Kabarett mit Christoph Sieber: Spitze Pointen und fliegende Bälle

Mit dem Programm „Mensch bleiben“ unterhält Kabarettist Christoph Sieber das Publikum in der Auenwaldhalle. Von der Bundesregierung über den Medienkonsum bis hin zur katholischen Kirche werden alle durch den Kakao gezogen.

Mit viel Witz und vollem Körpereinsatz unterhielt Christoph Sieber das Publikum in der Auenwaldhalle. Foto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Mit viel Witz und vollem Körpereinsatz unterhielt Christoph Sieber das Publikum in der Auenwaldhalle. Foto: Tobias Sellmaier

Von Klaus J. Loderer

Auenwald. Mit Wortwitz und einem Feuerwerk an Pointen fängt Christoph Sieber das Publikum. Seine Wortspiele machen geradezu akrobatische Wendungen, die so plötzlich und in so komplizierten Schleifen erfolgen, dass er netterweise manchmal so tut, als habe er sich nun selbst darin verfangen. Doch auch die scheinbaren Versprecher gehören zur Show.

„Christoph Sieber macht noch echtes Kabarett“ betonte Charley Graf, der Vorsitzende der Gruschtelkammer, in der voll besetzten Auenwaldhalle, als er es sich nicht nehmen ließ, den Künstler vorzustellen. Der ist kein Unbekannter in Auenwald. Vor 27 Jahren war er am Anfang seiner Karriere erstmals dort. Graf plauderte aus, dass Sieber damals vor dem Auftritt so schüchtern gewesen sei, dass er um den Auftritt gebangt habe. Die 110 Zuschauer seien damals sein größtes Publikum und schließlich von der Parodie auf Matthias Richling hin und weg gewesen. Christoph Sieber konterte nach einer kleinen Lästerei über Veranstalterreden charmant: „Heute ist erstmals das Vorprogramm besser als das Hauptprogramm.“

Ein hochpolitischer Abend, bei dem alle ihr Fett wegbekommen

Inzwischen ist der in Balingen geborene Sieber ein gefragter Kabarettist. Das Publikum in Auenwald bekam sein aktuelles Programm „Mensch bleiben“ zu sehen und erlebte eine bitterböse Abrechnung mit Besonderheiten und Absonderlichkeiten des Menschen. Seine ironischen Spitzen gingen in alle Richtungen und selbstironisch auch gegen sich selbst. „Warum nicht mal wieder so einen richtigen Kackabend haben“, leitete die Aufwärmphase ein mit dem Thema Scheitern, das immer unterschätzt werde. Dass er das als Steilvorlage nutzte, um auf die Bundesregierung zu kommen, sorgte für Schmunzeln. Überhaupt war der Abend hochpolitisch, wobei alle Richtungen gleichermaßen durch den Kakao gezogen wurden, allerdings bekam die FDP doch besonders ihr Fett ab. Bei aller Spöttelei machte sich Christoph Sieber immer für die kleinen Leute stark. Den ersten stürmischen Beifall gab es für „Wie wäre es: Wir klatschen auf dem Balkon für die Bundeswehr und geben die hundert Milliarden an die Pflege.“

Es folgte ein Bonmot auf das andere. Sieber brach eine Lanze für den Zweifel: „Zweifeln ist der Beginn des Denkens.“ Er regte das Hinterfragen und das Zuhören an. Aber es habe sich eingeschlichen, dass sogenannte Fachleute Antworten geben, ohne die Frage zu beachten. Sieber machte auf viele sich einschleichende Unsitten aufmerksam. Er forschte auch der Frage nach, warum die negativen Dinge immer so hervorgehoben werden. Er nahm sich selbst nicht aus: „Ich muss morgens hoffen, dass etwas schiefläuft, damit ich abends etwas zu erzählen habe.“ In einer Jonglagenummer brachte er fliegende Kugeln und Text wortgenau zusammen, ließ das Publikum gebannt auf die Kugeln starren und verweigerte dann kichernd die Pointe. Den Magier spielte er öfters, wenn er das Publikum in gedankliche Richtungen lockte und ihm dann den Spiegel vorhielt und zeigte, wo es nun gelandet ist.

Immer wieder Fragen an das Publikum gestellt

Immer wieder stellte Sieber Fragen in den Raum wie: „Was wird sich durchsetzen, die menschliche Dummheit oder die künstliche Intelligenz?“ Es folgte ein Vortrag über intelligente Abdunklungssysteme mit einer köstlichen Geschichte über einen verzweifelten Hotelgast, der versucht, das Licht in seinem Zimmer auszuschalten, und schließlich im Flur schläft. Diese wurde noch übertroffen von der Geschichte des intelligenten Kühlschranks, der Harzer Käse nachkauft, obwohl der Eigentümer den gar nicht mag. „App, App, App und fertig ist der Depp“, reimte Sieber spöttisch und sorgte für Dauergelächter im Saal. Bissig hinterfragte er den Dauerkonsum moderner Medien. Zur Datensammelwut im Internet fiel ihm ein: „Kann man seine Seele dem Teufel verkaufen oder gehört die längst Amazon?“

Unvermittelt geriet Sieber in einen Dialog über eine Situation in einem Jobcenter, bei dem der Antragsteller ebenso unvermittelbar ist wie der Sachbearbeiter kaltschnäuzig. „Man hat die Würde durch Hartz IV ersetzt“, resümierte Sieber. Die Gemeinsamkeit all dieser Exkurse war die Suche nach der Menschlichkeit. Mit „lieber faul als immer müde“ karikierte Sieber das mitteleuropäische Arbeitsethos. Für Überarbeitung hatte er auch eine Lösung: „Mit Power-Yoga dem Burn-out entgegenentspannen.“ Das Kapitel zu Demo- und Autokratie schloss er mit dem Reggae-Song „Andere haben Strand, wir haben Grundgesetz.“

Verschwörungstheorien werden zum aberwitzigen Konstrukt

Zwischendurch ging es noch um Verschwörungstheorien, die Sieber zu einem geradezu aberwitzigen Konstrukt zusammenbaute. Er spöttelte über den Männerdutt. Und auch die katholische Kirche durfte im Programm nicht fehlen. Dazu gab es wieder so ein schönes Paradoxon: „Ich glaube nicht an Gott, aber ich bin mir sicher, er weiß es.“ Schnell kam Sieber aber wieder auf die ungleiche Verteilung des Wohlstands zurück und hinterfragte kritisch, warum unser Wohlstand auf der Armut anderer Menschen aufbaut. Das Thema Wohlstandsunterschiede kumulierte schließlich in einem Rollenwechsel Siebers. Kurzerhand nahm er die Rolle seines mit dem goldenen Löffel geborenen schnöseligen Gegenspielers ein, der sich nicht nur darüber amüsierte, das sich das Publikum das Programm überhaupt antut, sondern schnodderig eine Untergangsshow abzog.

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Erstellt:
17. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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