Klaus Wanningers neuer Fall spielt 2073

Die „Schwaben-Zukunft“ ist der 23. Kriminalroman in der „Schwaben“-Reihe des Backnanger Autors. Klimawandel und Migration sind Themen, die Wanninger hier eng in Zusammenhang bringt. Diese sind eingebunden in einen spannenden Kriminalfall.

Klaus Wanninger möchte mit seinem Krimi auch zum Nachdenken anregen. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Klaus Wanninger möchte mit seinem Krimi auch zum Nachdenken anregen. Foto: Alexander Becher

Von Ingrid Knack

Backnang. Den Kommissaren Steffen Braig und Katrin Neundorf vom Landeskriminalamt Stuttgart, mit denen die Fans der Kriminalromane Klaus Wanningers schon so manchen Kriminalfall durchlebt haben, hat der Backnanger Autor eine Auszeit verordnet. Sein 23. Schwaben-Krimi spielt im Jahr 2073. Steffen Braigs Tochter Ann-Sophie Braig ist in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und wird uns als neue Ermittlerin vorgestellt. Sie soll nun einen Fall lösen, der mit der Havarie eines CO2-Speichers zu tun haben könnte. „Die Bundesregierung will den Einsatz der umstrittenen Technik des unterirdischen Verpressens von CO2 beschleunigen und ausbauen, um die Klimaziele zu erreichen“, war erst vor wenigen Tagen im Handelsblatt zu lesen. Zu den Vorreitern der Technik gehört Norwegen.

Hier wird schon deutlich: Wanninger greift Themen auf, die viele, auch viele junge Menschen auf der ganzen Welt nicht loslassen. Dass wir, wenn wir jetzt nicht die richtigen Weichen stellen, mit irrsinnigem Tempo auf die entscheidenden Klima-Kipppunkte zurasen, „hinter denen es endgültig kein Zurück zu lebensfreundlichen Bedingungen mehr geben wird“, das treibt auch den Backnanger Schriftsteller um. Der übrigens schon immer seine Kommissare mit dem öffentlichen Personennahverkehr fahren ließ – auch wenn das, verglichen mit der realen Polizeiarbeit, das eine oder andere Mal befremdlich klingen mochte.

Lange mit Klimathemen beschäftigt

Monatelang hat sich Klaus Wanninger im vergangenen Winter intensiv mit Klimathemen beschäftigt, dazu Bücher und wissenschaftliche Untersuchungen gelesen. Er sagt in einem Gespräch über sein jüngstes Werk, dass sogar bisher meistens Worst-Case-Szenarien eingetreten seien. „Mit meinem Krimi möchte ich einen Blick in die nahe Zukunft vermitteln. Ich möchte deutlich machen, wie sich der Lebensalltag völlig normaler Menschen in 50 Jahren wohl gestalten wird.“ Wobei er sich freilich der künstlerischen Freiheit bedient. Zum Beispiel konzentrieren sich einige angeführte, durchaus vorhergesagte Szenarien nicht auf einen von Wissenschaftlern prognostizierten Zeitraum, sondern eben auf das Jahr 2073. Den Anspruch, einen Wissenschaftsthriller zu schreiben, hat Wanninger nicht. Andererseits sieht er seine „Schwaben-Zukunft“ aber auch nicht als Science-Fiction. „Ich habe versucht, Realität reinzumischen, die wissenschaftlichen Berechnungen zufolge auf uns zukommt“, betont er.

In der von Klaus Wanninger beschriebenen Welt des Jahres 2073 ist es auch hierzulande ganz normal, dass die Bürger auf Schritt und Tritt überwacht werden. Das Personen-Identifikations-Programm (PIP), „mit dem sämtliche im öffentlichen Bereich vorhandenen Kameras ausgerüstet waren, verfügte über die Fähigkeit, den jeweiligen Passanten über dessen Chip zu identifizieren beziehungsweise festzustellen, ob eine Person ohne gültigen Chip unterwegs war. War dies der Fall, wurde in der Überwachungszentrale automatisch Alarm ausgelöst“, heißt es in dem Buch. Und die Zeit, in der Gerichte objektiv und unabhängig urteilten, ist ebenso vorbei wie das überwachungsfreie Dasein der Menschen. „Sie waren Marionetten der regierenden Rechtspopulisten...“

Nachrichtenblöcke zwischen einzelnen Kapiteln

Was so alles los ist in der Welt, erfährt der Leser zum Beispiel auch durch Nachrichtenblöcke zwischen einzelnen Kapiteln. Überschriften wie „Letzte ostfriesische Insel im Meer versunken“ oder „Sintflutartige Regenfälle in Zentralchina und Nordamerika“ führen unmissverständlich vor Augen, in welche Richtung unsere Welt steuert und was es abzumildern oder zu verhindern gilt. Auch das Thema Migration wird in der „Schwaben-Zukunft“ aufgegriffen. „Grenzkontrolleure verhindern Massendurchbruch“, heißt etwa eine Schlagzeile. Klimawandel und Migration sind Themen, die Wanninger hier eng in Zusammenhang bringt. Dabei zeigt er sich optimistisch und hofft auf die Macht der Bilder, um wissenschaftliche Begründungen geht es ihm nicht. Er sagt: „Emotionen wirken oft schneller und grundlegender als Impulse für Veränderungen als rationale Argumente. Sollte das Buch über die spannende Unterhaltung hinaus zum Nachdenken anregen, würde mich das freuen. Ich habe das Buch geschrieben, weil ich mich von dem Thema betroffen fühle.“

