Interview zum classic-ope(r)n-air in Backnang: „Als einmaliges Konzert geplant“
Vor einem Vierteljahrhundert hat das classic-ope(r)n-air seine Premiere gefeiert. In diesem Jahr treten unter der Leitung von Rainer Roos vier Solisten sowie Musiker des Staatsorchesters Stuttgart und der Stuttgarter Philharmoniker auf.
Backnang. „Einkehr – Gipfelglück“ – der Titel des 25. classic-ope(r)n-airs verrät, was die Zuhörerinnen und Zuhörer auf dem Backnanger Marktplatz erwarten dürfen: musikalische Höhepunkte der vergangenen 24 Jahre. Im Gespräch erinnert der Dirigent und musikalische Leiter Rainer Roos an die Anfänge der Veranstaltung und gibt einen Einblick ins Programm des Konzertabends.
Herr Roos, wie kam die Idee zum ersten classic-ope(r)n-air 1998 auf?
Von 1986 bis 1988 habe ich Backnang mindestens einmal täglich zu Fuß durchquert. Damals war ich in Burgstetten wohnhaft und besuchte den Musikleistungskurs am Backnanger Tausgymnasium. Da die Busverbindung sehr kompliziert war, war es effektiver, die 2,7 Kilometer vom Backnanger Bahnhof zu Fuß zurückzulegen. Am Marktplatz dachte ich des Öfteren: Es wäre toll, wenn da mal ein Konzert stattfinden würde. Dann begann aber mein Studium und danach ging es ganz schnell an die Stuttgarter Staatsoper. 1993 entstand der Kontakt auf professioneller Ebene mit dem Backnanger Bürgerhaus. 1995 habe ich erstmals die Idee geäußert, ein Open-Air-Konzert auf dem Marktplatz zu veranstalten. Der damalige Kulturamtsleiter Klaus Erlekamm und Oberbürgermeister Jürgen-Heinrich Schmidt hatten zum Glück ein offenes Ohr dafür. Wir haben die Veranstaltung für das Jahr 1998 geplant, mit einer relativ langen Vorlaufzeit also, da keine Vorerfahrung herrschte, was ein solches Großprojekt angeht. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt ehrlich gesagt auch noch nicht so erfahren, ich war bei der ersten Ausgabe erst 29 Jahre alt.
Hätten Sie damals gedacht, dass die Konzertreihe mehr als 25 Jahre später noch bestehen würde?
In keiner Weise. Das war ursprünglich als einmalige Veranstaltung geplant. Doch nach dem ersten classic-ope(r)n-air kamen sehr viele Nachfragen aus der Backnanger Bevölkerung. Also haben wir uns an die Fortsetzung gemacht. Und von Jahr zu Jahr hat das Konzert mehr Zuschauer gefunden. 1999 haben wir einmal eine Operettengala gegeben, 2000 wieder reine Oper. Mit der Zeit ist das heutige Konzept entstanden, das den Charakter des classic-ope(r)n-airs ausmacht: Der erste Teil konzentriert sich auf Oper, der zweite Teil auf Cross-over, Musical und Entertainment. Inzwischen ist der Konzertabend ein fester Bestandteil des Backnanger Kulturprogramms geworden, was mich natürlich sehr glücklich macht.
Sie haben bis jetzt jedes classic-ope(r)n-air selbst geleitet.
Darüber bin ich auch wirklich froh. Zu Beginn war ich noch in festen Engagements, also quasi Angestellter bei verschiedenen Opernhäusern. Hier und dort war es etwas schwierig, sich freizuschaufeln. 2011 habe ich zum Beispiel am Freitagabend noch die Open-Air-Premiere von „Die Schöne und das Biest“ auf dem Magdeburger Domplatz dirigiert. Zum Glück konnte ich die Auftraggeber davon überzeugen, dass die zweite Vorstellung der Chordirektor übernimmt. Am Samstag konnte ich somit in Backnang dirigieren, am Sonntag stand ich wieder in Magdeburg auf dem Domplatz am Pult. Zweimal ist mir auch die Stadt Backnang entgegengekommen, weil es bei mir einfach terminlich nicht anders ging. Da fand das classic-ope(r)n-air eine Woche nach dem Straßenfest statt, was aber organisatorisch für die Stadt ein bisschen suboptimal ist.
