Mehr Rock und Pop in Backnang?

Kritik an der Vielfalt des Backnanger Kulturprogramms – Warum das Angebot ist, wie es ist

Klassik, Jazz, Schauspiel, Literatur: Das Programm des Backnanger Bürgerhauses bietet mehr als 20 Veranstaltungen im Jahr, mit dem classic-ope(r)n-air und dem Straßenfest kommen Großveranstaltungen unter freiem Himmel. Doch ist das Programm zu einseitig? Solche Kritik äußerte Wolfgang Schwalbe kürzlich in einer Sitzung des Gemeinderats – zum wiederholten Mal.

Rock- und Popkonzerte sind im Bürgerhaus nicht üblich. Jedoch traten beispielsweise die Lokalmatadoren Wendrsonn 2017 vor voll besetztem Haus auf. Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Rock- und Popkonzerte sind im Bürgerhaus nicht üblich. Jedoch traten beispielsweise die Lokalmatadoren Wendrsonn 2017 vor voll besetztem Haus auf. Archivfoto: A. Becher

Von Sarah Schwellinger

BACKNANG. „Nicht bunt genug, nicht gerade peppig, zu einseitig“: In seiner Rede bei einer Backnanger Gemeinderatssitzung kritisierte Wolfgang Schwalbe die Vielfalt des Backnanger Kulturangebots. Der Stadtrat wünscht sich mehr Rock- und Popveranstaltungen, mehr Abwechslung, Veranstaltungen für jedermann. „Es muss ja nicht AC/DC oder Phil Collins sein. Manfred Mann’s Earth Band war am 21. April 2018 in Euskirchen“, führt er an, „dort gab es nur Stehplätze in einer ähnlichen Halle wie unserer Stadthalle.“ Auch Ringo Starr mit seiner All-Starr-Band oder die SWR-1-Reihe Pop und Poesie wünscht sich Schwalbe in Backnang.

Doch wie ist eigentlich das Backnanger Kulturangebot aufgebaut? Nach welchen Kriterien wird ausgesucht? Und wieso gibt es solche Veranstaltungen, wie Schwalbe sie anspricht, nicht in Backnang? Das erklärt Martin Schick: „Das Programm des Backnanger Bürgerhauses ist bewusst so gestaltet, wie es ist.“

Der Leiter des Kulturamts will auf die Stärken der Stadt setzen. Tanz und Oper finden in Backnang nicht mehr statt, weil damit nicht gepunktet werden kann. „Ähnliches gilt auch für den Bereich Rock/Pop.“ Die Reihen Klassik, Jazz, Literatur, Schauspiel und Kinder haben sich laut Kulturamtsleiter in den vergangenen Jahren bewährt. Bei der Auswahl der Künstler und Formate unterstützen ausgezeichnet vernetzte Fachleute, so Schick: „So haben wir als Veranstalter die Chance, hervorragende Qualität auch finanzieren zu können.“

Das städtische Kulturprogramm ist breit aufgestellt, vielseitig und soll für jedermann sein und deshalb auch nicht allzu speziell. Innerhalb der Reihe „Extra“ werden Veranstaltungen angeboten, die sonst nicht ins Abonnement-Schema passen. Gut besucht war das Konzert von Wendrsonn im Dezember 2017. Nichts werde also kategorisch ausgeschlossen, so Schick, Genreübergreifendes findet sich immer wieder im Programm, wie beispielsweise mit dem Jazzgitarristen Mike Stern, Jacob Collier oder Richard Bona. „Da ist das Publikum dann wirklich bunt gemischt.“

Zu den eigenen Veranstaltungen, die die Stadt auf die Beine stellt, kommen externe Buchungen, die sich ins Bürgerhaus einmieten – auch aus den Bereichen Pop, Schlager, Irish Dance oder Musical. Vor allem die Volksbank macht als externer Mieter Veranstaltungen mit großer Bandbreite.

Doch Popmusik kommt an einem Fest im Jahr nicht zu kurz: Beim Backnanger Straßenfest treten auf mehreren Bühnen vier Tage lang Bands aus den Genres Rock und Pop auf. Beim Nachwuchsfestival können sich Nachwuchskünstler behaupten.