Wenn Wanninger von der Fridays-For-Future Generation spricht, kommt er ins Schwärmen. Er ist begeistert von dem Elan der jungen Menschen, „mit dem sie sich engagieren und in Sachen reinstürzen“. Auch als Lehrer habe er sich von dieser Energie der Schüler gerne anstecken lassen. Wenn man bedenke, was Kindern und Jugendlichen bevorstehe, könne man nicht guten Gewissens ohne Rücksicht auf Verluste einen Lebensstil beibehalten, der gravierende, negative Einflüsse auf das Klima hat.

„Ich habe versucht, Realität reinzumischen, die wissenschaftlichen Berechnungen zufolge auf uns zukommt.“

Der Fall, mit dem es Ann-Sophie Braig zu tun hat, führt die Kommissarin quer durchs Ländle, in dem an vielen Orten Katastrophenalarm herrscht. Ausgedehnte Niederschläge haben zu zusammengestürzten Häusern, abgerutschten Berghängen, aufgewölbten Straßen und zermalmten Fahrzeugen geführt. Den Krimi lässt Wanninger ganz bewusst in unserer näheren Umgebung spielen. „Um zu zeigen, was sich dort verändern kann.“

Auch unabhängig von den Katastrophenszenarien würde der Plot funktionieren. Er hat alles, was einen Krimi ausmacht, der Roman ist spannend zu lesen, logisch aufgebaut, und Wanninger führt den Leser zunächst bewusst in die Irre. In der Beschreibung des Krimis heißt es überdies: „Finsterer könnte das Szenario kaum sein, aber trotz der ernsten Thematik schenkt uns Wanninger wieder einmal den einen oder anderen wohlwollenden Blick tief in die Seele der Schwaben.“

Und was ist nun mit den uns schon seit dem Jahr 2000 vertrauten Ermittlern Steffen Braig und Katrin Neundorf? Haben sie als Protagonisten eines Wanninger-Krimis ausgedient? Diese Frage beantwortet derjenige, der ihnen Leben eingehaucht hat, so: „Bis 2073 haben wir noch fünf Jahrzehnte vor uns: genügend Zeit, Braigs und Neundorfs weitere Ermittlungen zu verfolgen.“

Eine neue Kommissarin ermittelt in der Zukunft

Krimi Nummer 23 Klaus Wanninger lebt mit seiner Frau Olivera und der Katzendame Micki in Backnang. Er veröffentlichte rund 40 Bücher. Seine bei der KBV Verlags- und Medien-GmbH erscheinende „Schwaben“-Krimireihe umfasst mittlerweile 23 Romane in einer Gesamtauflage von mehr als 650000 Exemplaren.

Lehrer und Autor Klaus Wanninger studierte evangelische Theologie und Geografie an der Universität Heidelberg, er arbeitete als Religionslehrer an einem Gymnasium in Backnang. 1985 wurde sein Interrail-Reisebuch von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur als Buch des Monats ausgezeichnet.

Blick in die Zukunft Mit der „Schwaben-Zukunft“ befasst sich Wanninger mit einem hochaktuellen Thema. Mitten in einem sintflutartigen Dauerregen, der Teile Stuttgarts und des Umlands in reißenden Fluten und unter verheerenden Hangrutschen verschwinden lässt, stößt Ann-Sophie Braig im Jahr 2073 auf die sterblichen Überreste eines Mannes, der Jahre zuvor für den Tod unzähliger Menschen als Folge eines havarierten CO2-Speichers verantwortlich gemacht wurde. Weil das Opfer einen migrantischen Hintergrund aufweist, vermutet die erfahrene, seit langen Jahren im Beruf ihres Vaters tätige Kriminalhauptkommissarin, dass das Verbrechen in die Reihe fremdenfeindlicher Morde einzuordnen ist, mit denen selbst ernannte Vaterlandsverteidiger auf die wachsende Zahl der Zuwanderer reagieren, die infolge der Klimaveränderung aus ihren Heimatländern vertrieben werden. Braig gelingt es, die wahren Hintergründe des Verbrechens aufzudecken. Es wird ihr wieder einmal bewusst, dass auch in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts aus dem Gleichgewicht geratene Emotionen oft das Fundament für mörderische Entgleisungen sind.

Taschenbuch und E-Book Das Taschenbuch hat 280 Seiten und kostet 14 Euro. ISBN 978-3-95441-632-5. Das E-Book kostet 9,99 Euro. ISBN 9783954416424.

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Erstellt:
16. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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