus „Friha“ im Schwarzwald von den Stuttgarter Architekten Amunt Nagel Theissen. Das Projekt wurde kürzlich auch mit einer Anerkennung des Wüstenrot-Gestaltungspreises 2023 ausgezeichnet.

© Sebastian Schels /DAM Preis 2023
Mehr* Architekten aus Kirchheim sind mit der Brauereihalle in Kirchheim unter Teck vertreten.

© Achim Birnbaum Architektur Fotografie/DAM Preis 2023
Das Nationalparkzentrum Ruhestein in Baiersbronn im Schwarzwald von Sturm Wartzeck steht auf der Shortlist.

© Yohan Zerdoun/DAM Preis 2023
Von Pasztori Simons stammt das Künstleratelier Studio D in Berlin.

© © Wilmina | Patricia Parinejad/DAM Preis 2023
Hotel Wilmina in Berlin – früher mal ein Frauengefängnis. Den Umbau besorgten Grüntuch Ernst Architekten.

© Francesca Iovene/DAM Preis 2023
Noch ein Umbau: Gutshof Güldenhof in Stechlin ist jetzt dank Heim Balp ein Atelier.

© Philip Heckhausen/DAM Preis 2023
Architektin Stephanie Hirschvogel hat das „Grüne Haus“ in Schongau (Bayern) saniert und umgebaut.

© Stefan Melchior/DAM Preis 2023
Sanierung der Audimax Universität Braunschweig von Krekeler Architekten

© Alexander Fthenakis/DAM Preis 2023
Nachverdichtung: Aufstockung des Justizgebäudes in Aschaffenburg von der Fthenakis Ropee Architekten Kooperative

© Andrew Alberts/DAM Preis 2023
Wohnen für Generationen: Eine Baugruppe verschiedener privater Bauherren hat für das Wohnprojekt „Spiegelfabrik“ in Fürth das Architekturbüro Heide von Beckerath aus Berlin beauftragt.

© Michael Heinrich/DAM Preis 2023
Mehrfamilienprojekt: Wohnen am Hohentorsplatz in Bremen von Hild + K.

© Zara Pfeifer/DAM Preis 2023
Experimentelles Wohnhaus in Groß Kreutz – Schmergow von C/O NOW Architekten

© Gregor Schmidt Fotografie/DAM Preis 2023
Ausfahrt nicht verpassen: Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel Sömmerda auf der A 71 von Mono Architekten

© Simon Menges/DAM Preis 2023
Auch Renommierprojekte großer Büros sind nominiert: Grundinstandsetzung Neue Nationalgalerie Berlin durch David Chipperfield Architects . . .

© Simon Menges/DAM Preis 2023
. . . und das Museum Küppersmühle, Duisburg, von Herzog & De Meuron . . .

© HG Esch/DAM Preis 2023
. . . sowie die Isarphilharmonie in München, von GMP von Gerkan Marg und Partner.

© Jan Bitter/DAM Preis 2023
Und das Bürohaus Luisenblock Deutscher Bundestag Berlin von Sauerbruch Hutton

© Kurt Hörbst/DAM Preis 2023
Eines der drei Auslandsprojekte: Von der Lehmbaupionierin Anna Heringer aus Bayern stammt der Entwurf für das Therapiezentrum Anandalo in Bangladesch.

© BAI Yu/DAM Preis 2023
Zweites Auslandsprojekt: Shenzen Skypark in Shenzen, China, von dem Büro Crossboundaries

© James Brittain/DAM Preis 2023
Und noch eines der drei Projekte im Ausland: Montréal Insectarium in Montreal, Kanada – von Kuehn Malvezzi + Pelletier de Fontenay + Jodoin Lamarre Pratte Architects