Wir hatten schon immer eine tolle Auswahl an Solisten
An welche Höhen und Tiefen erinnern Sie sich rückblickend?
Tiefen gab es zum Glück sehr wenige. Wir hatten schon immer eine tolle Auswahl an Solisten, daher waren es viel mehr Höhen.
Welche Solisten treten dieses Jahr auf?
Dieses Jahr werden gleich drei Debütanten zu hören sein. Xenia von Randow ist eine junge Sopranistin aus Düsseldorf. Mit ihr arbeite ich regelmäßig seit 2015 zusammen. Sie singt dieses Jahr die Agathe im „Freischütz“ bei den Schlossfestspielen in Zwingenberg. Tenor Sebastiano Lo Medico steht mit ihr auf der Bühne, er gibt im „Freischütz“ den Max. Er stammt aus Sizilien, wohnt in Münster und hat schon bei zahlreichen Festivals in Deutschland gesungen. Die Österreicherin Misha Kovar wird im zweiten Teil des Abends den Showcharakter auf die Bühne bringen. Sie ist sowohl in der Musicalwelt als auch in der Schlagerwelt ein Star. Zurzeit singt sie die Päpstin im gleichnamigen Musical am Festspielhaus in Füssen. Zudem ist Matias Tosi wieder dabei, den man schon als Publikumsliebling in Backnang bezeichnen kann. Uns verbindet eine lange Freundschaft, das ist weit mehr als eine künstlerische Zusammenarbeit. Und ich glaube, das Stichwort Freundschaft ist auch das, was das classic-ope(r)n-air insgesamt ausmacht. Das Ganze ist zu einer großen Familie geworden. Das betrifft vor allem meine Orchesterinspizientin Dorothea Bellmann und ihren Sohn Viktor Bellmann, den Orchesterwart, die beide seit Jahr eins, seit 1998, dabei sind. Viktor war damals noch Schüler und gehört inzwischen zur festen Bühnentechnikcrew am Staatsschauspiel in Stuttgart. Dorothea Bellmann hält seit 25 Jahren alle Fäden in der Hand.
Weshalb haben Sie sich für den Titel „Einkehr – Gipfelglück“ entschieden?
Das Thema sollte natürlich einen besonderen Bezug zum 25. Jubiläum haben. Es sind viele Stücke dabei, die den Gipfel des Musikschaffens darstellen. Insgesamt möchte ich den Abend feiern als Erfolg, als Gipfel, den alle Beteiligten zusammen erklommen haben. Denn ich glaube, das gibt es selten, dass so etwas wie das classic-ope(r)n-air 25 Jahre Bestand hat. Dass dem so ist, liegt in erster Linie an der Stadt Backnang, die das Konzert Jahr für Jahr ermöglicht hat. Denn auch wenn es ausverkauft ist, verdient die Stadt damit kein Geld, sondern muss es subventionieren.
Was können Sie zum Programm sagen?
Ich habe mir gedacht: Am Anfang muss auf jeden Fall etwas stehen, das auch im ersten Teil des ersten classic-ope(r)n-airs gespielt wurde. Ich habe mich für die Ouvertüre aus dem „Freischütz“ entschieden, weil er für mich so eine große Bedeutung gewonnen hat. In Zwingenberg, wo ich seit 2015 Intendant bin, befindet sich die Wolfsschlucht, ein Originalschauplatz der Oper, unmittelbar hinter dem Schloss. Im ersten Teil bekommt das Publikum unter anderem noch die „Champagner-Arie“ und das Duett „Reich mir die Hand, mein Leben“ aus „Don Giovanni“ zu hören, beides ebenfalls eine Reminiszenz an 1998. Zum Abschluss folgt das „Trinklied“ aus „La Traviata“. Das ist prädestiniert dazu, die Zuschauer zu einem Gläschen Sekt in die Pause zu entlassen.
„Ein weiterer Höhepunkt wird etwa der Song ‚Stars‘ aus ‚Les Misérables‘“
Was folgt im zweiten Teil?
