Knitze Anekdoten und liederliche Saitenklänge

Hanno Kluge und Anton Tauscher sorgen im Weissacher Heimatmuseum für einen vielseitig unterhaltsamen Abend.

Hanno Kluge (Bildmitte) und Anton Tauscher (an der Gitarre) sorgen als „ Knitz&Liederlich“ in Unterweissach für beste Unterhaltung auf gut Schwäbisch. Foto. A. Becher

© Alexander Becher

Hanno Kluge (Bildmitte) und Anton Tauscher (an der Gitarre) sorgen als „ Knitz&Liederlich“ in Unterweissach für beste Unterhaltung auf gut Schwäbisch. Foto. A. Becher

Von Wolfgang Gleich

Weissach im Tal. Zu einer gleichermaßen tiefsinnigen wie unterhaltsamen Suche nach der verlorenen Zeit entführten am Mittwochabend im Bauern- und Heimatmuseum in Unterweissach Hanno Kluge und Anton Tauscher ihre begeisterte Zuschauerschaft. „Heimat braucht kein Navi“ lautet in diesem Jahr das Motto des Veranstaltungsprogramms des Heimatvereins Weissacher Tal. Dass ein Navi zur Heimatfindung bisweilen hilfreich sein kann, zeigte sich bereits vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung, als mit Spannung spekuliert wurde, ob Anton Tauscher, ein Teil des Duos „Knitz&Liederlich“, den Weg nach Weissach finden würde.

Die Wartezeit bis dahin überbrückte Jürgen Hestler als Vorsitzender des Heimatvereins eloquent, indem er das Programm des Vereins vorstellte und dem Publikum, das dicht gedrängt im Oberling des Museums gespannt wartete, Hanno Kluge vorstellte, den „knitzen“ Gast des Abends.

Der ehemalige Pädagoge wurde 1945 in Sindelfingen geboren, wuchs in Böblingen auf und lebt seit über 40 Jahren in Dagersheim. Seine Liebe zum Schreiben auf Schwäbisch entdeckte er 1980, seit mehr als 30 Jahren stellt er sich der direkten Konfrontation mit dem Publikum. Nachdem er seit November keinen öffentlichen Auftritt mehr hatte, fieberte er diesem Abend entgegen, gestand Kluge. Dass er auf der Bühne geradezu aufblühte, war dem zweifachen Träger des Sebastian-Blau-Mundart-Preises anzumerken, als er aus dem Stand zur Höchstform auflief und die Zuhörerinnen und Zuhörer mitnahm in ein „fremdartiges Land“, dessen Eingeborene gemeinhin als maulfaul bezeichnet würden, von Linsengerichten, handgeschabten Teigwaren und einem vergorenen Apfel-Birnen-Gemisch lebten und wo die blauen Beeren der Schlehenhecken beim Essen das Hemd in die Gesäßfalte zögen. Tief- und Hintersinniges trug Kluge während des zweistündigen Programms vor, angefangen vom Nachtkrabb, der einst nach Einbruch der Dunkelheit Angst und Schrecken verbreitete und als „Hilfssheriff der Eltern“ die Kinder von der Gasse heimjagte, bis hin zu der „guten Stube“, in der lediglich am Sonntagnachmittag eingeheizt wurde, wenn Besuch kam. Melancholische Erinnerungen an die Oma, die „als“ Niedernauer Kartoffeln und Dampfnudeln mit Vanillesoße für ihn kochte, wechselten mit Anklagendem zu der Lebensregel „Schaffe, spare, Häusle baue“: „Der Vater schafft, die Mutter schafft, der Bub schafft die Schule nicht.“ Allein schon vom Zungenschlag her setzte Anton Tauscher einen Kontrapunkt zu Kluges bereits alemannisch weichgespültem Schwäbisch aus dem Gäu. Tauscher, ebenfalls Träger des Sebastian-Blau-Preises, war für den liederlichen Part verantwortlich.

Seine Wurzeln befinden sich unüberhörbar auf der Reutlinger Alb und dem davorliegenden Trauf. Virtuos mit lautmalerischer Feinfühligkeit zauberte er auf seiner Gitarre eine dampfgetriebene Museumslokomotive, die sich bergauf quält, machte einen Sonnenaufgang an einem grau-trüben Spätherbstmorgen nacherlebbar, oder auch den Blues, den ein Untermieter in bester Wohnlage am Fuß des Reutlinger Hausbergs Georgenberg erleben kann.

Ein Schlenker führte mit dem Instrumentalstück „Gamelei“ sogar in die Bretagne. Über die Musik hinaus trug Tauscher Nachdenkliches vor, über Urlaubsreisen nach Griechenland in den Jahren, bevor der Krieg in Jugoslawien Einzug hielt, die Aversion der Reutlinger gegen ihre Pfullinger Nachbarn, die auf der anderen Seite des Georgenbergs echazaufwärts leben, über einsame Albbauern, die von ihren Trieben in die Großstadt gedrängt werden, und über furchtbare Pädagogen, die Spuren hinterlassen, die ihre Opfer durch deren ganzes Leben begleiten.

Mit stürmischem Beifall bedankte sich das Publikum bei den Künstlern. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Winterkulturtage Rems-Murr statt, und zwar als Gemeinschaftsleistung des Vereins „Mund.art e.V.“ des Albvereins Backnang, der Gemeinde Weissach im Tal, des Heimatvereins Weissacher Tal und des Vereins Schwäbischer Wald Tourismus.

Anton Tauscher setzte einen Kontrapunkt zu Kluges alemannisch weichgespültem Schwäbisch.

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Erstellt:
31. März 2022, 11:00 Uhr

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