„Ich leb alle meine Fantasien aus“

Das eine oder andere im Programm „Offenes Visier“ von Django Asül kommt den treuen Fans in der Auenwaldhalle bekannt vor. Aber auch die dramaturgischen Konstruktionen wiederholen sich beim Gruschtelkammer-Auftritt des deutsch-türkischen Kabarettisten.

Schluckt vor und nach der Pause jeweils ein Weizen weg: Django Asül. Das ist seit jeher schon Teil seines Programms. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Schluckt vor und nach der Pause jeweils ein Weizen weg: Django Asül. Das ist seit jeher schon Teil seines Programms. Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

Auenwald. Django Asül, der deutsch-türkische Kabarettist, 1972 geboren in Deggendorf, wurde, wie er selbst sagt, „sozialisiert von niederbayerischen Aborigines“ und also schon sehr früh „zum strengen Antikommunisten erzogen“. Anzumerken ist ihm das nicht mehr.

Zum wiederholten Male in der Auenwaldhalle als dem aktuellen Spielort der Gruschtelkammer zu Gast, kündigte der Künstler ein kurz vor der Pandemie geschriebenes Programm an, in dem seinen treuen Fans, dann doch das eine oder andere bekannt vorkommen dürfte. Sprach er nicht schon immer viel von seinen Freunden in Hengersberg, allen voran der Hans? Fand er die jeweils aktuelle Location nicht schon früher immer „mondän“, und hat er denn die Lehrerschaft nicht schon seit langer Zeit nicht gerade gemocht? Nein, es sind nicht allein die dramaturgischen Konstruktionen, die sich wiederholen, es sind auch ein Teil der Inhalte, die er mitschleppt, als seien sie einfach zu gut, um sie dranzugeben. Und so löst er sein Versprechen aus der Vorankündigung nicht ganz ein: Offenes Visier. „Ganz ohne Scheuklappen und toten Winkel“ komme er, heißt es dort, jedoch sind manche seiner Gags, wenn nicht tot, so doch ganz schön alt.

Mit Vorurteilen kann Django Asül nicht viel anfangen

Immerhin: Django Asül kommt beinahe ohne persönliche Politikerschelte aus und macht sich über eine zu grassieren scheinende Faktenscheu lustig: „Fakten sind wichtig, sie müssen schon auch mit den Tatsachen übereinstimmen.“ Vorurteilen erteilt er eine Absage, indem er sie zitiert und dann hin und her dreht, als betrachte er einen Gegenstand in seinen Händen von allen Seiten, ratlos fast, als wolle er sagen, dass er nichts damit anfangen kann. Das Stichwort von den „unüberbrückbaren Differenzen“, welches sich hier ergibt, führt dann direkt ins Schlafzimmer: Sex ohne Licht oder Licht ohne Sex? Solche Fragen also. Er lebe alle seine Fantasien aus, nicht nur die erotischen, sagt Django Asül beziehungsweise die Figur, in der er sich da begeben hat. Die mag Rollenspiele und weiß sich daraus zu befreien, die erzählt von Erfahrungen aus der Immobilienbranche, wonach „die Vermieter auch immer komplexer“ werden, denn ein türkischer Ingenieur sei aus deren Sicht „fast schon wieder ein Schwede“ – guter Mieter also. Von WGs ist die Rede und von Individualisierungswahn, von Fernsehsendungen wie „Was bin ich?“ und „Die verflixte Sieben“. Erstere sei eine Mischung aus „Wer wird Millionär?“ und den Nürnberger Prozessen gewesen (was immer der Kabarettist damit sagen will). Und Letztere habe in einem Satz das Schicksal der Deprimierten zusammengefasst: „Das wäre ihr Preis gewesen“ (schon eher zum Lachen).

Ein „historischer Teil“ nimmt das Publikum mit nach Malta, und nach der Pause freut sich der Künstler, dass „keiner abg’haut“ ist. Karl May? „Ein Ossi, der Western geschrieben hat. Finde den Fehler!“ Dass der Zwickauer Autor die DDR nicht mehr erlebte, habe Djangos Alter Ego gerade nicht auf dem Schirm gehabt. Dafür aber „Fridays for Future“ – das Herz geht ihm auf, weil: „Ich habe damals freitags auch immer geschwänzt.“

Da ist manchmal eine gewisse Undifferenziertheit oder Beliebigkeit im Inhaltlichen, die man bedauern kann, weil der Kabarettist, sie nicht nötig zu haben scheint. Auch dramaturgisch droht er sich zwischen all den Themen plus Demenz und Lektüregewohnheiten, Deutsche Bahn und deutscher Flughafen, bedingungslosem Grundeinkommen und Schlussappell zu verzetteln. Er kriegt jedoch die Kurve, weil er seinem Programm einen Rahmen gebastelt hat, in weiser Voraussicht wahrscheinlich.

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Erstellt:
21. Februar 2022, 06:00 Uhr

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