Wir starten mit einer Rocknummer, mit „Smoke on the Water“ von Deep Purple. Das hatten wir auch schon in der Vergangenheit auf dem Spielplan, ein großartiges Orchesterarrangement. Ein weiterer Höhepunkt wird etwa der Song „Stars“ aus „Les Misérables“ sein, den Matias Tosi einmalig schön interpretiert. Das Lied hatten wir erstmalig beim kleinen classic-ope(r)n-air, sag ich mal, im Autokino in Backnang auf den Etzwiesen im Sommer 2020, damals von mir begleitet am Klavier. Und jetzt bringen wir den Song auf den Marktplatz, mit Orchesterbegleitung. Außerdem sind auch ein paar Evergreens wie „Don’t Cry for Me Argentina“ aus dem Musical „Evita“ von Andrew Lloyd Webber oder „All I Ask of You“ aus dem „Phantom der Oper“ dabei.
Sind Sie überhaupt noch aufgeregt?
Doch. Eigentlich könnte man meinen, das 25. Konzert sollte Routine sein, aber es ist immer etwas Besonderes. Ich bin genauso aufgeregt im Vorfeld wie beim ersten Mal. Das ist aber gut so, ich bin froh darüber. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man sich auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruht und nicht mehr 100 Prozent gibt. Tag für Tag steigt die Vorfreude und gleichzeitig auch die Aufregung. Denn wir sind ja auch vom Wetter abhängig.
Wie oft musste der Abend wegen Regens schon im Bürgerhaus stattfinden?
Zweimal. Und beide Male hat es während des Konzerts selbst dann doch nicht geregnet, obwohl beim zweiten Mal eine Regenwahrscheinlichkeit von 95 Prozent angesagt war. Das ist die classic-ope(r)n-air-Magie, sage ich immer. Aber ich will’s auch nicht verschreien. Beim 25. Jubiläum wollen wir natürlich unbedingt, dass es draußen auf dem Marktplatz stattfindet. Deshalb schaue ich ziemlich häufig in meine Wetter-App.
Was erhoffen Sie sich für die kommenden 25 Jahre classic-ope(r)n-air?
In erster Linie erhoffe ich mir, dass dieses Projekt classic-ope(r)n-air die nächsten 25 Jahre im Kulturprogramm der Stadt Bestand haben wird und dass es weiter gut besucht wird. Schön wäre natürlich auch, wenn ich noch ein bisschen dabei sein könnte. So Gott will, bleibe ich gesund und rüstig (lacht). Also noch lache ich, aber beim 50. classic-ope(r)n-air wäre ich dann 79.
Das Gespräch führte Melanie Maier.
Rainer Roos ist im Backnanger Raum aufgewachsen. Von 1988 an studierte er Klavier und Dirigieren an der Opernschule Stuttgart. Bereits mit 20 Jahren erhielt er ein Festengagement an der Staatsoper Stuttgart. Er war Assistent bei den Bayreuther Festspielen und dirigierte unter anderem an den Opernhäusern von Heidelberg, Magdeburg, Luxemburg, Baden bei Wien und Wien. Als langjähriger Gastdirigent dirigierte er zahlreiche europäische Orchester wie das Rundfunkorchester des WDR, die Luxemburger Philharmoniker und das Orchester der Wiener Volksoper. 1998 gründete die Stadt Backnang das classic-ope(r)n-air, Roos ist von Beginn an musikalischer Leiter. Ebenfalls 1998 wurde Roos als erster Kapellmeister am Theater der Stadt Baden bei Wien engagiert. Seit 2011 ist er Chefdirigent der „Strauss-Capelle Wien“. Seit der Spielzeit 2014/15 ist er zudem Intendant der renommierten Schlossfestspiele Zwingenberg am Neckar.
Karten Das classic-ope(r)n-air beginnt morgen Abend um 20.30 Uhr. Die Karten sind komplett ausverkauft. Am Abend selbst können kurzfristig noch Schönwetterkarten erworben werden. Derzeit seien jedoch nur noch um die zehn Karten verfügbar, so Kulturamtsleiter Johannes Ellrott gestern Nachmittag. Eventuell könne es aber noch zu kurzfristigen Absagen von Reservierungen kommen. Die Tickets kosten zwischen 26 (ermäßigt 22) und 38 Euro. Interessierte sollten am besten vorab die Kartenhotline anrufen (07191/894567), um sicherzugehen, dass noch Tickets erhältlich sind. Die Karten können zwischen 19.15 und 20.20 Uhr im Rathaus abgeholt werden (Eingang Gänsebrunnen).