Interview: Die Idee des Partnerstädtefestivals in Backnang

Mitten in Europa (1) Im Oktober findet in Backnang das Partnerstädtefestival „Mitten in Europa“ statt, für welches Ensembles und Künstler aus den Partnerstädten anreisen. Jasmin Meindl und Juliane Putzmann vom Bandhaus-Theater sprechen im Interview über die Idee des Events.

Mit artistischen Einlagen begeistert das Ensemble „Or, lá…“ seine Zuschauer, hier im französischen Beausemblant. Fotos: Rachel Paty

© Rachel PATY

Mit artistischen Einlagen begeistert das Ensemble „Or, lá…“ seine Zuschauer, hier im französischen Beausemblant. Fotos: Rachel Paty

Frau Meindl, Frau Putzmann: Was dürfen die Besucher des Partnerstädtefestivals „Mitten in Europa“ erwarten?

Meindl: Ein Programm, das in seiner Zusammenstellung außergewöhnlich und im besten Sinne kunterbunt geworden ist. Wann hat man schon die Gelegenheit, Künstler aus allen Partnerstädten, zu denen Backnang Freundschaften pflegt, gleichzeitig erleben zu können? Ich weiß gar nicht, auf was ich mich mehr freue: Auf das Straßentheater, die unterschiedlichen Musikrichtungen von Rap bis Klassik, Rock- und Volksmusik, die Tanz- und Graffitiprojekte oder den politischen Frühschoppen, bei dem Kultur auf Politik trifft.

Wie kam die Idee für das Festival zustande? Hat der Krieg in der Ukraine dazu beigetragen?

Meindl: Nein, obwohl es ein guter Grund gewesen wäre. Die Europäische Union entstand auch aus einem tiefen Bedürfnis nach Frieden heraus, nach den schrecklichen Kriegs- und Leidenserfahrungen im 20. Jahrhundert. Die Partnerstädtevereine haben in diesem Sinne immer eine wichtige Arbeit geleistet, damit die Annäherung zwischen den ehemals verfeindeten Ländern auch auf einer persönlichen Ebene wieder möglich war. Wir möchten mit dem Festival dieser wichtigen Arbeit eine Bühne geben und sie ein Wochenende lang in den Mittelpunkt stellen. Europa ist heute ein Synonym für Freiheit, Wohlstand und Frieden. Es lohnt sich, sich dafür zu engagieren. Vielleicht gewinnen die Vereine durch das Festival ein paar neue Leute, die sie in Zukunft bei ihrer Arbeit unterstützen wollen.

Jasmin Meindl (links) und Juliane Putzmann freuen sich auf den internationalen Besuch.

© Alexander Becher

Jasmin Meindl (links) und Juliane Putzmann freuen sich auf den internationalen Besuch.

Welche Vorbereitungen mussten Sie treffen und wie lange hat es gedauert, diese umzusetzen?

Putzmann: Vorab galt es vor allem, alle Beteiligten ins Boot zu bekommen und für die Sache zu begeistern, was aber das kleinste Problem war. Die Idee überzeugte eigentlich sofort. Dann ging es darum, einen schlüssigen Ablaufplan zu entwickeln, der ein dichtes, vielseitiges Programm darstellt, uns, die Beteiligten und Zuschauer aber nicht überfordert. Die ganz konkrete Vorbereitungsarbeit findet jetzt gerade und die nächsten Wochen statt. Wo kommt der Strom her? Wo können sich die Gruppen vorab aufwärmen? Wer begleitet welche Gruppe wann wohin? Was wenn es regnet? Je näher das Festival rückt, desto mehr Fragen tun sich plötzlich auf.

Ist auch die Stadtverwaltung in das Projekt eingebunden?

Putzmann: Die Stadt unterstützt das Festival finanziell und ideell. Die Mehrheit des Gemeinderats hat das Projekt wohlwollend angenommen und sich für einen finanziellen Zuschuss ausgesprochen. Das Bespielen von öffentlichen Plätzen erfordert gute Koordination und genaue Absprachen. Das Rechts- und Ordnungsamt hat das Projekt von Anfang an unkompliziert begleitet und Möglichkeiten aufgezeigt.