Die Region bietet vieles in Sachen Kultur an. „Die Arbeitsteilung verschieden ausgeprägter Veranstaltungsorte ist die logische Folge.“ Leute aus Backnang fahren für ein Konzert, das sie sehen wollen, auch nach Stuttgart oder Schorndorf. Umgekehrt kommen laut Schick auch Stuttgarter zu Veranstaltungen ins Bürgerhaus. „Der Zuspruch des Publikums ist da“, weiß Schick, „während andernorts die Besucherzahlen eher zurückgehen, haben wir im Schnitt Zuwächse.“

Für größere Rockkonzerte gibt es laut Schick andere Player in der Region, die so etwas leisten können.

Neben dem Ambiente, das gediegen ist und nicht nach Rockkonzert schreit, ist die Akustik nicht geeignet. Rock ist laut und der Saal am Ende zu klein. Der Walter-Baumgärtner-Saal ist für Rock- und Popkonzerte nicht geeignet, weil seine Akustik ab einem bestimmten Punkt sehr schlecht auf Lautstärke reagiert und unkontrollierbar wird.“ Das hat sich nach Angaben Schicks in der Musikszene herumgesprochen. Auch Teile des Publikums haben schon den Saal verlassen, wenn es zu laut und damit nicht mehr erträglich war. Im Gegensatz dazu ist der Saal für nicht elektronisch verstärkte Musik ideal. „Da gibt es keinen schlechten Platz.“

Rockmusik hat im Gegensatz zu Jazz und Klassik ein anderes Preisgefüge. „Das ist für uns nicht bezahlbar.“ Rock/Pop wird vom Markt gut bedient. Am Ende liegt die Aufgabe, mit Steuergeldern verantwortungsvoll umzugehen, beim Kulturamt selbst. Unter einer moderaten Preisstruktur darf die Qualität nicht leiden, so die Meinung des Kulturamtsleiters. „Es hat einen Grund, warum beispielsweise die Rolling Stones nicht nach Backnang kommen. Diejenigen unter den Rockgrößen der Siebzigerjahre, die sich ihre Qualität erhalten haben, spielen nicht vor einem 700-Leute-Publikum“, sondern füllen nach wie vor große Häuser wie die Wagenhallen (1500 Plätze), LKA Longhorn (2000), Porsche-Arena (5000), Schleyerhalle (15500). „Bei Ausstellungen machen wir es ja nicht anders“, erklärt Schick. Es werde geschaut, die bestmögliche Qualität fürs Budget zu bekommen.

„Wir sehen unseren Auftrag darin, die anspruchsvolle Kultur in möglichst guter Qualität zu präsentieren, bei der der freie Markt sich schwertut und setzen damit einen Bildungsauftrag um.“ Auch hier spielen die Finanzen keine unwichtige Rolle, denn jede Veranstaltung birgt da ein Risiko, auch im Rock-Pop-Bereich: „Das Risiko mit öffentlichen Mitteln zu stellen, ist am ehesten dann vertretbar, wenn damit auch die Umsetzung des Kulturauftrags gelingt.“ Mehr Veranstaltungen bedeutet somit mehr Ausgaben und mehr Risiken – die Mittel, die zur Verfügung stehen, sind beschränkt.

Qualität und Anspruch stehen für den Kulturamtsleiter an erster Stelle. „Wir sollten das machen, in dem wir gut sind und die Mittel nutzen, die wir haben.“ Er bemüht sich bei der Auswahl des Programms um anspruchsvolle Hochkultur, um ausgesuchte Dinge, um Neues mit Qualität – und das bei mehr als 20 Veranstaltungen übers Jahr. Nichts gelangt ins Programm des Backnanger Bürgerhauses, wenn es nicht genau unter die Lupe genommen und für gut befunden wurde. Sein Ziel? Schlicht und einfach: „Ich will die Horizonte der Leute erweitern.“

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Erstellt:
16. Februar 2019, 06:00 Uhr

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