Kai Bosch nimmt an Poetry-Slam-Meisterschaft teil
Interview Der Backnanger Kai Bosch hat vergangene Woche bei den deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam teilgenommen. Dort hat er einen Text über Inklusion und die Bedeutung von respektvoller Kommunikation vorgetragen, eines seiner Herzensthemen.
Backnang/Wien. Im Juli hat der Backnanger Kai Bosch die Baden-Württembergischen Meisterschaften im Poetry Slam gewonnen. Jetzt hat er an den deutschsprachigen Meisterschaften in Wien teilgenommen und sich dort mit über 100 Poeten aus sieben Ländern gemessen. 2015 und 2017 war er bereits dabei, damals allerdings noch in der U20-Kategorie. Der 25-Jährige ist von Geburt an Stotterer und Tetraspastiker. Das thematisiert er auch in seinen Texten und in Workshops, die er leitet.
Vom 2. bis 6. November waren Sie bei den deutschsprachigen Meisterschaften in Wien. Wie haben Sie diese erlebt?
Ich hatte sehr schöne Tage in Wien. Es hat sich die gesamte deutschsprachige Szene des Poetry Slams versammelt, also es waren Leute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz da, aber auch aus dem deutschsprachigen Teil von Belgien und Italien, aus Luxemburg und aus Lichtenstein. Das war ein sehr schönes Zusammenkommen. Wir waren 110 Starterinnen und Starter für den Wettbewerb und etwa 100 Leute außenrum, also Veranstalter, Moderatoren, Leute, die im Hintergrund arbeiten. Das Event ist wie ein großes Stufentreffen. Natürlich will jede und jeder weiterkommen und gewinnen. Aber es herrscht sehr viel Kollegialität.
Leider sind Sie in der Vorrunde ausgeschieden. Aber wie war Ihr Auftritt?
Der Auftritt war top: Ich hatte Spaß und das Publikum hatte Spaß – aus der Jury hatten zumindest zwei Personen nicht ganz so viel Spaß. Aber alles gut. Beim Poetry Slam ist eine gute Portion Glück notwendig. Ein Faktor ist etwa der Startplatz. Ich war auf dem ersten Platz. Und die Jurymitglieder denken sich häufig, dass sie so früh noch keine Höchstwertung geben können, weil sie sich sonst nicht mehr steigern können.
Die Jury wird vor den Auftritten zufällig ausgewählt. Wie funktioniert das?
Wenn Einlass ist, laufen Leute der Veranstaltung herum und fragen, wer in die Jury möchte. In den Vorrunden sitzen jeweils sieben Leute in der Jury. Die bleiben innerhalb einer Veranstaltung gleich. Einem Teil meiner Jury hat Lyrik besser gefallen als Prosa. Darauf hat man keinen Einfluss. Ich hab meinen Text bestmöglich performt, ich bin diesbezüglich sehr zufrieden.
Was hat Ihr Text thematisiert?
Ich hab über Gespräche auf Augenhöhe gesprochen und über Inklusion. Weil ich der Meinung bin, dass gegenseitiger Respekt in Gesprächen viele Vorurteile ausräumen kann, die wir in der Gesellschaft haben. Das habe ich humoristisch verpackt.
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Ich bin mit Texten im Repertoire dort hingefahren, die ich schon öfters präsentiert habe. Allerdings habe ich zwischendurch immer wieder etwas angepasst und kleinere Teile umgeschrieben. Dann habe ich die Texte gut auswendig gelernt, sprachlich vorbereitet, die Betonung und das Tempo geübt. Es gibt bei den Auftritten ein Zeitlimit. Das lag in Wien bei sechs Minuten, danach war der Strom weg, man wurde abgebrochen. Ich habe geübt, auf jeden Fall in der Zeit zu bleiben. Das hat auch geklappt.
Haben Sie die Auftritte der anderen Teilnehmer inspiriert?
Ich habe Texte gehört, da dachte ich „wow“, weil ich das so noch nie gehört hatte. Inspiration für neue Texte habe ich daraus aber weniger mitgenommen, sonder vielmehr aus der gesamten Zeit. Die Gedanken, die man während des Events hat, tragen dann eher zu eigenen neuen Texten bei.
Wenn Sie Poetry Slam machen, ist Ihr Stottern weniger stark ausgeprägt. Hat es beim Auftritt überhaupt eine große Rolle gespielt?
Beim Auftritt nicht, da war ich sehr zufrieden. Das ist immer von meiner Tagesform abhängig. Aber ich habe auch versucht, mich bestmöglich vorzubereiten. Ich habe am Tag des Auftritts viele Sprachübungen gemacht und davor nicht so viel gesprochen, damit die Stimme noch relativ frisch ist. Insofern hat es schon eine Rolle gespielt, auf der Bühne aber weniger. Klar habe ich ein-, zweimal leicht gestottert, aber komplett raus in den sechs Minuten komme ich nur in den allerseltensten Fällen.
