Solo-Tanztheater-Festival
„Künstler sehnen sich nach Zusammenhalt“
18 Stücke konkurrieren beim Solo-Tanztheater-Festival vom 13. bis 16. März um insgesamt acht Preise. Was neu ist bei der 29. Ausgabe des Stuttgarter Wettbewerbs, sagt der künstlerische Leiter Marcelo Santos.

© Jo_Grabowski/vhs
Die Kanadierin Emmy-Lynn MacKay-Ronacher gehörte 2024 zu den Preisträgerinnen des Festivals.
Von Andrea Kachelrieß
Mit einem Warm-up, bei dem sich Künstlerinnen und Künstler der freien Szene aus Stuttgart vorstellen, startet das Solo-Tanztheater-Festival auch in diesem Jahr. Danach konkurrieren an vier Abenden 18 Produktionen von vier Kontinenten um die Preise für das beste Tanzsolo im Treffpunkt Rotebühlplatz.
Herr Santos, das von Ihnen gegründete Festival geht in die 29. Runde. Wie entwickelt sich die Zahl der Bewerbungen?
Die Zahlen der Bewerbungen bleiben in etwa immer gleich, zumal auch die Altersbeschränkung, die bei 30 Jahren liegt, die Anzahl der möglichen Kandidaten und Kandidatinnen einschränkt. In diesem Jahr waren es rund 250 Bewerbungen von Künstlerinnen und Künstlern aus 55 Nationen. Sie kommen aus allen möglichen Ländern zwischen Chile und Taiwan, Kanada und Südafrika.
Das Festival spiegelt auch Themen, die junge Menschen beschäftigen. Um was geht es 2025?
Künstler und Menschen im Allgemeinen sehnen sich nach Zusammenhalt, Gerechtigkeit und Halt in einer zunehmend fragmentierten Welt voller Vieldeutigkeit – einschließlich der Geschlechtergerechtigkeit. Doch dieser Wunsch nach Stabilität und Zugehörigkeit gerät in Spannung mit dem Streben nach individueller Freiheit und persönlicher Entfaltung. Gerade die Erwartungen an Gemeinschaft und Gerechtigkeit können paradoxerweise zu neuen Einschränkungen führen, die das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung herausfordern.
Welches Thema würden Sie umsetzen, wenn Sie jetzt jung wären?
Ein Solo bringt immer Emotionen auf die Bühne. Wäre ich heute ein junger Choreograf und Tänzer, würde mich die Angst um den Verlust der Demokratie und damit auch der Freiheit, die die Kunst zum Atmen braucht, tief beschäftigen. Ebenso die Frage nach der finanziellen Unterstützung, ohne die kulturelle Vielfalt nicht bestehen kann. Kunst und Kultur sind systemrelevant – ich hoffe, dass das niemand vergisst.
Was ist neu beim 29. Festival?
Das Festival bleibt immer neu – mit frischen Choreografien, neuen Tänzerinnen und Tänzern, wechselnden Themen und einer jährlich neu besetzten internationalen und hochkarätigen Jury. Ganz neu ist in diesem Jahr das Projekt „Solo-Dialog“, in dem die zeitgenössische Tanzszene Stuttgarts auf internationale ehemalige Preisträger unseres Festivals trifft. Gemeinsam erkunden sie Bewegung und Dialog auf kreative Weise – mit Aufführungen an außergewöhnlichen Orten wie dem Mercedes-Benz-Museum und dem Landesmuseum Württemberg im Alten Schloss. Spannend ist auch die Partnerschaft mit Dance On Screen aus Graz. Am Finalabend werden Tanzvideos gezeigt, die durch die filmische Umsetzung noch einmal eine ganz andere Perspektive auf den Tanz werfen können.
Nur eine oder einer allein auf der Bühne: Was reizt Sie nach fast 30 Jahren immer noch an diesem Format?
Das Solo-Format ist eine besondere Herausforderung und Faszination zugleich. Ein Künstler allein auf der Bühne muss über enorme Persönlichkeit und Bühnenpräsenz verfügen, um das Publikum für 13 Minuten in seinen Bann zu ziehen. Die neue Bewegungssprache, die kalligrafische Präzision des zeitgenössischen Tanzes, tritt im Solo noch stärker in den Fokus. Dabei entsteht oft eine sehr persönliche, reduzierte und poetische Ausdrucksform. Zudem geht es beim Festival um die Förderung junger Nachwuchskünstler. Ein Solo bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Arbeit auf direktem und unabhängigem Weg zu präsentieren – ohne auf eine große Gruppe angewiesen zu sein.
Info
TerminDas Solo-Tanztheater-Festival bietet Veranstaltungen vom 12. bis 16. März. Zum Warm-up stellen sich bei „Stuttgart Choreo“ am Mittwoch Mitglieder der lokalen freien Szene solistisch im Treffpunkt Rotebühlplatz vor. An den drei folgenden Abenden bietet der Festival-Wettbewerb jeweils sechs Produktionen, am Sonntag stehen Finale und Preisverleihung an. Die Veranstaltungen beginnen um 20 Uhr, am Sonntag um 17 Uhr. Kartentelefon vhs- stuttgart: 0711 / 1873-800.
NeuDas Format „Solo Dialog“ bringt die Stuttgarter Tänzerinnen Stella Covi und Martina Gunkel mit den ehemaligen Preisträgern Breeanne Saxton und Louis Thuriot zusammen. Das Ergebnis wird am 16. März jeweils bei freiem Eintritt präsentiert: um 12 Uhr im Mercedes-Benz-Museum, um 15 Uhr im Alten Schloss und um 19.30 Uhr im Rotebühltreff.
PreiseDie Künstler:innen konkurrieren um je drei Preise für Choreografie und Tanz, die zwischen 3 500 und 1 500 EUR dotiert sind. Auch das Publikum kann zwei Preise von jeweils 500 EUR vergeben. Zu gewinnen sind außerdem Residenzpreise wie der DAF International Award, gesponsert von der Dance Arts Faculty (Italien) und der SDC International Residency, gesponsert vom Suzanne Dellal Centre for Dance and Theatre (Israel).