Im Backnanger TOM ist vorerst Schluss mit Kultur
Der außergewöhnliche Betonbau TOM des Backnanger Bildhauers Norbert Kempf am Bahnübergang in der Spinnerei sollte eigentlich eine Kombination aus Gastronomiebetrieb und Ort der Kunst werden. Nun zieht mangels geeigneter Pächter vorerst eine Marketingagentur ein.
Von Kai Wieland
Backnang. Ein wenig fühlt es sich bereits nach Abschied an, obwohl die Augustsonne es gut meint an diesem Tag. Die Lichtstrahlen fallen durch die Betonbrüstung und werfen eigentümliche Schattenmuster, bunte Klappstühle verteilen sich ohne klare Ordnung über die Terrasse, dazwischen stehen Pflanzentöpfe, in denen Zitronen und Feigen wachsen. Ab und zu rollt ein Zug am Haus vorbei, in die andere Richtung blickt man durch üppiges Grün hinab zur Murr und hinüber zum Wohngebiet in der Taus. Noch ist der Schlussakkord im TOM zwar nicht erklungen, denn mit Fabian Baurs Ausstellung „Amerika“ steht noch ein letztes Kulturevent auf dem Programm, doch danach ist vorerst Schluss mit Kunst in dem außergewöhnlichen Betonbau am Bahnübergang.
Das TOM ist in seiner heutigen Daseinsform das Werk des Backnanger Bildhauers Norbert Kempf, der gleich nebenan im ehemaligen Bahnwärterhäuschen wohnt. Vielen Backnangern sind zudem die Vorgängeretablissements, damals bekannt als Onkel Tom’s Hütte und Café Fidel (wir berichteten), noch in heiterer Erinnerung. Norbert Kempf hatte das Gebäude nach der Jahrtausendwende erworben und zunächst verpachtet. Im Jahr 2014 wurde es schließlich abgerissen und ein kunstvoller Neubau aus Beton entstand über einen Zeitraum von rund sieben Jahren hinweg. Entworfen wurde das Gebäude für einen Gastronomiebetrieb, zugleich sollte es allerdings ein Zuhause für Kunst und Kultur sein. „Ich habe dieses Ensemble aus Wohnhaus, Werkstatt und Gaststätte immer so gesehen, dass hier Vernissagen und Finissagen stattfinden und sich dabei die Kunst mit der Kulinarik verbindet“, erklärt Kempf.
Es hat sich kein Pächter gefunden
Während zunächst die Pandemie das Thema auf Eis legte, fand sich auch in der Folgezeit trotz intensiver Suche kein geeigneter Pächter – kaum zu glauben angesichts des eindrucksvollen Gebäudes und der außergewöhnlichen Lage, zumal die Vorgängerkneipen durchaus gut liefen. „Ich habe damit natürlich auch nicht gerechnet“, sagt Norbert Kempf ehrlich. „Hätte ich gewusst, dass es so schwierig sein würde, jemanden dafür zu finden, hätte ich es womöglich gar nicht erst gemacht.“ Tatsächlich habe es so gut wie keine Bewerber gegeben und die wenigen Ausnahmen hätten einen unseriösen Ruf gehabt.
Die stimmungsvollen und architektonisch spannenden Räumlichkeiten wurden daher nur sporadisch für Kunst- und Kulturveranstaltungen genutzt, erstmals anlässlich des Backnanger Kultursommers 2021. „Ich bin auf das Bandhaus-Theater zugegangen und direkt auf Interesse gestoßen“, erzählt Kempf. Er organisierte vier einwöchige Ausstellungen, jeweils mit Vernissage und Finissage sowie mit der Besonderheit, dass die Räume aufgrund von Corona nicht betreten werden durften. „Die Kunst war innen, die Rezipienten schauten von außen über eine Rampe hinein“, erklärt Norbert Kempf.
Konzept geht nur teilweise auf
In der Folge ergab sich auch eine Kooperation mit der Galerie der Stadt Backnang. „Die Idee war, dass bei mir in einer Art Außenstelle eine andere Perspektive der ausstellenden Künstler gezeigt wird“, sagt Kempf. „Außerdem fanden bei mir die Vernissagen mit Essen und Trinken statt.“
Das Konzept sei allerdings nur teilweise aufgegangen. Er habe sich erhofft, dass erstens die ausgestellten Werke thematisch auf die Räumlichkeiten eingehen und in einer Beziehung zu diesen stehen würden, doch in der Praxis sei das mit Künstlerinnen und Künstlern, die in Berlin oder Leipzig lebten, nicht umsetzbar gewesen. „Das hätte ein sehr intensives Engagement im Vorfeld erfordert, was eben nicht immer aufgeht.“ Zweitens wollte Kempf auch bei diesen Anlässen die kulinarische Seite in das Ausstellungskonzept einbeziehen, doch sei diese Verbindung zumeist oberflächlich geblieben. „Ich finde, dieser Gedanke ist nach wie vor eine gute Geschichte. Es muss aber intensiver umgesetzt werden.“
Die allsonntäglichen Veranstaltungen mit Kaffee, Kuchen und Kunst sowie oftmals mit Musik und Performance, die Kempf organisierte, ermöglichten der Öffentlichkeit das Betrachten der Kunst, das gemeinsame Reflektieren und das Führen von Gesprächen, doch war der Zulauf zumeist überschaubar – einmal mehr zeigte sich, dass es Kunst in Randlage schwer hat, zumal ohne angeschlossene Gastronomie.
Die aktive Suche hat Norbert Kempf nun aufgegeben, ab September ist das TOM an ein Marketingunternehmen vermietet. Eine Weiternutzung als Kulturort sei vorerst nicht angedacht, mit Ausnahme von einem Tag im Jahr, an dem er selbst das Gebäude bespielen darf. Einen Funken Hoffnung behält der Künstler aber doch: „Wenn jemand kommt und es ernst meint, habe ich natürlich ein offenes Ohr.“