Meindl: Die Finanzierung war allerdings dennoch der schwierigste Teil. Wir hatten auf mehr Fördergelder gehofft.

Im Oktober 2020 haben Sie bereits das Theaterfestival „Vereinigt Euch!“ veranstaltet. Konnten Sie Erfahrungswerte daraus mitnehmen?

Putzmann: Wir greifen auf die Erfahrungswerte auf jeden Fall zurück. Auch wenn am Ende jedes Projekt individuell ist und seine eigenen Herausforderungen in sich birgt. Dazu haben wir ja schon viele Male die Schultheatertage organisiert und auch die Freilichtstücke haben uns in vielen Bereichen geschult. Es geht meiner Meinung nach neben einer weitsichtigen Planung vor allem auch um die ständige Kommunikation zwischen allen Beteiligten.

Zurück zum diesjährigen Festival. Wie sehen die Beiträge aus den Partnerstädten jeweils aus?

Meindl: Aus Annonay kommen zwei Ensembles „SiSiNonNon“ und „Or, lá…“, zwei Stücke, die Geschichten mit wenig Sprache erzählen. Sehr körperbetontes Schauspiel, dem Zirkus ähnlich, mit viel Akrobatik. Das Paten- und Partnerschaftskomitee Bácsalmás–Backnang hat die Deutsche Bühne Ungarn eingeladen mit dem Stück „Schweres Gepäck“. Es erzählt die Geschichte der Ungarndeutschen im 20. Jahrhundert und von ihren Erfahrungen mit der Vertreibung aus der Heimat. Aus Chelmsford kommt eine Rockband „Gentlemen of iO“, die englische, irische und schottische Volksmusik mit einem Schuss Rock kredenzt, und wenn es klappt, wird die alte Turmstation der Stadtwerke von den beiden Graffitikünstlern Scotty und Howard gestaltet. Das wäre natürlich schön, wenn ein Bild, das während des Festivals entstanden ist, zurückbleiben würde. Aber das ist noch nicht spruchreif. Backnang beteiligt sich selber natürlich auch. Die Backnanger Agentur Adkru wird einen kostenlosen Graffiti-Workshop für Jugendliche durchführen, die Tanzschule „Dance Intense“ zeigt in der Stadt ihre Leidenschaft für Bewegung und am Stiftshof gibt es eine Art Dance-Rap-Happening. Die Musiker Dani Suara, Breichle und Benny Redick unterstützen das Festival mit ihrer Musik. Die Ungarndeutsche Heimatblaskapelle wird im Biegel bei 60plus auftreten – und noch eine Besonderheit gibt es zu hören: Mare Tera ist ein A-cappella-Chor aus Barge im italienischen Piemont. Sie singen traditionelle Lieder aus den Tälern der westlichen Alpen. Barge ist wie Backnang als Partnerstadt mit Annonay verbunden.

Könnte sich das Festival bei entsprechender Resonanz zu einem wiederkehrenden Event entwickeln?

Putzmann: Es wäre aus unserer Sicht wünschenswert. Das Kennenlernen, Vernetzen und Austauschen mit unseren europäischen Nachbarn, auch mit Menschen überhaupt, kann gar nicht genug zelebriert werden.

Meindl: Das Konzept hat noch viel Potenzial, sich zu entwickeln. Das erste Mal ist doch immer nur ein Anfang, oder?

Das Gespräch führte Melanie Maier.

Rahmenprogramm Das Festival startet am Freitag, 6. Oktober, um 18 Uhr mit der Welcome-Party im Murrpott auf dem IBA-Gelände in der Fabrikstraße 76i, bei der die Gäste mit Musik und Essen willkommen geheißen werden. Am Samstag um 10 Uhr wird Oberbürgermeister Maximilian Friedrich das Festival offiziell eröffnen. Zum Abschluss gibt es am Sonntag um 11 Uhr einen politischen Frühschoppen mit einem Impulsreferat des Europa-Historikers Carsten Kretschmann (Universität Stuttgart). Das Festivalprogramm liegt in der Stadt an verschiedenen Stellen aus und ist online unter www.mitten-in-europa.de einsehbar.

Zum Artikel

Erstellt:
8. September 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen