Klarinette und Orgel frohlocken in Backnang zur blauen Stunde

In der Backnanger Christkönigskirche intonieren Cindy Velz an der Klarinette und Regionalkantor Reiner Schulte an der Orgel klassische Stücke.

Cindy Velz (Klarinette) und Reiner Schulte (Orgel) spielen zur blauen Stunde in der Backnanger Christkönigskirche. Foto: Alexander Becher

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Cindy Velz (Klarinette) und Reiner Schulte (Orgel) spielen zur blauen Stunde in der Backnanger Christkönigskirche. Foto: Alexander Becher

Von Miklós Vajna

Backnang. Der Sonnenuntergang über Backnang hat begonnen, im Westen leuchten noch die letzten Sonnenstrahlen und in den klaren Sommerabendhimmel zieht die blaue Dämmerung. Der Altarraum der Christkönigskirche ist mit blauem Licht angestrahlt, die Sitzreihen sind gut gefüllt: Das Konzert „Musik zur blauen Stunde“ mit Cindy Velz (Klarinette) und Regionalkantor Reiner Schulte (Orgel) kann beginnen.

Pünktlich um 21.29 Uhr, zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs in Backnang, erklingt auf der Orgel die einleitende Passage der Sonate in g-Moll für Flöte und Cembalo von N.N. – die Urheberschaft, ob von Johann Sebastian Bach, Carl Philipp Emanuel Bach oder einem noch unbekannten Komponisten, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt.

Man kennt die Sonate in der Besetzung mit Querflöte/Violine und auch Saxofon und Cembalo/Klavier/Gitarre. Die in der Christkönigskirche erklingende Version für Klarinette und Orgel jedoch erscheint recht ungewöhnlich. Aber: Der grundsätzliche Einfall, eine Cembalo- oder Klavierbegleitung auf der (differenziert eingesetzten) Orgel zu spielen, eröffnet neue Perspektiven.

Prägnant geführte Solomelodien

Es gab immer schon die Tradition, große Klavierwerke für Orchester zu bearbeiten und damit klanglich zu bereichern – wie zum Beispiel „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Petrowitsch Mussorgski. Für kammermusikalische Kompositionen wie hier aber ist die Orgel erheblich besser geeignet. Die Möglichkeiten der facettenreichen, charakterisierenden Registrierung und der sehr variablen Dynamik können entscheidend zum Klarwerden und Verständnis der Werke beitragen.

Grade in der Sonate g-Moll mischt sich der Klarinettenklang mit dem fein registrierten Orgelklang zu einem jauchzenden, glucksend frohlockenden und orchestralen ersten Satz, der an aussagekräftiger Bedeutung gewinnt. Teilweise scheinen sogar mehrere Soloinstrumente die klangliche Breite und vielschichtige Fülle zu erzeugen. Dabei bleibt das Gespielte immer gut durchhörbar: Die jeweiligen Solomelodien sind von den Musikern musikalisch prägnant geführt. Die Nebenstimmen treten zwar zurück, sind aber dank adäquater Orgelregistrierung immer präsent.

Ausdrucksstarker Vortrag von Cindy Velz

Die drei Lieder ohne Worte, von Felix Mendelssohn Bartholdy für das Klavier komponiert, werden durch die Bearbeitung für Klarinette und Orgel auf eine höhere Stufe gehoben. Die führende Melodie übernimmt naturgemäß die Klarinette und wird von Klarinettistin Cindy Velz ausdrucksstark vorgetragen, aber auch die Orgel ist durch ergänzende und antwortende Gesangslinien am musikalischen Geschehen beteiligt. Mit atmosphärischen Klangfarben trägt die Orgel zu einer weiteren, beglückenden Dimension bei. Die Stücke gewinnen durch die neuen Ausdrucksmöglichkeiten an Größe und Eindrücklichkeit.

Ähnliches gilt für die Vier Stücke Opus 5 von Alban Berg für Klarinette und Klavier. Die mannigfachen, gut genutzten Registriermöglichkeiten der Orgel entfalten und verdeutlichen die in der Klavierbegleitung eher latent vorhandenen Klangebenen, die Intentionen des Komponisten werden schlüssig in Klangereignisse umgesetzt. Bewegte, irrlichternde Gestalten treten auf und verschwinden, Klänge werden zu Geräuschen und zeigen neue Facetten der Komposition, Dissonanzen erhalten ihren sinnbildenden Stellenwert.

Cindy Velz intoniert perfekt, mit schönem Klarinettenton, lässt die Melodien weich fließen und hat ein ätherisch spannendes Piano. Reiner Schulte beherrscht seine Orgel in allen dynamischen und klanglichen Möglichkeiten und setzt diese meisterhaft ein. Die Akustik der Christkönigskirche ist für diese Art von Aufführungen gut geeignet, allerdings muss der Musiker sein Ohr im Raum haben. Nach einer besinnlichen Pause klingt lang anhaltender Applaus auf. Die Sonne ist mittlerweile hinter Backnang untergegangen.

Der Einfall, eine Klavierbegleitung auf der Orgel zu spielen, eröffnet neue Perspektiven.

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Erstellt:
10. Juli 2023, 14:00 Uhr

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