Wie wichtig sind solche Wettbewerbe für die Slamszene?
Als aktueller Baden-Württemberg-Meister sage ich natürlich, Titel sind immens wichtig (lacht). Sie sind eine schöne Auszeichnung und eine große Anerkennung für die eigene Arbeit. Ich trete seit acht Jahren auf. Jetzt diesen Titel zu bekommen ist eine große persönliche Auszeichnung. Natürlich hilft ein Titel auch, wenn man sich bei anderen Formaten zeigen möchte, wie zum Beispiel im Bereich der Comedy.
Helfen Wettbewerbe auch dabei, auf Poetry Slam aufmerksam zu machen?
Ja klar. Zumindest in der Stadt, in der die Meisterschaften ausgetragen werden. Auch die Häuser, in denen wir spielen, bringen Reichweite mit. Das Finale der deutschsprachigen Meisterschaften war im Wiener Burgtheater und es fanden Veranstaltungen im Volkstheater statt.
Sie haben sich auch bereits als Autor erprobt und studiert. Welche Bedeutung nimmt der Poetry Slam für Sie ein?
Eine sehr wichtige. Es ist das Format, das mich überhaupt an die Bühne herangeführt hat. Ich mache mittlerweile auch andere Formate. Ich hab zum Beispiel eine Duo-Show mit dem Zauberer Nikolai Striebel. Aber Poetry Slam mache ich nach wie vor sehr gerne und das wird auch so bleiben. Und mittlerweile hat sich der Fokus verlagert, vom Hobby zu „es ist ein beträchtlicher Teil meines Berufes“.
Könnten Sie davon leben?
Nur mit reinen Veranstaltungen für Poetry Slams wahrscheinlich nicht. Ich generiere mein Einkommen auch aus inklusiven Veranstaltungen, bei denen ich Texte vortrage, aus Abenden, bei denen ich solo gebucht werde, aus Workshops, die ich gebe, und dadurch, dass ich den einen oder anderen Auftragstext schreibe.
Sie haben in nächster Zeit viele Auftritte. Wie stressig ist diese Zeit für Sie?
Die viele Reiserei ist schon auch mit Stress verbunden, gerade wenn mit der Bahn etwas nicht klappt oder ich nicht alle Wege sofort finde. Aber das ist Teil des Berufs. Und dadurch, dass der Auftritt an sich und die Abende mit den anderen Poeten so schön sind, nehme ich das gerne in Kauf.
Was ist Ihr Ziel für nächstes Jahr?
Wenn ich mich auf eines beschränken muss, dann wünsche ich mir deutlich mehr Auftritte, an denen ich abendfüllend spiele. Also entweder solo oder zusammen in der Show mit Nikolai Striebel. Dann habe ich eine deutlich längere Bühnenzeit und kann mehr Sachen von mir zum Besten geben.
Das Gespräch führte Anja La Roche.
Poetry Slam Bei einem Poetry Slam wird selbst verfasste Literatur (englisch: poetry) im Wettstreit (englisch: slam) performt. Das Publikum ist gleichzeitig Jury. „Die Texte sind mal lyrisch und mal humoristisch, mal gereimt und mal gerappt, mal kritisch und mal dadaistisch“, erklären die Veranstalter der Meisterschaft in Baden-Württemberg auf ihrer Website. Requisiten sind auf der Bühne verboten und das Zeitlimit darf nicht überschritten werden.
Kai Bosch Der Backnanger hat die Grundschule Maubach, die Max-Eyth-Realschule und die Anne-Haag-Schule besucht. Seit 2014 nimmt er regelmäßig an Poetry Slams teil. 2015 wurde er U20-Landesmeister. Zudem moderiert er Slams und andere Veranstaltungen. 2014 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Laberaffe“. 2016 und 2020 kamen jeweils die Textsammlungen „Tagträumer“ und „Titel werden überbewertet“ hinzu. Des Weiteren wirkt er als Laienschauspieler am Bandhaus-Theater Backnang und erhielt 2016 beim bundesweiten Theaterwettbewerb andersartig gedenken on stage den Förderpreis. 2019 gastierte er bei Raul Krauthausens Talkshow face to face, für dessen Blog er auch als Kolumnist arbeitet. 2022 wurde er Ü20-Landesmeister im Poetry Slam. Im selben Jahr hat er auch sein Studium in dem Fach Kommunikationswissenschaft beendet.
Demnächst in Backnang Am 18. November ist Kai Bosch bei einem Poetry-Slam-Workshop im Treffpunkt 44 in Backnang zu Gast, der im Rahmen der Literatour veranstaltet wird. Am 25. November gastiert er zudem bei einer Diskussionsrunde zum Thema Inklusion, veranstaltet von dem Backnanger Verein für Inklusion Via.